Heimkehr zu den Dakota. Liselotte Welskopf-Henrich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Liselotte Welskopf-Henrich
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Исторические приключения
Год издания: 0
isbn: 9783957840066
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aus. Die Alte nahm ihm den Besen aus der Hand und stellte ihn an die Wand, sie legte den geflickten Kittel auf den Schreibtisch und sagte zu dem Blondbärtigen: »Bringe zur Abschiedsfeier alle Freunde mit. Harry kommt.«

      Der junge Mann nahm seinen Kittel, dankte und verließ den Raum. Draußen zog er den Kittel über, schaute nach den Sternen, stellte fest, dass es noch sehr früh am Abend war und er genügend Zeit hatte, zwar nicht, um eine Stunde zu vergeuden, aber doch, um in Ruhe vorzugehen. Er schlenderte wie absichtslos zum Gleis, an den Abschnitt, an dem der erwartete Zug halten musste, und traf dort einen Trapper, der, die Büchse im Arm, eine Art Aufsicht führte.

      »Wir setzen uns mit Harry zusammen, heute Nacht bei der Feier«, sagte er nebenhin und erkundigte sich dann, was der Zug voraussichtlich für Ladung führen würde. Als die beiden in größerer Entfernung Red Jim auftauchen sahen, ging der Blondbärtige weg. Jim hatte ihn bis jetzt noch nicht wiedererkannt, aber er wollte ihm auch keine Gelegenheit geben, ihn aufmerksam ins Auge zu fassen. MacLean war vor drei Jahren bei einem Streik der Eisenbahnbauarbeiter um ein Haar Red Jims Revolver zum Opfer gefallen. Er war entlassen worden, hatte sich aber unter falschem Namen und verändert durch den inzwischen gewachsenen Bart wieder anwerben lassen. Der Mann in der Schreibstube betrachtete ihn als seinen Burschen und Diener und nutzte ihn weidlich als Aushilfe beim Listenschreiben aus. So wusste MacLean mit vielem Bescheid, was ihn nach Meinung der Lagerleitung sicherlich nicht das geringste anging. Von ihm hatte Harka auch erfahren, was Jim als Manager einer Kundschaftergruppe von sechs Mann als Löhnung für diese erhielt, und Jim musste seitdem etwas mehr herausrücken. Die Auseinandersetzung war kurz und bündig verlaufen, und Jim hasste Harry dafür noch mehr.

      Während der Blonde weiter im Lager umherstrich, war der junge Indianer zu seinem Zelt zurückgeritten.

      Er pflockte den Mustang wieder an. Auch der Schecke des Vaters stand schon da und graste. Mattotaupa war also von seinem Kundschafterdienst zurück. Als Harka in das Zelt eintrat, fand er den Vater schlafend. Er setzte sich und wartete, bis Mattotaupa nach drei Stunden von selbst wieder wach wurde.

      Die verstümmelte Indianerin kam aus dem Hintergrund, fachte das Feuer an und röstete für Mattotaupa ein Antilopenfilet.

      Die Zweige knackten leise im Feuer, und das Fleisch am Spieß duftete gut. Mattotaupa saß Harka gegenüber an der Feuerstelle.

      »Hast du etwas gefunden?« Mattotaupa sprach im Dakotadialekt. Er konnte annehmen, dass die Frau im Zelt ihn nicht verstand, denn sie stammte von den Seminolen.

      »Nein, ich habe nichts gefunden«, gab Harka Auskunft.

      »Ich auch nicht. Es scheint, dass sie von den Angriffen jetzt ablassen.«

      Das Filet war gar; Mattotaupa fing an zu essen.

      »Henry war hier«, berichtete Harka. »Wir sollen beide zu der Abschiedsfeier von Joe kommen, sobald der Zug glücklich eingelaufen ist.«

      »Wir gehen hin.«

      »Ich trinke nicht. Sie werden mich dafür verspotten wollen, und es wird Streit geben. Ist es nicht besser, wenn ich im Zelt bleibe?«

      Mattotaupa aß weiter, aber das Antilopenfleisch schmeckte ihm nicht mehr so gut wie anfangs. Der Ton, in dem Harka die Worte »ich trinke nicht« ausgesprochen hatte, war ruhig, und dennoch war er für den Vater aufreizend gewesen. Denn Mattotaupa hörte darin die Frage mit: »Trinkst du?«, und ob sie nun gestellt war oder nicht, er stellte sie sich selbst und wurde nicht damit fertig.

      »Die Sitten der Gastgeber zu verachten ist nicht Art eines Dakotakriegers«, sagte er schließlich. »Es ist auch nicht gut, dass du dich gar nicht geübt hast. Die ersten Becher würden genügen, und du liegst unter dem Tisch.«

      Harka antwortete darauf nicht.

      »Es waren vor drei Tagen Fremde hier, du weißt es«, fing Mattotaupa ein anderes Thema an. »Ich habe etwas eingetauscht, und ich werde heute bei der Feier unsere Freunde auch einmal einladen.«

      Harka schwieg, aber sein Blick fragte: »Kannst du dich nicht anders auszeichnen?«

      Mattotaupa erwiderte auf die nicht ausgesprochene Frage: »Unsere Väter waren Oglala, Leute, die ihre Habe freigebig austeilten. Ich bin kein Bettler, der immer nur nimmt, und ich denke, auch mein Sohn würde daran keinen Gefallen finden.«

      Harka sagte auch dazu nichts.

      Nachdem Mattotaupa gegessen hatte, legte er sich noch einmal schlafen. Sein Dienst als Kundschafter begann erst am nächsten Morgen wieder. Bei Harka stand es anders. Für ihn war es Zeit, sich mit der Gruppe, die er führte, schon bereitzumachen. Mit dem einlaufenden Zug wollte er um Mitternacht wiederum zum Lager zurückkommen, und dann mochte Joe weiter bestimmen. Vielleicht fiel es dem Ingenieur bis dahin selber ein, dass es doch besser sein würde, wenn Harka auch die zweite Hälfte der Nacht draußen blieb, um die Strecke sichern zu helfen.

      Harka hatte sich mit den drei Männern, die zu seiner Gruppe gehörten, verabredet, dass sie nachts zu Fuß umherspähen wollten. Er ließ daher seinen Grauschimmel beim Zelt zurück. Am Halteplatz des Zuges traf er einen jungen Prärieläufer und die beiden Panikundschafter. Es gab nicht viel zu verabreden. Die vier waren aufeinander eingespielt. Sie kannten ihre Verständigungszeichen zu jeder Tages- und Nachtzeit, und sie wussten auch schon, welchen Abschnitt sie in dieser Nacht bewachen sollten. Dass Harka führte, obgleich er der Jüngste war, hatte sich von selbst ergeben. Die anderen drei verließen sich am liebsten auf ihn, und der junge Prärieläufer, dem die Verantwortung offiziell zukam, hatte sie inoffiziell dem Indianer zugeschoben.

      Als die vier sich auf den Weg machen wollten, zeigten sich Charlemagne und Mackie und hielten sie noch auf.

      »Da ist er ja«, sagte Mackie zu Charlemagne.

      Charles wandte sich an Harry. »Junge, erkennst du mich gar nicht wieder?«

      »Doch.«

      »Wie geht es dir denn?«

      »Gut.«

      »Immer noch ein bisschen aufregende Gegend hier. Was macht denn die Bärenbande?«

      »Keine Fährten.«

      »Keine Fährten? Ach, sieh an. Ob sie sich jetzt wirklich zurückziehen oder ob das nur eine List ist?«

      »Guten Abend!«, sagte Harry, ließ Charlemagne stehen und lief mit seinen drei Kundschaftergefährten nordostwärts in die Prärie hinaus.

      Charlemagne und Mackie schauten den vier Spähern nach, bis diese im welligen Terrain verschwanden. Auch dann blieb Charlemagne noch stehen, und Mackie, der hatte kehrtmachen wollen, fragte: »Gibt’s noch was?«

      »Hast du nichts bemerkt?«

      »Was denn?«

      »Wie der Rote plötzlich abbrach.«

      »Komisch sind die Indsmen immer.«

      »Er hätte doch antworten können. Aber nach der Bärenbande ist er nicht gern gefragt. Hast du das nicht bemerkt?«

      »Kann ja sein. Was kümmert mich das!«

      »Vielleicht wird es uns alle noch einmal kümmern, mehr als uns lieb ist.«

      »Verstehe dich nicht.«

      »Er stammt doch aus der Bärenbande. Weiß der Teufel, was er heute noch für Verbindungen dorthin hat.«

      »So, meinst du?«

      »Ich will nichts gesagt haben. Aber wenn ich dran denke, wie die uns alle vergiften wollten ..., dann wäre mir ein anderer als Kundschafter schon lieber als ausgerechnet einer von diesem Stamm!«

      Mackie spuckte aus. »Mir gefallen die Indsmen überhaupt nicht! Hab gehört, die sollen heute Nacht bei der Feier auch dabei sein. Wozu das? Vielleicht lädt der Joe Brown auch noch einen Nigger ein!«

      »So weit kommt’s. Wir müssen besser zusammenrücken.«

      Die beiden gingen wieder in das Lager.

      Die Zeit verlief. Gegen Mitternacht waren ungewöhnlich