Das nächste Problem aber kommt noch: Die Mutter kehrt heim und erzählt, dass der Hund schwer Diabetes hat. Beim Tierheim hat sie schon angerufen, um nachzufragen, ob der Hund dort unterkommen kann, aber das Heim ist eigentlich komplett überfüllt.
„Nicht ins Tierheim“, protestiert Kat.
„Es gibt schlimmere Orte für Tiere“, meint die Mutter stirnrunzelnd.
„Können wir ihn nicht nehmen?“ Kat versucht, ganz lieb zu gucken. Sogar ihre jüngere Schwester Janina, die mittlerweile auch zu Hause ist, ist sich ausnahmsweise einmal einig mit ihr. „Och, bitte!“, macht sie, legt den Kopf schief und sieht die Mutter besonders herzerweichend an. „Ich habe noch kein Tier!“
„Es kommt nicht in Frage. Erstens ist der Hund alt und krank und braucht ständige Betreuung. Zweitens würdest du dich um ihn ja gar nicht kümmern. Und drittens sind Max und er nicht aneinander gewöhnt.“
Natürlich. Der Kater. Den haben beide Mädchen vergessen. Es würde nicht klappen. Die beiden sind ja nicht aneinander gewöhnt; der Kater würde den Hund auf den nächsten Schrank jagen …
Kat ist trotzdem ziemlich traurig, obwohl sie einsehen muss, dass die Mutter recht hat. Die halbe Nacht lang liegt sie wach und überlegt, was sie tun könnte. Der arme, kranke Hund in einem Tierheim? Das kommt ihr sehr unfair vor.
Schließlich fasst sie den Entschluss, in der Schule herumzufragen, ob vielleicht jemand von ihren Klassenkameraden den Hund nehmen könne.
Direkt am nächsten Morgen setzt sie ihren Plan in die Tat um. Gemeinsam mit Linda fragt sie Herrn Althoff, ihren Klassenlehrer, ob sie in der Klasse etwas sagen dürfen. Dann erzählen sie in der Klasse von dem Hund, der ausgesetzt worden ist, wahrscheinlich, weil er krank ist und der Besitzer kein Geld oder keine Lust hat, sich um sein krank und alt gewordenes Tier zu kümmern.
Viele Kinder sind richtig empört.
„Und jetzt muss er in ein Tierheim“, erklärt Kat. „Wenn wir nicht jemanden finden, der ihn haben will.“
Ungefähr die Hälfte der Kinder will den Hund unbedingt mit nach Hause nehmen.
„Er braucht ständige Betreuung“, bemerkt Kat.
„Und die Medikamente sind auch teuer“, fügt Linda hinzu.
Herr Althoff scheucht die Mädchen schließlich wieder auf ihre Plätze. „Ihr könnt ja alle mal eure Eltern fragen“, schlägt er vor. „Jetzt wenden wir uns lieber der Geometrie zu.“
Kat aber passt nicht wirklich auf. Ihre Gedanken sind bei dem Hund, und ganz egal, welche geometrische Figur Herr Althoff anzeichnet: Kat sieht einen Hund darin.
Kat gibt nicht auf
Das Ganze war also ein ziemlicher Reinfall. Ich hasse so etwas! Ich hasse es einfach, wenn nichts funktioniert! Ich ging reichlich gefrustet nach Hause. Aber so schnell lasse ich mich nicht unterkriegen. Nachmittags hängte ich mich ans Telefon und rief meine ganze Telefonliste durch an.
Alle waren wahnsinnig nett und mitleidig. Aber keiner konnte den Hund gebrauchen.
Katharina ist frustriert, aber sie gibt nicht auf. Das ist eine ihrer wirklich positiven Eigenschaften: Sie gibt nicht so schnell auf. Wenn ihr etwas wirklich wichtig ist, dann klemmt sie sich dahinter. Auch, wenn es anstrengend ist. Und auch, wenn der Erfolg nicht so schnell sichtbar wird.
Bei ihren ausgedehnten Telefonaten kommt allerdings nichts anderes heraus, als dass ihr immer wieder gesagt wird, im Tierheim hätten es die Tiere gar nicht so schlecht, und gerade im Falle eines so kranken Tiers sei es vielleicht eine richtiggehend gute Lösung.
Kat ist nicht überzeugt. Umso weniger, als gerade an dem Tag in der Zeitung ein längerer Artikel über das örtliche Tierheim steht. Dass es so überfüllt sei, weil so viele Menschen sich verantwortungslos ein Tier anschafften und es dann abgeben müssten.
Kat stellt sich vor, wie der kranke Hund tagaus, tagein zwischen den anderen Tieren im Tierheim verbringt, wahrscheinlich den Rest seines Lebens über. Nein, das will sie nicht zulassen!
Katharina sucht sogar die Telefonnummer der örtlichen Polizei heraus. Der Polizist, der das Gespräch entgegennimmt, ist richtig nett. Er hört ihr genau zu und meint dann, vielleicht könnte man Anzeige gegen unbekannt erstatten, darüber solle Kat mit dem Tierarzt sprechen. Aber für die Unterbringung solcher Fundtiere sei nun einmal wirklich das Tierheim zuständig, bis sich jemand gefunden habe, der das Tier bei sich aufnehme. Da könne er ihr leider nicht weiterhelfen.
Am nächsten Tag fährt Kat mit ihrer Mutter zu Dr. Schmitz in die Sprechstunde. Sie wollen sich erkundigen, wie es dem Hund geht, die Mutter will mit dem Tierarzt über die Bezahlung sprechen, und außerdem brauchen sie Entwurmungstabletten für Pucki.
Die beiden warten zwischen den ganzen Tierhaltern und Tieren im Wartezimmer. Kat fand das früher immer sehr lustig, mit den winselnden Hunden, den Katzen im Korb, deren grüne Augen einen so anfunkelten, und den anderen Tieren. Einmal war eine Frau mit Schildkröten im Eimer da, das hat Kat damals besonders imponiert. Inzwischen hat Kat gemerkt, dass die meisten Tiere einfach Angst haben, und da findet auch sie die Situation nicht mehr so lustig. Die Tiere tun ihr leid – obwohl sie ja eigentlich gar keinen Grund zur Panik haben. Dr. Schmitz ist nett und tut ihnen ja nichts Böses, sondern hilft ihnen.
Nun, Dr. Schmitz zeigt Kat und ihrer Mutter, wie gut es dem Findelhund schon geht. Er ist schon viel lebhafter und leckt Kat die Hand. Kat findet ihn so süß!
Aber er hat noch nicht einmal einen Namen. „Gechipt ist er auch nicht“, stellt Dr. Schmitz kopfschüttelnd fest. „Ich habe Anzeige gegen unbekannt erstattet, aber das wird uns auch nicht viel weiterhelfen. Im Tierheim wird dieses spezielle Tier nicht glücklich werden. Er ist ausgesprochen menschenbezogen. Ich hoffe und bete immer noch, dass sich eine andere Lösung findet.“
Kat sieht ihn verwundert an. „Beten Sie wirklich?“
Dr. Schmitz lächelt. „Ja, tatsächlich. Ist das verboten?“
Kat schüttelt den Kopf. Natürlich ist es nicht verboten. Man darf immer beten. Auch für einen Hund …
Ich hab ein bisschen geheult. Dr. Schmitz kann den Hund nicht ewig behalten, sagte er. Und wohin soll er dann, der süße Hund?
Abends war dann Jugendtreff in der Gemeinde. Ich habe den anderen von dem Hund erzählt, aber die waren nicht so wirklich daran interessiert.
Luka hatte ein neues Rad, das fanden eigentlich alle deutlich wichtiger.
Ich war ziemlich sauer und half darum in der Küche ein bisschen beim Abwasch. Meine Mum behauptet zumindest immer, dabei könne man sich wunderbar abreagieren.
Frau Bodenstedt aus der Gemeinde musste sich vielleicht auch abreagieren, jedenfalls spülte sie auch schweigend vor sich hin. Plötzlich aber sah sie mich von der Seite an und fragte, ob ich Kummer hätte.
Und warum auch immer – sie ist, finde ich sonst immer, eine komische Schachtel mit hochstehenden Haaren und langen Röcken –, ich erzählte ihr alles.
„Hm“, machte sie. „Hast du es mal beim Gnadenhof Lindholz probiert? Könnte sein, dass der Hund dahin passt. Ich kenne die Inhaberin. Gertrud Homberg. Warte, ich gebe dir ihre Handynummer.“
Kat ist mit einem Mal ziemlich aufgeregt, aber sie ruft diese Gertrud Homberg sofort an. Noch vom Gemeindehaus aus. Gertruds Stimme hört sich am Telefon ganz nett an, findet Kat, und sie stellt sich eine Frau ungefähr vom Aussehen von Frau Bodenstedt vor, mit toupierten Haaren und bunter Kleidung.