Mein Haus, mein Hof, mein Rudel. Gisela Gersch-Gernoth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gisela Gersch-Gernoth
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Биология
Год издания: 0
isbn: 9783946424086
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oder die Umsetzung einer spontanen Idee, die dem unbekümmerten Wesen dieser Hunderasse entsprungen ist. Lassen Sie sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen. Auch übermäßige Strenge ist nicht förderlich. Sanfte Führung mit Vertrauen auf diesen tollen Hund wird sich doppelt und dreifach in seiner Zuneigung und Treue zu Ihnen widerspiegeln.

      In den sehr persönlichen Geschichten von meiner schwarzmarkenen Hovawarthündin Paula versuche ich, eine Vertreterin dieser Rasse in ihrer ganzen Lebendigkeit mit allen Höhen und Tiefen sowohl in Worten als auch in Bildern zu beschreiben und darzustellen. Um die besondere Atmosphäre, die die Kommunikation zwischen Paula und mir bestimmt hat, einzufangen, lasse ich meine Hündin am Ende jedes Kapitels einen Satz sprechen. Ich möchte damit ihrem Verhalten einen lebendigen Ausdruck geben, den ich in einer beschreibenden Form nicht erreichen könnte. Aber wir wissen ja, ein Hovi kann alles – nur kein Hochdeutsch. »… das gefühlvolle, bindungsbereite Energiebündel ist nicht mit links zu erziehen«, schreibt Susanne Kerl. Ja, und es ist eine große Achtung vor dem Wesen dieser Hunde erforderlich, um sie in ihrer Eigenwilligkeit und ihrem Temperament, die auch noch im hohen Alter spürbar sind, wertzuschätzen. Führung und Toleranz sind nötig und große Empathie – ist diese Basis vorhanden, wird die Beziehung immer inniger. Erziehungsfehler, die sich besonders bei Anfängern wie mir kaum vermeiden lassen, spielen dann keine bestimmende Rolle.

      So habe ich es erlebt mit meiner besonders eigenwilligen Hündin, und davon möchte ich Ihnen nun erzählen. In diesem Sinne: Lassen Sie sich bezaubern von Paula.

      Gemälde »Hundefamilie mit altem Gaul« von Benno Adam 1869

      Bildersammlung Georg Schäfer, Schweinfurt

      Die Welpenzeit geht schnell vorbei

      UNSERE KLEINE

      Nach einer fünfwöchigen Thailandreise, die meinen Ehemann Wolfgang und mich per Tuk-Tuk, Eisenbahn, Bus und Flugzeug fast durch das ganze Land führte und die uns die Einwohner, die Küche, das Klima und die buddhistische Kultur nahebrachte und schätzen lehrte, bekommen wir ungefähr zwei Monate später Besuch von einem jungen Mann, der Ansichtskarten aus verschiedenen Ländern verkaufen will. Er betritt unseren Garten, wo wir gerade arbeiten, und trägt sein Anliegen vor. Noch eingestimmt auf Urlaub, unterhalten wir uns mit ihm und kaufen auch ein paar seiner Karten.

      Kurze Zeit später wacht Wolfgang nachts aufgrund eines Geräusches auf, das ihn veranlasst, überall Licht anzumachen und durch das Haus zu gehen, um nach dem Rechten zu schauen. Nichts! Doch er kann nicht wieder einschlafen. Es vergeht wohl eine Stunde, dann hört er wieder dieses unbekannte Geräusch, wie ein Knacken im Holz, erst sporadisch, dann regelmäßig in schnellerer Abfolge. Diesmal schleicht er im Dunkeln die Treppe hinunter ins Erdgeschoss. Er sieht an der hinteren Terrassentür einen Mann. Sofort stürzt er zur Tür und reißt sie auf … Doch der Mann flüchtet. »Gisela, ruf die Polizei!«, brüllt Wolfgang ins Haus. Ich sitze im Bett, vor Schreck gelähmt, völlig handlungsunfähig. Erst als Wolfgang aufgebracht nach oben kommt und mich schüttelt, bin ich in der Lage zu telefonieren. Oder telefoniert Wolfgang? Ich weiß es nicht mehr. Die Polizei ist schnell vor Ort, Spuren werden gesichert. Unsere Terrassentür ist angebohrt, fremde Fußspuren in der Rabatte zeugen von der Flucht des Täters. Einer der Polizisten vermutet einen Zusammenhang mit dem Besuch des Kartenverkäufers, der höchstwahrscheinlich zum Auskundschaften da gewesen sei. Er empfiehlt dringend abschließbare Fenster und Terrassentüren. Am wirkungsvollsten gegen Einbrüche sei jedoch eine lebendige Alarmanlage – ein Hund! Später sollte sich herausstellen: In dieser Nacht wurde in mehreren Häusern im Dorf eingebrochen. Was bleibt, ist ein spürbares Unbehagen, ein Gefühl der Verunsicherung in den eigenen vier Wänden, das uns noch lange Zeit begleitet – und das, obwohl der Einbruch abgewehrt wurde.

      Wolfgang, der schon als Jugendlicher mit einem Terrier gelebt hat, denkt laut über die Anschaffung eines Hundes nach. Ich bin ambivalent, gerade habe ich nebenberuflich mit dem Besuch von praktischen Kursen an der Kunstfachhochschule begonnen. Frau Sordens, unsere Haushaltshilfe, ermutigt uns: »Ich komme dann rüber und lasse den Hund in den Garten, wenn Sie tagsüber lange weg sind. Oder mein Mann geht mit ihm mal spazieren. Oder wir nehmen ihn mit zu uns.« Ein Hundebuch, das die einzelnen Rassen vorstellt, wird gekauft. Unser Auge fällt auf einen Hovawart: Hüte- und Wachhund, kinderfreundlich, wandert gerne, wird spät erwachsen … In der Samstagszeitung studieren wir den Tiermarkt und werden fündig. Ein Hobbyzüchter bietet in einem Ort in dem Zipfel von Nordrhein-Westfalen, der nach Niedersachsen hineinragt, Hovawart-Welpen an. »Wir können sie uns ja mal anschauen, 70 Kilometer – das geht doch noch.«

      Ein großer blonder Rüde mit tiefem Gebell, der Vater der Welpen, empfängt uns. Er wirkt Respekt einflößend. Mit so einem großen Hund habe ich nicht gerechnet. Seine Vorderpfoten liegen auf einem hohen Gatter, das ihn von den Besuchern trennt, die sich die Welpen anschauen wollen, welche sich um ihre schwarze Mutter, die deutlich kleiner ist als der Vater, drängen und herumtollen. Ihr Körper wirkt lang gestreckt. Ich nehme nicht wahr, ob auch andere Interessenten bei den Hunden sind, ich bemerke nur, dass ein schwarzmarkener Welpe an meinem Hosenbein knabbert. Kaum macht er sich bemerkbar, schon hat er unsere ganze Aufmerksamkeit auf sich gezogen, und als wir dann erfahren, dass er ein Hundemädchen ist, ist unser »Mal-Anschauen« Vergangenheit. Unsere Herzen haben sich für dieses kleine Fellknäuel mit den so großen Pfoten entschieden. Im schwarzen Fell hat es ein hellblondes, dreieckiges Lätzchen und auch einen blonden Bruststreifen, der über dem Ansatz der Vorderbeine verläuft. Die Pfoten und Unterläufe, in die sich ein langgezogenes, schwarzes Dreieck hineinzieht, haben einen warmen Ockerton, der auch den noch wachsenden Behang der Beine bestimmen wird. Das Schwarz hat einen Schimmer von frisch aus der Schale gefallenen Kastanien und glänzt genauso wie diese. Das Bäuchlein unserer Paula, auf diesen Namen hatten wir uns in unseren Vorfantasien geeinigt, ist noch nackt. In Kürze wird dort weißblondes Haar wachsen, das sich an der Innenseite der Hinterläufe entlangziehen und besonders dicht den Anus bedecken wird. Paulas champagnerfarbene Dessous, wie ich es später immer ausdrücke – perfekt für eine elegante Hündin. Auch ihre Augenmarken sind schon zu erkennen.

      Das Band ist geknüpft. Geimpft, entwurmt, mit Papieren – Birte vom Haselhorn, so heißt sie offiziell, geboren am 25. 8. 1993 –, so bekommen wir sie, zusammen mit einer Ration Futter für das Wochenende. Noch das Geschäftliche und ein paar Formalitäten, dann trage ich das Hundekind auf dem Arm, in ein Handtuch gewickelt, das wir in unserem Wagen gefunden haben. Halsband und Leine haben wir nicht dabei, wir wollten ja nur mal … Auf der Rückfahrt sitze ich mit unserer Paula auf dem Schoß hinten im Auto. Als wir die halbe Strecke zurückgelegt haben, spuckt sie ihre Nahrung wieder aus. Das Autofahren hat Übelkeit hervorgerufen, sicherlich hat sie neben der ganzen Aufregung auch Angst. Die Trennung von Mutter und Geschwistern, zwei fremde Menschen, die Fahrt – was wird ihr alles zugemutet! Wolfgang hält den Wagen an, wir steigen aus, und ich säubere uns, so gut es geht. Als Leinenersatz verwenden wir das Handtuch, das wir ihr um den Bauch legen. So können wir ein paar Schritte machen. Dann geht es weiter. Jetzt schläft die Kleine in meinen Armen ein. Später sagt Wolfgang immer wieder: »Als ich gesehen habe, wie gelassen du damit umgegangen bist, dass Paula sich übergeben hat, wusste ich, es wird alles gut.« Und so ist es auch, selbst meine Hautempfindlichkeit an den Händen vergeht durch das Streicheln ihres seidigen Fells schon bald.

      Unser neues Familienmitglied hat sein Körbchen in unserem offenen Flur-Küchen-Wohnbereich mit den beiden Terrassentüren zum Garten. Dort halten wir uns am häufigsten auf. So kann die Kleine ganz schnell ins Freie, wenn sie zeigt, dass Sauberkeitsrituale geübt werden müssen. Zunächst reicht jedoch eine alte Zeitung, die sie untergeschoben bekommt, wenn sie die typische Drehbewegung einleitet, um sich zu lösen. Als Übergangslösung bewährt sich ein flacher Korb, in den wir sonst immer die Zeitungen legen. So klein ist sie noch. Die Treppen mit den offenen Stufen haben wir zugestellt, damit Paula ihre Gelenke im Welpenalter nicht zu stark belastet. Ich schlafe die nächste Zeit auf dem Sofa bei ihr unten, sodass sie nicht allein ist und auch jederzeit in den Garten kann. Wider alle Erwartung kommt sie nachts nicht zu mir. Sie bleibt