Termonia. Renate Doms. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Renate Doms
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Детская фантастика
Год издания: 0
isbn: 9783944575124
Скачать книгу
Gnädigste?« Der Dicke hatte Mühe seinen Blick vom Geschehen abzuwenden.

      Youla packte den Mann grob an seinem Arm, riss ihn herum und bohrte ihren Blick in seine Augen. Der füllige Kapitän zuckte schmerzvoll zusammen und starrte die Zauberin im nächsten Moment benebelt an.

      »Ich habe dich etwas gefragt!«

      Ohne es wirklich zu wollen, brabbelte er drauf los. »Die Mannschaft des Schiffes, das sind keine Menschen. Und auf dem Kapitän lastet seit jeher ein böser Fluch«, hauchte er und japste nach Luft, als würde er gleich ersticken.

      Youla lockerte ihren Blick etwas, packte den Mann aber am Schlafittchen: »Ein Fluch? Rede!«

      Der Dicke holte tief Atem und starrte Youla in die Augen. »Es gibt einen Guhl mit hohlen Augen und rissigen Lippen«, begann er, löste sich aus Youlas Griff und zuppelte sein Halstuch zurecht. Youla ließ den Mann gewähren.

      »Auch wenn er seine Gestalt ändern kann, wie es ihm beliebt, so verrät er sich doch durch den Leichengestank, der von ihm ausgeht. Des Kapitäns rechte Hand ist eine Harpyie mit messerscharfen Krallen und Zähnen. Sie ist nicht so groß, wie die üblichen Harpyien, aber nicht minder gefährlich. Sie hält die Mannschaft in Schach. Ein Gobblin hockt meist im Krähennest, und dann gibt es noch zwei riesige, echsenähnliche Kerle. Die reden nie viel, aber ihr Geifer, den sie ständig absondern, soll hochgiftig sein.«

      »Glurox. Interessant.«

      In diesem Augenblick schien die Menge gemeinschaftlich den Atem anzuhalten und Youla schaute zum Hafen. Je näher die Schattenjäger kam, umso mehr Menschen suchten eilig das Weite. Eine ältere Dame neben ihr hielt ein Fernglas vor ihre Augen und blickte zu den Schiffen. Youla entriss es ihr, um selber sehen zu können, was da geschah.

      »Unverschämtheit. Geben Sie mir sofort mein Glas zurück!«, forderte die Dame, doch Youla winkte nur abwertend in deren Richtung. Die Zauberin blickte zum Kai und sah, dass die beiden Schiffe derweil dicht aneinander vorbeifuhren. Bei genauerem Hinsehen bemerkte Youla allerdings, dass die Mannschaft der Handelskogge fast komplett verschwunden war. Nur ihr Kapitän befand sich noch immer auf der Brücke und hielt sein Steuerrad fest in den Händen.

      »Ich sagte, Sie geben mir sofort mein Glas wieder!« Die Dame griff nach ihrem Glas, riss es Youla vom Gesicht, öffnete ihren Sonnenschirm und verschwand kopfschüttelnd im Gedränge. Youla wandte sich erneut an den dicken Kapitän, der angespannt aufs Wasser starrte.

      »Was weißt du noch!?«

      Der Kapitän druckste herum: »Da gibt es noch einen, einen einäugigen Riesen unter Deck in der Kombüse, und hin und wieder findet sich ein schwarzer Engel an Deck ein. Letzterer ist aber nicht ständig an Bord.«

      »Du sagtest etwas von einem Fluch, der auf dem Kapitän lastet. Was kannst du mir darüber erzählen?«, fragte die Zauberin weiter, hielt den Mann am Arm fest und schaute zum Dreimaster.

      Noch war die Schattenjäger nicht am Kai angelangt. Als ein Raunen durch die Menge ging, lösten sich die ersten Ansammlungen schnell auf. Die, die am Hafen zurückblieben, nahmen wieder ihr geschäftiges Treiben auf. An den sehr viel hektischeren Bewegungen der Marktleute und Hafenarbeiter bemerkte die Zauberin, dass die Anspannung jedoch weiter anhielt. Der Dreimaster flößte offenbar allen hier Furcht ein. Jeder wollte so schnell es eben ging fertig werden, um diesen Ort vorerst verlassen zu können.

      Youla hakte bei dem fetten Kerl nach: »Was ist mit dem Fluch? Und wieso weißt du so viel über das Schiff und die Mannschaft?«

      »Ich war einst unfreiwilliger Passagier an Bord der Schattenjäger. Und dieses Schiff trägt nicht umsonst diesen Namen. Landazar hat keinen eigenen Schatten. Den braucht er aber, um sein Schiff verlassen zu können. Dieses Handelsschiff, die Starfire, segelt bereits ihrem Verderben entgegen. Denn alle Schatten, die es je auf diesem Schiff gab, befinden sich nun auf der Schattenjäger«, berichtete der Mann nicht ganz freiwillig.

      Youla horchte auf. »Aber wie um alles in der Welt kann jemand Schatten stehlen?«

      »Wie er es tut, weiß ich nicht, nur dass er es tut. Unter Deck der Schattenjäger befinden sich viele Fässer. Jedes einzelne ist mit Pech verschmiert, sodass kein einziger Lichtstrahl hindurchdringen kann. In diesen Fässern bewahrt Landazar die gestohlenen Schatten auf. Und wenn er einen Landgang plant, so wie heute, dann braucht er sich nur zu bedienen. Sein Vorrat ist schier unerschöpflich, denn auf den Meeren gibt es jede Menge Schiffe, die ihm Nachschub liefern. Wenn sie mich nun entschuldigen würden, ich muss mich um mein eigenes Schiff kümmern und schauen, dass ich fortkomme, denn ich möchte meinen Schatten gern behalten und wenn Sie schlau sind, tun Sie das Gleiche«, legte der Mann ihr nahe, hob kurz seinen Hut zum Gruß und verschwand in der Menge.

      Youla schenkte ihm keine große Beachtung mehr, denn sie hatte genug in Erfahrung bringen können. Dieser Kapitän kam ihr wie gerufen. Was passte perfekter in ihren Plan als ein Mann, der über keinen eigenen Schatten verfügte. Er würde sicher nur zu gern Kurs auf Nemelist nehmen, um in den Besitz des Schleiers zu gelangen.

      Die Zauberin blickte zufrieden zum Kai. Das Objekt ihrer Begierde lief gerade in den Hafen ein. Youla steuerte auf den Kai zu, der nun nahezu menschenleer war, um dem Kapitän des Schiffes ihre ganz persönliche Aufwartung zu machen. Jetzt konnte sie die Umrisse des Piratenkapitäns ausmachen, der ohne jede Regung hinter seinem Steuerrad stand und unbeirrt Kurs auf den Hafen hielt. Eine Handbewegung seinerseits und auf der Schattenjäger wurden die Segel eingeholt und an der Takelage befestigt.

      Das ist genau der Richtige für mein Vorhaben, dachte die Zauberin zufrieden und beobachtete, fast ein wenig ungeduldig, wie die merkwürdig anmutende Mannschaft der Schattenjäger die dicken Taue an der Kaimauer befestigte und sich dann mit aller Kraft in die Riemen legte, um den Dreimaster längsseits zu vertäuen.

      »Eilt euch gefälligst, lahmer Haufen. Ich will in diesem Kaff nicht übernachten«, brüllte der Kapitän und kam langsam von der Brücke herab. Youla erreichte das Schiff in dem Moment, als das Laufbrett befestigt wurde. Kapitän Landazar stand oben und setzte einen Fuß auf das Holz. Youla legte ihr schönstes Lächeln auf und wollte den Kapitän in Empfang nehmen, als eine Harpyie mit weit aufgerissenem Maul und ausgefahrenen Krallen schreiend auf die Zauberin herabstürzte. »Geh aus dem Weg, Frauenzimmer!«

      Im letzten Moment konnte Youla ihren Kopf in Sicherheit bringen. Aufgeregt beäugte der Guhl die Situation und der Gobblin, der gerade aus dem Krähennest kletterte, feuerte die Harpyie lachend an.

      »Los Onori, mach sie alle. Fando kann sie dann für uns zubereiten. Das gibt ein köstliches Mal.«

      Die beiden Glurox standen reglos an den Tauen, die sie gerade vertäut hatten, und beobachteten das Geschehen stumm.

      Youlas rotglühender Blick haftete nun auf der Harpyie und im nächsten Augenblick schoss ein feuriger Blitz aus den Augen der Zauberin. Geschickt schlug die Harpyie einen Haken und Youla verfehlte das Biest um Haaresbreite. Krachend schlug der Zauber in den Bauch des Schiffes und hinterließ ein unschönes Loch im Holz. Schlagartig verging dem Gobblin das Lachen. Die Harpyie aber drehte ab und startete den nächsten Angriff auf die Zauberin.

      »Halte ein, Onori!«, donnerte die raue Stimme Landazar Eastvales, der sich auf der mittleren Höhe des Laufbretts befand. Die Harpyie stoppte augenblicklich, flog zu ihrem Herren und setzte sich auf dessen Schulter.

      Youla blickte den Kapitän an. Landazar Eastvale war eine imposante Erscheinung. Was auch immer für Gründe es sein mochten, dass sich manche Menschen Haare im Gesicht wachsen ließen, bei diesem Kerl war es ganz sicher Ausdruck seines Charakters. Diese ungeheure Menge schwarzer Haare, die wie Zweige eines Baumes wucherten, ließen selbst die Zauberin für einen kurzen Augenblick ins Wanken geraten. Dieser Bart war pechschwarz und der Kapitän hatte ihn zu einer unglaublichen Länge heranwachsen lassen. Die Breite des Gesichtshaares war auch nicht zu verachten, es stand ihm bis an die Augen und war mit Bändern zu kleinen Zöpfen gezwirbelt worden, die der Kapitän sich um die Ohren gewickelt hatte. Unter seinem Hut wucherte sein Haupthaar, das seitlich vom Kopf abstand und sein Gesicht und seine Augen rahmte. Diese wild und grausam schauenden Augen ließen