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Zum Buch:
Gero Arnold, Druckereibesitzer und Sohn einer ehemaligen Mandantin, ist verzweifelt. Sein Unternehmen steht vor dem Ruin, weil Aufträge sabotiert werden und langjährige Kunden abspringen. Außerdem gehen anonyme Anzeigen wegen Steuerhinterziehung und Schwarzarbeit gegen ihn ein. Arnold ist sich sicher: Dahinter kann nur sein Konkurrent Dieter Knober, ebenfalls Druckereibesitzer in der Region, stecken.
Darius Schäfer ermittelt und gerät in ein Verwirrspiel aus brauner Gesinnung, mysteriösen Familiengeheimnissen und widersprüchlichen Indizien. Nichts scheint zueinander zu passen und auch privat verliert Schäfer den Boden unter den Füßen. Dann gibt es einen Toten – war es Selbstmord oder Mord? Darius beginnt, die Puzzleteile dieses Falles zu einem stimmigen Bild zu kombinieren, wobei auch seine eigene Geschichte eine entscheidende Wendung erfährt.
Zum Autor:
Gerd Jürgen Merz ist ein renommierter Autor von Praktiker-Literatur für Steuerberater und lebt mit seiner Familie in Rheinhessen. Unter dem Pseudonym Christopher Stahl möchte er mit seinen Darius-Schäfer-Krimis zu einem zutreffenden Image des Berufsstandes beitragen. Aber auch die Lust darauf, seine Heimat Rheinhessen zu entdecken, soll geweckt werden. Dort lässt er auch den sympathischen Steuerberater Darius Schäfer nun schon zum fünften Mal in Bilanz einer Lüge ermitteln.
Im NWB Verlag sind außerdem die Steuerberater-Krimis Tödliche Veranlagung, Schwarzes Geld für schwarze Schafe, Mörderische Bilanz und Mordsverlust erschienen.
Der Schauplatz: Die Rheinhessische Schweiz
Das Gebiet zwischen Bingen, Mainz, Worms und Alzey erhielt 1819 seinen heutigen Namen: Rheinhessen. Im Rahmen der Länderneuregelung wurde es nach dem 2. Weltkrieg Rheinland-Pfalz angegliedert. Es ist das größte zusammenhängende Weinanbaugebiet Deutschlands.
Dem Teil Rheinhessens, der nördlich an das Pfälzische Bergland anschließt, hat man wegen seiner hügeligen Landschaft den bezeichnenden Namen Rheinhessische Schweiz gegeben.
Hier, in der Verbandsgemeinde Wöllstein und der näheren Umgebung, spielt sich ein Großteil der Handlungen dieses Krimis ab. Die örtlichen und geschichtlichen Gegebenheiten orientieren sich weitgehend an der Realität. Nur das Dörfchen Bernheim und die Verbandsgemeinde Hunoldsheim gibt es ebenso wenig, wie die meisten der handelnden Personen. Lediglich die zu Beginn geschilderten Ereignisse der Kapitulation Friedbergs am 29. März 1945 und die in diesem Zusammenhang genannten Personen entsprechen belegten Tatsachen – bis auf den Soldaten Bernd Wegner. Er ist ebenfalls das Produkt literarischer Freiheit.
Einige der Personen, die uns immer wieder begegnen und ohne die unsere Geschichte nicht „leben” würde.
Die Lüge verbirgt ihre widerwärtige Fratze
hinter der Maske eines unschuldigen Kindes;
und dennoch gebiert sie Kinder und Kindeskinder ihresgleichen.
Entreißt man ihr die Maske,
erscheint nicht das Antlitz der Wahrheit,
klärend, entschuldigend,
sondern die Maskerade tritt in ein neues,
noch scheußlicheres Stadium,
gleich einer giftigen Schlange,
die sich den Gesetzen der Natur folgend häutet,
um doch stets dieselbe zu sein.
(Christopher Stahl)
Donnerstag, 29. März 1945, Friedberg/Hessen
Tiefblauer Himmel, strahlende Sonne und für die Jahreszeit ungewöhnliche 18 Grad zur Mittagszeit luden zu einem erholsamen Spaziergang ein. Die Natur hatte ihre eigenen Gesetze. Sie kümmerte sich nicht um das, was die Menschen sich an unfassbarem Grauen antaten. Es wirkte alles friedlich und doch war die Ruhe trügerisch. An diesem Tag nämlich bewegte sich die sechste US-Panzerdivision unter dem Befehl von Oberst Henry Hanson über die heutige Autobahn A5 von Grünberg in südlicher Richtung. Ihr Ziel war das circa 100 Kilometer entfernte Darmstadt. Auf ihrem Weg kreuzte sie Friedberg.
Das kleine Städtchen war bis 1943 vom Krieg verschont geblieben. Erst danach war es zu Luftangriffen gekommen. Als Drehscheibe für Truppentransporte und Lebensmittelversorgung war der Güterbahnhof Hauptangriffsziel der US-Bomber gewesen. Dem schwersten Angriff war die Stadt zwei Wochen vorher, am 12. März, schutzlos ausgeliefert gewesen. Für eine Abwehr war die Stadt nur kläglich ausgerüstet gewesen. Neben leichter Bewaffnung hatten nur ein paar Panzerfäuste und eine 4 cm Flakbatterie zur Verfügung gestanden, die von einer kleinen Einheit der Waffen-SS bedient worden war. Friedberg hätte insofern auch einem Bodenangriff nicht Stand halten können. Dass es jedoch bereits bei Eintreffen der Panzerdivision kapituliert hatte und seiner Bevölkerung ein ebenso verlustreicher wie aussichtsloser Widerstand erspart geblieben worden war, ist auf das beherzte Eingreifen des US-Majors Walter G. Smith und auf die mutige Unterstützung eines jungen Soldaten namens Bernd Wegner zurückzuführen.
Der 23-jährige Unterscharführer der Waffen-SS hatte an diesem Tag einen Brief mit der Feldpost erhalten, der ihn trotz der Besetzung Bad Kreuznachs durch die US-Armee aus dem Nahestädtchen erreichte. Es war ein Lebenszeichen seiner Verlobten. Im Oktober 1944 hatten sie sich das letzte Mal gesehen. Fünf Tage Heimaturlaub, nur für sie beide. Der schreckliche Krieg, die Not, das Sterben, das Schreien der Verwundeten, das Heulen der Sirenen – sie hatten es ausgeblendet. Ja, sie hatten sogar Zukunftspläne für die Zeit nach dem Krieg gemacht. Für die Zeit mit ihrem Kind. Im Gegensatz zu vielen anderen, die die Meinung vertraten, in eine solche Welt dürfe man keine Kinder setzen, waren sich beide sicher: „Unsere Zukunft liegt in unseren Kindern. Die haben die Chance, es besser zu machen als wir. Die werden niemals zulassen, dass so etwas noch einmal geschieht.” Und als sei es eine (bio)logische Konsequenz, hatte es das Schicksal so eingerichtet, dass Bernds Verlobte in diesem Oktober 1944 schwanger wurde.
Bernd wollte den Brief in angemessener Ruhe lesen. In der Stimmung, die in der Flakstellung am Stadtrand von Friedberg herrschte, wäre ihm das Lesen dieses Briefes wie ein Sakrileg vorgekommen. Verblendet von Durchhalte- und Endsiegparolen und benebelt durch die ständige Einnahme von Pervitin, fantasierten und halluzinierten sich seine Kameraden die Realität des verlorenen Krieges aus den Köpfen. Pathetisch zitierten sie Passagen aus Hitlers letzter Rundfunkrede am 30. Januar: „Wie schwer auch die Krise im Augenblick sein mag”, hatte er verhießen, „sie wird durch unseren unabänderlichen Willen, durch unsere Opferbereitschaft und durch unsere Fähigkeiten am Ende trotzdem gemeistert werden. Wir werden auch diese Not überstehen. Es wird auch in diesem Kampf nicht Innerasien siegen, sondern Europa – und an der Spitze jene Nation, die seit eineinhalbtausend Jahren Europa als Vormacht gegen den Osten vertreten hat und in alle Zukunft vertreten wird: Unser Großdeutsches Reich, die deutsche Nation!”
Bernd hatte inzwischen jeden Versuch einer Diskussion, die sich an den Tatsachen orientierte, aufgegeben. Er beteiligte sich auch nicht an den Saufgelagen. Die BDM-Mädchen und Flakhelferinnen, von denen einige glaubten, die Kampfkraft der Truppe durch freizügige Liebesdienste stärken zu müssen oder sogar noch Kanonenfutter für den Führer zu produzieren, waren für ihn tabu. Sein Kopf war klar, sein Verstand hellwach. Seinen Pervitin-Vorrat hatte er anseine Kameraden verteilt. Obwohl man ihnen allen die nationalsozialistische Ideologie in der gleichen Nationalpolitischen Lehranstalt, kurz NAPOLA genannt, eingebläut hatte, existierten die ehemaligen Bindeglieder nicht mehr. Im Gegensatz zu seinen Kameraden glaubte Bernd schon lange nicht mehr an das, was er einmal verherrlicht hatte. Dabei waren er und seine Eltern stolz darauf gewesen, als er 1938 im Alter von 16 Jahren die Aufnahmeprüfung mit Bravour bestanden hatte. Arische Abstammung, so genannte Erbgesundheit und volle körperliche