Johannes Sachslehner
PORTRÄTS aus dem
WIENER NARRENKASTL
ISBN 978-3-990-040438-6
Wien – Graz – Klagenfurt
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Covergestaltung: Bruno Wegscheider
Produktion und Gestaltung: Alfred Hoffmann
Reproduktion und Bildbearbeitung: Pixelstorm, Wien
E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2017
INHALT
Fast a jeder Wiener is a klaner Spinner
Der Goldmacher · Der Mann, der sich Sehfeld nannte
Der Handaufleger · Franz Joseph Graf von Thun
Der Narrendattel · Johann Lochner
Der geniale Illusionist · Johann Nepomuk Mälzel
Der Selbstverewiger · Joseph Michael Kyselak
Der Zauberer vom Cobenzl · Carl Ludwig von Reichenbach
Der Wuotanspriester · Guido von List
Der Verjünger · Eugen Steinach
Der Arioheroiker · Jörg Lanz von Liebenfels
Der verirrte Philosoph · Otto Weininger
Der politische Traumwandler · Peter Waller
Quellen- und Literaturverzeichnis
FAST A
JEDER WIENER
IS A KLANER
SPINNER
Die Menschen sind so notwendig verrückt, dass nicht verrückt sein nur hieße, verrückt sein nach einer anderen Art von Verrücktheit.
Blaise Pascal, Gedanken
Stultorum infinitus est numerus ·
Die Narren seynd ohne Zahl und ohne Ziel
Abraham a Sancta Clara,
Hundert Ausbündige Narren
Fast a jeder Wiener is a klaner Spinner“, sang einst der Wiener Liedermacher Hans Lang und das Publikum pflichtete ihm gerne bei – ja, die Wiener galten und gelten als etwas „ver-rückt“. Gleich hundert „ausbündige Narren“ wollte Abraham a Sancta Clara unter seinen Zeitgenossen erkennen: vom „Astrologischen Narren“ bis zum „Weiber-Narren“, vom „Bücher-Narren“ bis zum „Zauberey-Narren“. Ganz Wien war dem wortgewaltigen Barfußprediger und eifrigen „Narrengeißler“ (Ulrich Holbein) ein „Narrennest“ und ein „Karrn voller Narrn“ – „Wer die Welt nennt ein Narren-Häusel, der nennt sie recht“, war sein beliebter Spruch.
Die Wiener selbst bewiesen eine gewisse Neigung für das Närrische: Man schätzte die komischen Käuze, seltsamen Originale und schnurrigen Zeitgenossen, sie gehörten irgendwie dazu, boten willkommenen Stoff zur Belustigung, aber auch zu manchem Ärger. Man genoss die groben Possen des Hanswursts auf den Stegreifbühnen der Stadt, beklatschte den Harlekin der Commedia dell’arte und lachte über den Kasperl und seine Abenteuer. Hatte man partout keinen Narren zur Hand, so wanderte man am Sonntag zum Narrenturm beim Allgemeinen Krankenhaus, um hier die „Halbtollen“ und wirklich Wahnsinnigen zu sehen, oder man erfand so manch Närrisches einfach selbst – die „Unsinnsgesellschaft“ um Franz Schubert und Leopold Kupelwieser, die ihren Stammsitz im Gasthaus „Zum rothen Hahn“ auf der Landstraße hatte, ist dafür beredtes Zeugnis. Man liebte das Spiel mit närrischen Rollen, mit seltsamen Pseudonymen und allerlei Verkleidungen, es gefiel, die „Mitmenschen und sich selbst zum Narren zu halten“, wie Emil Karl Blümml in seiner Abhandlung über den „Narrendattel“ schreibt. Kurz gesagt: Die Narren waren den Wienern schon immer lieber als öde schulmeisterliche Belehrung. Sie ermöglichten das befreiende Lachen über eine in der närrischen Perspektive grotesk verzerrte Welt.
DER NARR UND DAS ABSEITIGE DENKEN
Der Narr, sagt Erasmus von Rotterdam in seiner berühmten satirischen Schrift Lob der Torheit, zeichne sich durch die Abwesenheit von Verstand aus. Das war nicht unbedingt ein Makel: Der unvernünftige „Hofnarr“ bewegte sich in unmittelbarer Nähe des Herrschers, der weise Berater und der Tor, beide standen dem Regenten gemeinsam zur Seite. Dem Narren war es vorbehalten, im Gewand der Narretei unverblümt Dinge sagen zu können, die dem Weisen nicht gut angestanden wären: Verrücktes, Lustiges, aber auch Kritisches, Provokantes. Man verzieh ihm ob seiner Torheit und lachte über seine Scherze. Der Narr war durch seine Tracht, die Narrenkappe, geschützt und konnte nicht zur Verantwortung gezogen werden.
Erasmus geht in seinen Überlegungen zur Torheit aber noch weiter und wagt eine These: Er meint, dass es die „Narrheit“ brauche, um schöpferisch zu sein. Es sei Fiktion, dass das menschliche Dasein von Vernunft geleitet werde, gerade die „Narrheit“ sorge für neue Ideen.
Genau dieses „unkalkulierte, abseitige, ungebändigte, regellose, flanierende Denken“ (Alexander Košenina) zeichnet die Protagonisten dieses Buches aus. Die „Narren“, von denen hier die Rede ist, sind unbequem. Es sind