»Toll! Die rote Kontrollkarte für Küchenpersonal haben Sie auch?«
»Alles dabei«, bestätige ich und schaue auf den Vertrag. Meine groben Eckdaten sind sogar schon eingetragen! Ich habe noch nicht einmal ja gesagt, denke ich.
»Also, wie Sie sehen, fangen Sie morgen schon als Küchenhilfe bei uns an. Sie haben ein halbes Jahr Probezeit und das Arbeitsverhältnis ist vorerst für ein Jahr befristet. Sie haben stets Hygienebekleidung und feste Arbeitsschuhe mit Stahlkappe mitzuführen. Ihren Personalausweis, den SV-Ausweis, die rote Kontrollkarte und einen Schulungsnachweis für den Arbeitsschutz. Den machen wir aber gleich noch.« Sie lächelt wieder, als ob dies wohl keine sonderlich große Sache wäre. »Gut. Dann wären wir beim Verdienst: Sie bekommen 6 Euro und siebzig Cent die Stunde gemäß der Entgeltgruppe 1 laut Haustarif.«
Ich schlucke. Es ist nicht einmal die Hälfte von dem, was ich eigentlich kriegen müsste, um später irgendwie auch nur annährend auf eine Mindestrente zu kommen.
»Allerdings«, fährt sie fort, »wenn Sie für den Auftraggeber kochen, dann bekommen Sie auf jeden Fall die Zuschläge für den Koch und natürlich auch Sonn- und Feiertagszuschläge bezahlt … Na ja, reich werden Sie bei uns wohl nicht, aber es ist zumindest ein kleiner Anfang.« Sie zwinkert.
Es ist zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel, denke ich. Ich bin definitiv unten im Hungerlohnsektor angekommen. Ich schaue sie an: »Wenn ich fragen darf, steigert sich meine Entgeltgruppe später dann auch?«
»Oh ja!«, versichert sie strahlend. »Schon gleich nach der Probezeit bekommen Sie die erste Lohnsteigerung.«
Fast klingt es wie ein kleiner Hoffnungswecker in meinen Ohren, damit ich nicht gleich wieder die Ruder über Bord werfe, und doch treibe ich auf dem weiten Meer der Armut dahin. »Nun ja«, sage ich, »wenn Sie das so sagen …«
»Ja.«
Ich lasse es einfach. Ich bin nicht in der Position, um andere Forderungen zu stellen. Sie ist die Personalerin und führt das Kommando an, muss ich mir eingestehen.
»Gut. Dann können wir jetzt zu den Schutzbelehrungen übergehen. Ich gebe Ihnen hier eine Broschüre zu den Sicherheitsregeln am Arbeitsplatz, eine zu hygienerelevanten Gesichtspunkten und einen kleinen Fragebogen, den Sie mir bitte nach Ihrem derzeitigen Wissensstand kurz einmal beantworten werden. Dies ist wichtig für alle Mitarbeiter und frischt das Wissen entsprechend wieder auf.«
Es wird sicher seine Gründe haben, sage ich mir.
»Na ja, Sie müssen verstehen«, fügt sie noch an, »aber der Arbeitsmarkt, gerade im Bereich Personalleasing, hat sich in den letzten Jahren rasant verändert. Falls jedoch irgendein Gesichtspunkt nicht ganz klar sein sollte, dann fragen sie uns einfach.«
Sie hakt etwas auf ihrer Liste ab. Es scheint ganz einfach für sie zu sein. Und in der Tat – offensichtlich geht es im Arbeitsleben tatsächlich nur um machen oder eben nicht machen.
»Ach ja, Herr Frank«, kam sie wieder darauf zurück. »Ich benötige nun Ihre Krankenversicherungskarte oder die Mitgliedsbescheinigung von einer Kasse. Den SV-Ausweis bitte, Ihre Kontodaten natürlich und noch einmal die rote Kontrollkarte für Küchenpersonal zum Kopieren.«
Ich krame die gewünschten Papiere hervor und reiche sie ihr. Von ihr bekomme ich einen Kugelschreiber mit Firmenslogan, um mich dann an die Beantwortung des Fragebogens zu machen. Zuversichtlich verschwindet sie wieder, und irgendwie scheint schon vorher alles klar zu sein, obwohl ich den Vertrag noch gar nicht unterschrieben habe. Aber im Grunde habe ich im Gespräch bereits meine mündliche Zustimmung gegeben, denn jetzt wieder einen Rückzieher machen, das wäre wie den Schwanz vor der Lady einziehen. Die Personalerin ist sichtlich routiniert im Geschäft. Auch scheint sie genau darauf zu bauen, dass die Mehrheit der Kandidaten gar nicht erst großartig darüber nachdenkt, worauf man sich bei den Geschäftspraktiken von der Zeitarbeit einlässt.
Der Testbogen zu den Hygienefragen und Arbeitsschutzbestimmungen lässt sich ziemlich leicht beantworten, besonders wenn man schon einmal in der Küchenbranche gearbeitet hat. Vieles erscheint logisch und im Nu bin ich durch die vier fliegenden Blätter hindurch. Ich widme mich den Broschüren mit den ausführlicheren Verhaltensregeln und merke am Umfang des Themas, dass dies hier auf die Schnelle durchzuarbeiten wohl nicht mehr als eine oberflächliche Sache wird. Selbst der vorliegende Arbeitsvertrag ist gespickt mit fragwürdigen Bestimmungen, Regeln und Pflichten; ich entdecke haufenweise Zusatzklauseln, die so bis vor ein paar Jahren noch in keinem durchschnittlichen Arbeitsvertrag standen. Und dass ein Arbeitsvertrag neuerdings zwischen Tür und Angel aufgesetzt wird, macht mich dann doch etwas stutzig. Auch die Personalerin scheint sich im Nachbarzimmer vor lauter Arbeitseifer zu überschlagen. Sie telefoniert gleich auf mehreren Kanälen und redet nebenher mit einer weiteren Person – ihrer Vorgesetzten vielleicht? Sie kommt wieder und bringt zwei weitere Formulare mit.
»Ah, wie ich sehe, sind Sie schon so weit …«
»Na ja, nicht ganz«, sage ich, »es ist ziemlich umfangreich.«
»Alles in allem das Geläufige für den Gastronomiebereich …«, sagt sie.
Alles in allem viel undurchsichtiges Neues, denke ich.
»Den Testbogen?«
Ich reiche ihn ihr.
»Sie sind gut«, bemerkt sie auf Anhieb.
Ich hebe wenig geehrt die Schultern.
»Sie müssten diese beiden Formulare hier noch unterschreiben. Das bestätigt, dass die jährliche Arbeitsschutzbelehrung durchgeführt wurde und Sie auch das Merkheft zu den betrieblichen Arbeitsrichtlinien erhalten haben. Ähm, allerdings«, fiel ihr ein, »müssen wir natürlich erst einmal den Arbeitsvertrag gegenzeichnen, bevor wir weitermachen können.« Sie schmunzelt wieder.
Ich schmunzele zurück. Ich dachte es mir bereits, es geht einfach nicht schnell genug. Zeit ist eben Geld. Und arbeiten für die Zeitarbeit bedeutet gleich kein Zuckerschlecken, sondern Arbeitsstunden erbringen für Geld. In erster Linie natürlich für die Zeitarbeit selbst – dem Verkäufer meiner Arbeitskraft. In zweifacher Ausfertigung zeichnen wir einander gegen.
Sie schiebt mir die Empfangsbestätigungen zu. »Hier und hier unten bitte auch unterschreiben …«
Der Skeptiker in meinem Gehirn hat inzwischen abgeschaltet, oder eben einfach kapituliert. Ich unterschreibe bedingungslos und weiß noch nicht einmal zur Hälfte, was in den speziellen Vertragsrichtlinien geschrieben steht. Verdammt! Alles nur, weil ich muss, denke ich. Von wegen Freiheit! Friede – Freude – Marktwirtschaft! Ich bin gar nicht frei. Ich bin hier gezwungenermaßen … Und mein Gegenüber kann sich sicher denken, dass ich arm dran bin. Wer geht auch schon freiwillig zur Zeitarbeit, wenn er noch andere Möglichkeiten hat? Nicht besonders glücklich schiebe ich die Formulare wieder über den Tisch und bekomme meine persönlichen Papiere zurück.
»Schön, Herr Frank. Wie Sie sehen, kann es heutzutage auch ziemlich schnell mit einer neuen Arbeit gehen«, sagt sie recht zufrieden und wirft einen Blick zur Uhr.
Oh ja, denke ich, von nun an werde ich wohl ihr kleiner Arbeitssklave sein.
»Nun«, fährt sie fort, »da Sie ohnehin Koch von Beruf sind, gehe ich davon aus, dass Sie bereits Arbeitsbekleidung besitzen. Wenn Sie aber noch etwas benötigen, Arbeitsschuhe vielleicht, können Sie diese selbstverständlich genauso von uns bekommen. Allerdings müssten Sie diese bezahlen.«
Nichts wird einem mehr geschenkt! Ich erinnere mich: Der letzte Arbeitgeber hatte Bekleidung und Schuhe noch betrieblich gestellt. Zwei Paar intakte Arbeitsschuhe hatte ich gestern erst herausgekramt. »Alles da«, sage ich.
»Okay. Jetzt müssen wir nur noch …« Klingeling! – ihr Handy klingelt. »Entschuldigen Sie kurz …« Schon spricht sie in den zweiten Kanal: »Ja, Lehmann, Personalleasing …, ja, ich verstehe …, bla, bla, bla …«
Es klopft an der Tür. Die Tür zum Büro geht auf. Der Kopf eines jungen