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Der Arbeitsschutzinspektor besuchte den Zweiten Steuermann in der Augenklinik. Hier befragte er ihn auch nach dem Unfallhergang und der Ursache der bösen Verletzung. Der Zweite bestätigte in seiner Aussage im Wesentlichen die Angaben des Auszubildenden.
„Warum haben Sie keine Schutzbrille getragen?“, wurde der Zweite zielgerichtet gefragt.
„Der Auszubildende war in der Lage, ohne mein Zutun den Spleiß zu fertigen. Deshalb habe ich die Schutzbrille abgelegt. Die Verletzung konnte geschehen, weil ich mich dem Drahtauge ungewollt mit dem Kopf näherte, um das Festziehen der ersten Litze zu beobachten. Torsten hatte die Litze sehr schnell und kräftig in die Keep gezogen, dabei sprang das betakelte Ende der Litze mir in das Gesicht“, erklärte der Zweite dem Inspektor.
„Hätten Sie eine Schutzbrille getragen, wäre es nicht zu diesem schweren Unfall gekommen. Sie haben die Gefährdungen beim Spleißen unterschätzt. Sollte der Versicherungsträger den Unfall wegen grober Fahrlässigkeit Ihrerseits nicht als Arbeitsunfall anerkennen, erhalten sie wahrscheinlich kein Verletztengeld und keine Verletztenrente“, informierte der Inspektor den Zweiten Steuermann.
Am Nachmittag wurde der Zweite Steuermann von seiner Frau und seinen beiden Kindern besucht. Die Anwesenheit der Familie am Krankenbett stimmte ihn hoffnungsvoller. Die Kinder trösteten ihren Vater und erzählten über ihre Erlebnisse in der Schule und im Sportverein.
„Meine Augenverletzung erlaubt keine Tätigkeit mehr als Steuermann, auch nicht als Decksmann. Ich muss mir eine Tätigkeit an Land suchen“, sagte Roland besorgt zu seiner Frau.
„Ich werde eine künstliche Augenprothese tragen müssen“.
„Gemeinsam werden wir es schon schaffen“, tröste Frau Dorr ihren Mann.
Beide wussten, dass der Unfall den Verlauf ihres weiteren gemeinsamen Lebens beeinflussen wird.
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Nach zwei Wochen wurde der Zweite Steuermann aus der Augenklinik entlassen. Er musste sich in den vom Arzt festgelegten Zeitabständen zur Kontrolle vorstellen. Der für die Prüfung der Seetauglichkeit verantwortliche Arzt teilte ihm amtlich den Verlust seiner Seetauglichkeit mit.
Roland Dorr meldete sich im Personalbüro der Reederei. Hier hatte man schon über die Möglichkeit einer anderen Tätigkeit beraten. Als er vorsprach, wurde ihm eine Tätigkeit als Berichtiger von Seekarten und Seehandbüchern sowie Leuchtfeuerverzeichnissen vorgeschlagen.
„In der Kartenberichtigungsstelle fehlt noch ein Mitarbeiter. Sie sind ausreichend qualifiziert und können unter Berücksichtigung ihrer Behinderung, nach einer noch festzulegenden Einarbeitungszeit, die anfallenden Aufgaben erfüllen“, sagte der Personalleiter.
Roland Dorr sprach in der Kartenberichtigungsstelle vor und ließ sich seine Aufgaben erklären.
„Die Tätigkeit sagt mir zu. Berichtigungen in der Seekarte und in den nautischen Handbüchern habe ich auch an Bord während meines Wachdienstes im Kartenraum vorgenommen. Wann kann ich mit der Tätigkeit beginnen?“, fragte Roland den Chef der Kartenberichtigungsstelle.
„Sie können am kommenden Montag beginnen“, antwortete er aufmunternd.
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Am Abend sprach Roland mit seiner Frau über seine persönlich getroffene Entscheidung.
„Für mich ist die Tätigkeit an Land eine große Umstellung in meinem bisherigen Arbeitsleben. Jeden Tag mit dem Personenzug zur Arbeit fahren. In einem Büro arbeiten. Seekarten und nautische Bücher von Bord holen, diese berichtigen, wieder an Bord bringen und an die ehemaligen Kollegen übergeben“, sagte Roland zu seiner Frau.
„Wir müssen uns alle umstellen. Dein Verdienst ist weitaus geringer. In absehbarer Zeit fehlen uns die finanziellen Mittel für die Sanierung unseres kleinen Hauses. Wir müssen sehr sparsam leben. Gemeinsam werden wir es aber schaffen“, sagt Frau Dorr zuversichtlich.
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Nach zwei Monaten erhielt Roland Dorr einen Bescheid vom Versicherungsträger. Man teilte ihm mit, dass der Unfall als Arbeitsunfall anerkannt wurde. Roland Dorr erhielt eine Verletztenrente und das Verletztengeld seit dem Eintritt des Arbeitsunfalls nachgezahlt. Der gezahlte Geldbetrag der privaten Unfallversicherung reichte aus, sein kleines Haus zu sanieren.
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