Babaji - Botschaft vom Himalaya. Maria-Gabriele Wosien. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Maria-Gabriele Wosien
Издательство: Автор
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Жанр произведения: Эзотерика
Год издания: 0
isbn: 9783945574416
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Zeiten der großen Übergänge zwischen den Schöpfungsperioden ist das höchste Amt der Auflösung des Gewordenen in den Händen des unendlichen Wesens selbst. Der Purnavatar oder Mahavatar14 erscheint immer dann, wenn das Ausmaß des Gesetzesverfalls jenseits der integrierenden Kraft des Avatars ist: der Urheber des Schöpfungsdramas greift selbst in die Handlung ein.

      Diese höchste Kraft bezeichnet das System des sanatana dharma als ›Samba Sada Schiwa‹, als ewigen Gott Schiwa, eins mit seiner schakti oder schöpferischen Potenz, der Mutter des Weltalls, Amba.

      Aus der Sicht einer immerwährenden Transformation ist alles, vom Subtilsten bis zum Grobstofflichen, eingebettet in einen Prozess unaufhaltsamer Verwandlung, wobei alles Geschaffene letztlich in seinen Ursprung zurück absorbiert wird.

      Als alles verwandelnde Potenz ist Schiwa auch der Gott der Schöpfung. Er, der endet, ist auch derjenige, der beginnt, mehr also als nur ein Funktionselement einer Dreiheit: als Schiwa-Rudra ist er der Zerstörer, als Sadaschiwa der ewige Gott und als Maheschwara die große Gottheit des Urbeginns, der somit über die Prozesse der Auflösung, der Welterhaltung und der Schöpfung regiert. Aus dieser Sicht gibt es letztlich weder Schöpfung noch Zerstörung, sondern nur einen unendlichen Prozess der Verwandlung.

      Im Mythos wird das Bild gebraucht von Schiwa, dem Zerstörer, als einzigem Zeugen, der die Periode kosmischer Grabesnacht transzendiert, indem er das Universum mit allen seinen Welten hineingibt als Opfergaben in das Feuer seines eigenen Lichts:

      »Wenn Dunkelheit nicht ist, wenn ist weder Tag noch Nacht, weder Sein noch Nichtsein, ist allein Schiwa.«15

      In der Ikonografie wird Schiwa auch dargestellt als der einsame kosmische Tänzer, dessen Tanz alle Wesen und Welten beinhaltet. Seine endlos sich wiederholenden rhythmischen Figuren und Gesten fließen hervor aus dem nie nachlassenden Strom seiner göttlichen Energie. Wenn der Mond in den Wassern versunken, die Berge verschwunden, die Sonne verloschen, die Menschheit vergangen, die Sterne gefallen und die Erde in den Fluten eines gigantischen Ozeans versunken, ist Schiwa allein geblieben, den pralaya tandava16 tanzend.

      Schiwa, der brahman des Vedanta, ist der göttliche Urgrund, in welchen selbst die Götter, als die verwirklichenden Teilaspekte seiner Macht, untertauchen und wiedererstehen, die auch den Menschen von seinem Innersten her regieren. Diese Vielfalt der Manifestation des Göttlichen in der Materie veranschaulicht der Mythos in den eintausendundacht Namen oder Aspekten Schiwas, die er alle in der Einheit seines Wesens einbeschließt.17 Diese Teilmanifestationen wiederum werden wirksam im fünffachen Offenbarungsprozess der Schöpfung, Erhaltung, Auflösung, Verschleierung und Gnade.

      Die Entfremdung, die Bewegung fort vom Urgrund des Seins, wie die Reabsorption in das Göttliche hinein, ist ein unaufhörlicher Prozess, der auch das sogenannte Böse als unumgängliches, die Dualität gestaltendes Prinzip mit einschließt. Die Verehrung des Schrecklichen, als die andere Seite des huldvollen, gnadenreichen Gottes, ist ein wesentlicher Bestandteil hinduistischer Gottesschau.

      Schiwa, als Zerstörer aller weltlichen Illusion, verlangt das Erlebnis des Göttlichen in seiner furchtbarsten Form: das Vermögen, der unverschleierten Wahrheit ins Auge sehen zu können, ohne davon überwältigt oder verstört zu werden. Deshalb rief Ramakrischna seine Schüler auf: »Betet das Schreckliche an, stürzt euch in den Tod, nicht ins Leben!«

      Den Dämon und den Gott als eins zu erkennen, ist eine Weihe höchster Ordnung. Dabei wird einem die Gewissheit zuteil, dass einem nichts geschehen kann, als was einem seit Ewigkeiten zugehört.

      Als höchstes Wesen hat Schiwa teil an der Erfahrung der Endlichkeit, ohne dass seine Offenbarungspotenz dadurch gemindert ist: in der manifestierten Wirklichkeit nimmt er die verschiedensten Formen an, bleibt aber unverändert in seiner Wesenheit.

      Schiwa, das Urbild des Yogi, stellt die Ikonografie dar als jenseits aller Zeitlichkeit in unberührbarer Einsamkeit auf dem Schneegipfel des Kailasch Berges sitzend, versunken in die kristallklare Schau des Urgrundes seines unendlichen Wesens.

      Die künstlerische Darstellung Babajis als swayambhu (sich selbst erzeugendes göttliches Wesen) in der Position des meditierenden Yogi auf dem Kailasch als Zentrum der Welt und Übergang in die göttliche Transzendenz zeigt ihn auch als Herr über die drei gunas: radschas, tamas und sattva, den strukturierenden Grundelementen des Daseins, veranschaulicht durch drei konzentrische Kreise, sowie über die fünf Elemente Äther, Luft, Feuer, Wasser und Erde. Mit dem Urlaut OM beginnt die Schöpfung und die Trennung von Schiwa und Schakti, die vereint sind im Licht, das vom Herztschakra Babajis die Welt erleuchtet.

      So vereint und manifestiert Schiwa absolute, in sich ruhende Stille mit sich in die unendliche Vielfalt des Lebens verströmender dynamischer Energie.

      Als kosmisches Wesen »sind seine Stirn Feuer, Sonne und Mond seine Augen, die vier Himmelsrichtungen seine Ohren, die Veden seine Stimme, der Wind, der die Welt durchzieht, ist der Atem, der seine Brust belebt, die Erde seine Füße. Er ist das innere Selbst aller Lebewesen. «18

      Entsprechend der unterschiedlichen geistigen Entwicklung der Menschen zeigt sich Schiwa als Du in göttlicher Form - davon berichtet die Fülle der Mythen, überliefert in den großen Epen des Mahabharata und Ramayana, und auch die Erlebnisse, Visionen und Träume der Gläubigen.19 Schiwa offenbart sich weiter als das Wissen, das aus dem Innersten des Menschen geboren wird, wobei das Göttliche als ›ich‹, im eigenen Werdeprozess einbezogen, erlebt wird und auch in der Form einer außenstehenden Person als Meister oder Guru.

      Als göttlicher Guru ist Schiwa inkarniert in Babaji, der seit Beginn des neunzehnten Jahrhunderts im Vorgebirge des Himalaya als Baba Haidakhan verehrt wird und im Abendland durch die Veröffentlichung von Paramahansa Yoganandas Autobiografie eines Yogi um die Mitte unseres Jahrhunderts als Mahavatar Babaji bekannt wurde.

      Haidakhan ist ein kleines Dörfchen im Kurmantschal Vorgebirge des Himalaya, sechsundzwanzig Kilometer östlich des Marktfleckens Haldwani im Distrikt Nainital der Großprovinz Uttar Pradesch.21

      Mythologisch ist die Kurmantschal Region ein uraltes Gebiet und wird, unter anderem, auch in Verbindung gebracht mit der zweiten Inkarnation des Gottes Vischnu als Kurma, Schildkröte, zu Beginn des satya yuga, des Zeitalters der Wahrheit, dem ersten Zeitabschnitt unseres gegenwärtigen Äons.

      Nach Angaben im Uttar Manas Skanda Purana22, in einem Dialog zwischen Schiwa und seinem Sohn Karttikeya23, wird dieser Ort schon als ein während der Eiszeit heiliges Gebiet erwähnt, als der indische Subkontinent noch bis zur Vindhatschal Region, im heutigen Radschasthan, mit Gletschern bedeckt war.

      Nach dem Mythos beauftragte Schiwa Virabhadra24, eine feurige Emanation aus seinem Munde, »fürchterlich anzuschaun und von gewaltiger Macht«, mit der Lokalisierung des Zentrums der damaligen riesigen Landmasse, ehe das aus den Wassern herausragende Gebiet in die fünf Kontinente zerbrochen war.

      Dieses weltbewegende Ereignis, das einer Neuschöpfung gleichkam, wird kommentiert mit »die Berge fielen krachend ein, die Erde erbebte, die Winde brüllten, aufgewühlt ward die Tiefe des Meeres«.

      Die Eismassen blieben nur auf den höchsten Erhebungen des heutigen Himalayagebirges zurück. Schiwa und das Pantheon der Götter, vormals zu Hause auf dem Kurmantschal Kailasch-der mit dem mythischen Meru Parvat als axis mundi identisch ist-, zogen sich zurück auf den gleichnamigen Berg Kailasch im heutigen Tibet, nördlich des Manasarovar Sees, während das alte heilige Zentrum nach und nach von den Menschen besiedelt wurde. Das Zentrum der Welt hat als meru dandaseine mikrokosmische Entsprechung in der Wirbelsäule, mit der die Bewusstseinszentren, oder Tschakren, als Manifestationsorte der Götter verbunden sind.

      Als Schiwa sich mit Sati vermählte, brachte er sie zum Kurmantschal Kailasch, an dessen Fuß sich zu alten Zeiten ein See befand. In diesem pflegte sie zu baden, und noch bis zum heutigen Tag heißt