Das Objekt in Bad Elbis-Solbach hatte schon beachtliche Dimensionen. Eines Tages sollten an den Enden der Korridore die Heizungen neben den schmalen Türen an die Seite versetzt werden, damit ausreichend breite Fluchttüren eingebaut werden konnten. Zuerst wurden die Heizungen an die Seite verlegt, aber aus einem unerklärlichen Grund blieben jedoch die schmalen Türen. Werner erzählte unter dem Mantel der Verschwiegenheit, dass der Gutachter auf Friedrich Rübners Kosten drei Wochen Urlaub auf Mallorca verleben durfte, wo ihm alle Unkosten beglichen wurden. Im Gegenzug hat er alle Gutachten blanko unterschrieben. Das Gleiche traf auch für das gesamte Haus zu. Werner erzählte, dass am Anfang der Baumaßnahmen des als Kurhotel geplanten, aber nie in Betrieb gegangenen Hauses eine Entkernung erfolgte, wo auch jede Menge tragende Wände entfernt wurden. Bei eine kräftigen Sturm hätte alles wie ein Kartenhaus zusammenfallen können. Nun sind aber wieder ausreichend Wände eingebaut, die das Haus stabilisieren. Als Friedrich Rübners Tochter Katrin eine 14-tägige Urlaubsreise in die USA antreten wollte, holten sie Gerhard Lochmann und Frank-Peter, um die Elektroarbeiten in ihrem Wohnbereich abzusprechen. Katja hatte eine etwa 300 m2 Wohnung auf den Dach des Hauses, die weder über einen eigenen Stromzähler noch über eine Wasseruhr verfügte. Katrin äußerte ihre Wünsche – und – dass nach dem Urlaub alles fertig sein sollte. Aus diesem Wunsch nach vierzehn Tagen Arbeit wurden Monate, die gesamte Wohnung wurde total umgebaut. Es war Frank-Peters erste Bewährungsprobe, denn alle elektrischen Arbeiten hatte er allein zu machen. In notwendigen Arbeitspausen im elektrischen Bereich half er bei der Parkettverlegung oder auch beim Trockenbau. Am Ende waren es mehr als 120 Lichtschalter und Steckdosen und mehrere tausend Meter Elektrokabel, die die edel sanierte Wohnung verschlang. Hinzu kam noch, dass die Brandmeldeanlage auch diesen Bereich des Hauses sichern musste. Die Brandmeldeanlage hatte Frank-Peter von Anbeginn als Einziger verlegt und installiert. Nur für die Inbetriebnahme und Programmierung erschien eine Spezialfirma. Selbst die Berechnung der erforderlichen Menge an Brandmeldern im großen Speiseraum überließ man Frank-Peter, der zu Hause mithilfe eines Computerprogramms ein Maßbild für die Standorte der Brandmelder erstellte. An manchen Tagen arbeitet Frank-Peter die vollen zehn Stunden auf der Leiter stehend in den Korridoren, um Komponenten der Brandmeldeanlage zu installieren oder auch den Schwesternruf zu installieren. Heftige Krämpfe in den Beinen und den Armen meldeten sich hier in den Nächten zum ersten Mal und brachten endlose schlaflose Stunden. Außerdem war er einer der wenigen, die zum Feierabend am Abend nicht sagen konnten, ob es draußen geregnet oder bereits geschneit hat. Ein anderer Elektriker, auch aus der Nähe von Leipzig, hatte Friedrich Rübner vorgerechnet, dass sich für ihn Überstunden nicht rechnen. Mit den Überstunden komme er in eine neue Steuerklasse und hat von 100 Euro Bruttolohnerhöhung aufgrund der Überstunden weniger als 20 Euro Netto für sich. Nach vierzehn Tagen war dieser Elektriker entlassen worden. Peter, der einzige „Wessi“, der eigenartigerweise mit der Ex vom Elektriker Gerhard Lochmann liiert war, rief eines Tages Friedrich Rübner an und erklärte ihm, dass er einige der geplanten Arbeiten nicht machen kann, ihm fehle das Fachwissen dafür. Peter war kein gelernter Elektriker, hatte sich aber gut eingearbeitet. Solange ihm jemand sagte, was zu machen sei, ging auch alles gut. Als Gerhard Lochmann dann krankheitsbedingt ausfiel, gab es niemand mehr, der ihm die Aufgaben zuwies. Auch Peter hatte noch vierzehn Tage, die er wegen anteiligen Urlaubs aber komplett der Firma fern blieb. Immer wenn Arbeiten abgeschlossen waren, wurden die jeweiligen Fachleute entlassen. Damit keine Ansprüche auf Abfindung entstehen können, wurden die Leute von Friedrich Rübner alle drei Jahre in eine andere seiner vielen Firmen umgesetzt. Einmal kam sogar das Gerücht auf, dass die „neue“ Firma dem Vernehmen nach eine Baufirma sei und damit die Anstellung nicht mehr im Baunebengewerke, sondern im Bauhauptgewerke mit den dort verbindlichen Tarifstrukturen erfolge. Ein Irrtum, denn die neue Firma war ebenso wieder eine Immobilien- und Gartenfirma, am Verdienst änderte sich nichts. Zu Gute halten muss man aber, dass es den Lohn immer pünktlich gab. Auch das soll heute in Deutschland nicht mehr durchweg passieren.
Überhaupt mutete am Anfang die Baustelle in Bad Elbis-Solbach wie aus dem vorigen Jahrhundert an. Es schien nicht nur so, als wären die Quartiere mitten auf der Baustelle, sie waren es! Nur in manchen amerikanischen Filmen hatte Frank-Peter ähnliche Kulissen gesehen.
Ein Leben auf der Baustelle, provisorische Türen zu den Schlafgelegenheiten
Erstaunlicherweise hatte Friedrich Rübner immer rechtzeitig Hinweise erhalten, wenn ihm vermutlich von gekündigten Mitarbeitern der Zoll auf die Baustelle geschickt wurde. Er ließ dann die Polen, die seit Jahren als Schwarzarbeiter bei ihm malochten, „verschwinden“. Die Vorwarnzeiten wurden immer kürzer und Friedrich Rübner drohte dem Rest der Mannschaft, die Baustelle zu schließen. Wenn abends noch Einkäufe getätigt werden mussten, gab es immer welche, die für die Polen, die die Spitznahmen Lolek und Bolek erhielten, vor allem Bier mitbrachten. Diese wollten die preiswerteste Sorte, der Kasten solcherart Bier kostete 5,95 Euro. Frank-Peter hat es auch probiert. Ab dem zehnten Bier war es halbwegs genießbar.
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