1906, Welskopf-Henrich (rechts) und eine Münchener Freundin
1925
1940
1946, Hochzeit
Nach einer Reihe kleinerer Jobs wurde sie 1928 als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Statistischen Reichsamt in Berlin angestellt, wo sie unter anderem volkswirtschaftliche Bilanzen bearbeitete und bis zur Referentin aufstieg. Dank günstiger Arbeitszeiten konnte sie in dieser Phase viele Bücher über Völkerkunde lesen. Das bereits bestehende Interesse an den Indianern verfestigte sich. Außerdem setzte sie auf eigene Faust ihre historischen und philosophischen Studien fort. Da sie der nationalsozialistischen Ideologie höchst ablehnend gegenüberstand und sich weigerte, NSDAP-Mitglied zu werden, konnte sie die angestrebte Karriere an der Universität auch in den 1930er Jahren nicht beginnen. Als 1933 eine akademische Stelle frei wurde, lehnte sie sie aus diesem Grund ab. Von ihrer ehemals besten Freundin aus dem englischen Internat entfernte sie sich zunehmend, da ihre Gedanken und Gefühle hinsichtlich der Nationalsozialisten sehr verschiedenen voneinander waren.
Ein Jahr nach Kriegsende heiratete sie August Rudolf Welskopf (1902-1979), zwei Jahre später wurde der Sohn Rudolf geboren. Welskopf-Henrich übernahm hohe Positionen in der Berliner Bezirksverwaltung, arbeitete als persönliche Sekretärin des Bezirksbürgermeisters von Charlottenburg und wurde 1946 Hauptreferentin im Bezirksamt Charlottenburg. Im gleichen Jahr trat sie in die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) und bald danach in die SED ein. Ebenfalls 1946 zog sie in den sowjetischen Sektor der Stadt, dahin, wo sie und ihr Mann glaubten, am dringendsten gebraucht zu werden.3 Sie nutzte ihre ökonomischen Kenntnisse und wirkte aktiv am Wiederaufbau mit, etwa als Handlungsbevollmächtigte der Baustoff-Beschaffungs-GmbH und als Geschäftsführerin der Baustoff-Ost-GmbH, in der auch ihr Mann arbeitete.
3 Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Nachlass Liselotte Welskopf-Henrich, Nr. 189, fortan ABBAW.
1949 sah Welskopf-Henrich endlich den Zeitpunkt gekommen, an die Universität zurückzukehren und ihre wissenschaftliche Laufbahn fortzusetzen: Sie bewarb sich um eine Ausbildung zur Dozentin für Geschichte des Altertums und Geschichtsphilosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Dabei behauptete sie, sich schon seit langem mit Marx auseinandergesetzt zu haben; tatsächlich war sie jedoch erst im Zweiten Weltkrieg durch ihren späteren Mann mit den kommunistischen Ideen in Berührung gekommen.
Die Bewerbung war erfolgreich. Zunächst als Aspirantin an der Humboldt-Universität im Fach Alte Geschichte angestellt, wurde sie 1952 mit einer Dozentur beauftragt und nach Vollendung ihrer Habilitation 1960 zur Dozentin ernannt.
1964
Bereits seit 1952 hatte sie vor Philosophiestudenten Vorlesungen über die Geschichte des Altertums gehalten, nachdem sie ihre eigenen historischen und altsprachlichen Kenntnisse aufgefrischt hatte. »Auch Fernstudenten betreute sie, und so mancher hielt noch lange Jahre den Kontakt zu ihr, beeindruckt von der Humanität, die ihre Persönlichkeit kennzeichnete.«4 1959 habilitierte sie mit der Arbeit »Probleme der Muße im alten Hellas«, ein Jahr später wurde sie zur Professorin für Alte Geschichte mit Lehrauftrag berufen.
4 Audring, Gert: Humanistin und Forscherin: Elisabeth Charlotte Welskopf. Das Altertum, Bd. 33, Heft 2 1987, S. 122.
Am 1. Januar 1961 ernannte man sie zur Leiterin der Abteilung Altertum des Instituts für Allgemeine Geschichte an der Philosophischen Fakultät, die sie schon seit Mai 1958 kommissarisch leitete, und sie wurde zum (ersten weiblichen) ordentlichen Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin gewählt. Sie erhielt den Nationalpreis der DDR, wurde als »Verdienter Wissenschaftler des Volkes« ausgezeichnet und erhielt zahlreiche weitere staatliche und gesellschaftliche Auszeichnungen.
Am 16. Juni 1979 verstarb Liselotte Welskopf-Henrich, Autorin, Wissenschaftlerin und international engagierte Menschenrechtskämpferin nur fünf Monate nach ihrem Mann, während eines Urlaubs in Garmisch-Partenkirchen.5
5 Vgl. ABBAW 1 (Lebensläufe) und 190 (Brief vom 11.12.1975). Weitere Informationen von Isolde Stark.
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Bis zu ihrem dreizehnten Lebensjahr der Jugendliteratur von Autoren wie Karl May und vor allem Cooper zugetan, wandte sich Welskopf-Henrich später Werken wie Schillers philosophischen und historischen Schriften sowie Lessings Schriften zu Kunst und Dramatik zu. Shakespeares Tragödien sah sie im Reinhardt-Theater in Berlin. In den folgenden Jahren galt ihre Aufmerksamkeit zunehmend der russischen Literatur, der deutschen kritischen Literatur der frühen zwanziger Jahre und französischen, englischen und norwegischen Schriftstellern. Auch für das Gebiet der historischen Wissenschaft begeisterte Welskopf-Henrich sich bald – so studierte sie mit 14 Jahren Thukydides, einen der bedeutendsten Historiker der Antike. Überhaupt interessierte sie sich schon frühzeitig für Bücher über das frühe Griechenland und die griechische Mythologie und beschloss bereits in diesen jungen Jahren, Altertumswissenschaftlerin zu werden.
Ihren Beruf als Althistorikerin übte Welskopf-Henrich mit Leidenschaft, Ehrgeiz und wissenschaftlicher Neugier aus. Zahlreiche Verdienste für die Abteilung Altertum an der Humboldt-Universität, die durch Welskopf-Henrich bedeutend an Ansehen gewann, sind ihr zuzuschreiben. Bis zum Schluss gab es in ihrem Leben nach dem Zweiten Weltkrieg kaum einen Zeitraum, in dem sie nicht an einer wissenschaftlichen Groß-Produktion arbeitete. Diese Projekte, die sie unter dem Namen Elisabeth Charlotte Welskopf herausgab, hatten internationalen Charakter: Die »Hellenische Poleis«6 etwa wurde unter der Leitung Welskopf-Henrichs von einem Autorenkreis aus aller Welt geschaffen. Wissenschaftler von Universitäten und staatlichen Museen der DDR, sowjetische und polnische Gelehrte, Fachkollegen aus Bulgarien, Rumänien, der Tschechoslowakei, Ungarn, Italien, Frankreich, der BRD, Belgien, England, der Schweiz, Portugal, Russland, Spanien, verschiedenen asiatischen Ländern und den USA – insgesamt über sechzig Wissenschaftler – arbeiteten an diesem Projekt; bei dem Nachfolgeprojekt »Soziale Typenbegriffe im alten Griechenland und ihr Fortleben in den Sprachen der Welt« waren es sogar noch mehr. Begriffe wie Politik, Barbar, Demokratie und Aristokratie, die von den Griechen geprägt und von der Nachwelt übernommen worden waren, sollten gesammelt und analysiert werden, um aus den Veränderungen des Sprachgebrauchs Ableitungen über die sich wandelnden