Lombok. Matthias Falke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Matthias Falke
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Научная фантастика
Год издания: 0
isbn: 9783957771032
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      »Was zum Beispiel?«

      »Reparationen, Gebietsabtretungen oder eine Offenlegung der Annihilator-Technologie.«

      »Wer zählte zu diesen Stimmen?«

      »Große Teile der militärischen Führung. Hinter vorgehaltener Hand, wie bereits gesagt, auch General Rogers selbst. Man sagte, das Opfer der Soldaten, die vor Persephone gestorben waren, sei am Verhandlungstisch verraten worden.«

      »Wer noch?«

      »Es gab – und gibt bis heute – Vereinigungen, die sich der Union nicht angeschlossen haben, etwas die Amish. Sie vertreten die Auffassung, die Vereinbarung von Lombok sei von einer Kommission ausgehandelt worden, die sie nicht autorisiert hätten. Deshalb sehen sie sich auch nicht verpflichtet, sie einzuhalten. Das gilt in diesem Fall etwa für die Frage der Demarkationslinie und der Interessensphären. Die Amish beanspruchen für sich, prinzipiell alle unbesiedelten Welten der Galaxis mit ihren Minenkolonien erschließen zu wollen.«

      »Und?« Der Vorsitzende grinste listig.

      »Die Amish lehnen sämtliche Technologie ab. Sie verfügen über keine eigene Raumfahrt. Allerdings gibt es inzwischen genügend private Kurierdienste, die auch interstellare Routen anbieten.«

      »Nun habe ich gefragt, wie Sie das Ganze einschätzen. Zum Beispiel haben Sie vorhin vom Ersten Sinesischen Krieg gesprochen. Gab es denn noch weitere?«

      »Es gibt Stimmen«, begann sie. Dann setzte sie hinzu: »Denen ich mich auch anschließen würde, die behaupten, man sei mit Sina nicht hart genug umgesprungen. So sei die Herausgabe der Annihilator-Technologie eigentlich zwingend, da Sina so einen Trumpf in der Hinterhand habe, den es jederzeit ausspielen könne.«

      »Fürchten Sie, dass es wieder zum Krieg kommt?«

      »Die Gefahr sehe ich allerdings.« Sie musste im Stillen schmunzeln, als sie das Ceterum Censeo ihres Vaters vortrug. »Um es mit einer historischen Analogie zu sagen: Persephone war nur der Erste Punische Krieg. Rom hatte damals zwei weitere auszufechten.«

      Der Vorsitzende wiegte nachdenklich den Kopf. »Hoffen wir, dass uns das erspart bleibt.«

      »Sina ist gedemütigt, aber nicht besiegt«, sagte sie noch.

      »Das ist allen Beteiligten klar«, sagte der Vorsitzende. »Aber was wäre die Alternative? Den Krieg ins sinesische Herzland zu tragen? Sina zu vernichten, wie es Rom am Ende mit Karthago getan hat? Das wäre ein Kampf von völlig anderen Dimensionen. Ein Krieg, der die ganze Galaxie umfasst, eine Schlacht, neben der Persephone sich wie ein Strandspaziergang ausnimmt.« Er winkte ab. »Das soll im Augenblick nicht unsere Sorge sein.«

      Einer der Beisitzer meldete sich.

      »Eine Frage hätte ich noch an die Kandidatin.«

      »Bitte«, sagte der Vorsitzende.

      Sie wandte sich dem Tisch an der Längsseite des Raumes zu. Sie legte die Hände wieder ineinander, mit denen sie während der letzten Fragen etwas zu erregt gestikuliert hatte, und achtete darauf, gerade zu stehen.

      »Kehren wir noch einmal auf das Schlachtfeld von Persephone zurück«, sagte der Beisitzer. »Was geschah, nachdem die Waffen schwiegen?«

      »Man suchte das gesamte Gebiet im Orbit über dem Mond Persephone und auch die nähere Umgebung des Gasplaneten Hades ab, fand aber nichts mehr, das man auswerten konnte. Vermutlich hatten die Sineser Hyperraumsender in den Wracks ihrer zerstörten Schiffe zurückgelassen, am ehesten wohl in Gestalt ihrer Tloxi-Androiden, aber man konnte nichts dergleichen nachweisen. Das Flaggschiff der Sinesischen Flotte, die schwer beschädigte Yamato, war eines Tages verschwunden. Sie muss es, trotz angeschlagener Systeme, geschafft haben, in den Hyperraum zu entkommen. Was man sonst fand, gab den einen oder anderen technologischen Aufschluss, auch einige Erkenntnisse zu Sprache und Kultur der Sineser. Aber es war nichts wirklich Relevantes. Schließlich überließ man das gesamte Tartaros-System sich selbst. Es ist heute Niemandsland zwischen den beiden Machtblöcken.«

      Der Beisitzer nickte. »Ihr Wissen ist beeindruckend!«

      »Eine letzte Frage.« Der Vorsitzende zog die Prüfung wieder an sich. »Die Einserfrage, wenn Sie so wollen. Was geschah eigentlich mit Alexander Wiszewsky?«

      Ein Murmeln ging durch die ganze Kommission, und auch sie konnte sich ein Zucken der Mundwinkel nicht verbeißen.

      »Er verließ die MARQUIS DE LAPLACE noch während der Schlacht«, führte sie aus, wobei sie permanent mit einem Grinsen zu kämpfen hatte.

      »Wie das?«, fragte der Vorsitzende, dem ihre Heiterkeit nicht entging und der sich dadurch animieren ließ, mit der seinen nicht mehr hinter dem Berg zu halten. Im Seminarraum machte sich eine spöttische Ausgelassenheit breit.

      »Er bestieg eine Rettungskapsel«, sagte sie. »Hinterher redete er sich darauf heraus, eine Erschütterung des Schiffes infolge von Feindeinwirkung habe zu einer Fehlfunktion des Systems geführt. Aber ein Abgleich der Protokolle hat nichts in dieser Richtung ergeben.«

      »Warum ist das relevant?«, fragte der Vorsitzende.

      »Dann wäre es unerlaubtes Entfernen von der Truppe und Feigheit vor dem Feind!«

      »Und? Was ist Ihre Einschätzung?«

      »Wiszewsky argumentierte, er sei ohnehin durch Rogers seiner Funktion als Kommandant der MARQUIS DE LAPLACE enthoben worden, die im übrigen ein ziviles Schiff sei.«

      »Kam er damit durch?«

      »Er zog sich später, wohl auf Anraten seiner Anwälte, auf die Sprachregelung zurück, er habe einen Blackout gehabt.« Sie grinste und forschte gleichzeitig in den Gesichtern der vier Kommissionsmitglieder, die ihr aufmerksam und amüsiert zuhörten, ob sie sich noch einen Schritt weiter vorwagen könne. »Die Rückfrage des Richters, ob er einen Blackout gehabt habe oder sein Schiff, war jahrelang ein geflügeltes Wort an den Kompaniebars der Union.«

      »Ich erinnere mich daran.« Der Vorsitzende tauschte einen Blick mit seinen Kollegen. Dann wurde er wieder ernst. »Wann fand diese Verhandlung statt?«, fragte er lauernd.

      »Mehr als fünf Jahre nach der Schlacht!«

      »Warum?«

      »Weil Wiszewsky ...« – sie musste wieder grinsen –,»er war fünf Jahre lang in Hibernation, auf der Rettungskapsel.«

      »Wie das?«

      »Er hatte einen extrem exzentrischen Kurs programmiert, deshalb versuchte er sich ja später auf eine Fehlfunktion herauszureden. Es dauerte demnach eine Weile, bis er gefunden wurde. Aber er war ja in Tiefschlaf, insofern konnte nichts geschehen.«

      »Halten Sie diese Version für glaubwürdig?«

      »Es gibt Stimmen«, sagte sie vorsichtig, »die behaupten, man habe ihn bewusst einige Jahre durch den Raum treiben lassen. So fiel seine Aufbringung und Wiederbelebung verblüffend genau mit dem Ausscheiden Vizeadmiralin Doina Gobaidins zusammen, die seine Stellvertreterin auf der MARQUIS DE LAPLACE gewesen war und das Kommando kommissarisch innehatte, solange er – vermisst war.«

      Wieder schmunzelten Prüfling und Prüfer in hämischem Einverständnis vor sich hin.

      »Und jetzt?« Der Vorsitzende brachte die Frage nur mit unterdrücktem Prusten heraus.

      »Alexander Wiszewsky verlangte volle Rehabilitierung. Sie wurde ihm erteilt. Er ist jetzt Commodore und Oberkommandierender der neuen MARQUIS DE LAPLACE.«

      »Was noch?«

      »Wegen der fünf Jahre verlangte er eine Entschädigung. Aber zum einen konnte er nicht nachweisen, dass man ihn vorsätzlich so lange in der Kapsel durch den Raum trudeln ließ. Zum anderen, argumentierte der Anwalt, der die Seite der Union vertrat, war er ja in Hibernation. Er ist nicht gealtert, die fünf Jahre sind für ihn gar nicht vergangen.« Sie zog die Lippen kraus. »Er ist so jung und dynamisch wie eh und je.«

      »Der arme Alexander«, sagte der Vorsitzende in abschließendem