Alexa und das Zauberbuch. Astrid Seehaus. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Astrid Seehaus
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Историческая литература
Год издания: 0
isbn: 9783940002808
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trägst und deinen nackten Hintern präsentierst. Klar? Zieh dir ein Höschen an, oder du willst unbedingt Ärger haben.“ Er ließ sie los und ging.

      Sie blickte an sich herunter. Höschen? Was war falsch an ihrer Kleidung? Nun ja, das schwarze Leinenhemd und ihr schwarzer Rock rochen nach Rauch und sahen etwas angebrannt aus, aber was war daran auszusetzen? Es roch hier irgendwie alles nach Rauch. Achselzuckend wandte Alexa sich ab. Wo wohl der Höllenfürst steckte? Mitten unter ihnen? Oder saß er auf seinem Thron und beobachtete sie bereits? Wo stand sein Thron? Warum hatte er sie als Neuankömmling nicht ordentlich begrüßt?

      Sie drängelte sich durch die Menschenmasse und ließ ihre Blicke schweifen. Da sie ihn noch nie gesehen hatte, war sie umso gespannter, ihm zu begegnen: dem Meister der Unterwelt, Beelzebock, dem Machthaber des Bösen, Luzifer und Satan in einem. Unvermittelt stieß sie gegen etwas Hartes und drehte sich um. – Eine Schenke! Sie jauchzte hocherfreut darüber, wie gut der Meister seine Untertanen bewirtete. Wo sie doch so einen riesigen Durst hatte. Verzückt betrachtete sie die lange Reihe von farbigen, hellen und dunklen, kleinen und großen Flaschen.

      „He! Schankwirt! Gebe er mir von dem da!“, schrie sie und zeigte mit dem ausgestreckten Finger auf eine bestimmte Flasche.

      „Was willst du?“, brüllte es zurück.

      „Gebe er mir von dem giftgrünen Saft“, und aufgeregt, weil es eine unendliche Auswahl von Flaschen gab, zeigte ihr Finger ruckartig auf ein anderes Getränk. „Und von dem gallegelben, das Ochsenblut da will ich und ... yeeeeaaaa ... den Schweinedreck“, und wies damit auf eine Flasche bräunlichen Inhalts.

      „Was denn nun?“, fragte der Mann hinter dem Tresen, dann zögerte er. „Wie alt bist du eigentlich?“

      „Ich?“, fragte Alexa verdattert, riss sich dann aber zusammen und stellte sich auf die Zehenspitzen. „Ich bin alt genug für einen kräftigen Rachenputzer.“

      „Bist du schon volljährig?“, fragte er noch einmal misstrauisch.

      „Aber gewiss doch“, unterbrach ihn Alexa ungeduldig. „Nun mach er aber schon!“

      „Wenn du meinst. Was willst du denn jetzt? Minzlikör, Eierlikör, Cointreau, Vierzigprozentigen oder ...?“ Weiter kam er nicht.

      „Alles zusammen sollst du mischen!“, antwortete sie. Sie beugte sich über den Tresen und blickte ihm direkt in die Augen. Mit verschwörerischer Miene flüsterte sie: „Mach mir ein Höllenfeuer, dass meine Gedärme brennen und meine Hirnwindungen platzen wie Kröteneier!“ Sie grinste verzückt.

      „Von mir aus“, antwortete der Mann und mixte die von Alexa ausgesuchten Zutaten in einem Schüttelbecher, den er flink auf und ab bewegte. Er konnte sich nur wundern. Dieses aufgedrehte Mädchen wäre nicht die erste, die sich um den Verstand soff, und so schob er das gefüllte Cocktailglas zu Alexa hinüber und wartete.

      Alexa nahm das Glas und kippte den Inhalt mit Schwung hinunter. „CCCCHHHHRRRRRCCCHHHH!!!“, fauchte sie wie eine Katze und würgte keuchend hervor: „Teufelsdreck nochmal!“

      „Na, brennen sie, deine Gedärme?“ Der Barkeeper wartete immer noch und betrachtete sie gelangweilt.

      „Du verstehst dein Geschäft“, röchelte die Hexe, stellte das Glas mit zitternder Hand hin und wandte sich ab, um zu gehen.

      „Wie wär’s mit Bezahlen?“, forderte er sie genervt auf.

      Alexa hielt inne. Sogar in der Hölle gelüstete es den Teufel nach Gold und Silber? Da konnte sie aber froh sein, dass er nicht auch noch Eintritt von ihr verlangt hatte.

      Sie lachte über ihren Scherz, griff nach einem Beutel, der verborgen in der linken Falte ihres Rocks hing, warf dem Mann mit der linken Hand rasch eine Münze zu und wiederholte: „Teufelsdreck nochmal, du verstehst dein Geschäft!“ Dann kehrte sie auf die Tanzfläche zurück.

      Doch keine zwei Minuten später packten sie wieder die Arme dieses Höllenwächters und zogen sie unbarmherzig in einen dunklen, nur schwach erleuchteten Flur.

      Ohne die Spur eines Lächelns fuhr er sie an: „Habe ich dir nicht gesagt, dass du dich anständig benehmen sollst? Und wenn ich etwas sage, meine ich das auch so.“

      Sie schob ihn unwirsch von sich. „Was willst du von mir?“

      „Du hast mit Falschgeld bezahlt.“ Er streckte seine linke Hand vor und öffnete die Faust. Darin lag die Münze, die sie dem Schankwirt zugeworfen hatte.

      Der Meister der Hölle war schlau. Hatte er doch gleich gemerkt, dass sie mit unechtem Katzengold bezahlt hatte. Sie lächelte entschuldigend, griff noch einmal in einen Beutel, diesmal war es ein anderer, einer, der in der rechten Rockfalte hing, und gab ihm ein Goldstück. Zur Bekräftigung, dass es sich um echtes Gold handelte, nahm sie die Münze zwischen die Zähne und biss vor seinen Augen hinein.

      Der Höllenwächter schüttelte ungeduldig den Kopf. „Lass die Mätzchen!“ Er wollte nach der Münze greifen, als plötzlich auf der anderen Seite des Höllenraums ein Tumult ausbrach. Geschickt ließ Alexa das Goldstück wieder in ihre rechte Rocktasche gleiten und entzog sich den Blicken des Höllenwächters. Doch der schoss bereits in die Richtung des Lärms davon.

      „Feuer!“, rief jemand, und dann noch einmal, wesentlich lauter: „Feuer!

      „Es brennt!“, schrie es nun von allen Seiten. „Raus hier!“

      Alexa schaute sich neugierig um. Was für ein Spektakel! Der Höllenfürst kündigte sich an und sie würde ihn gleich sehen. Wenn Strobel das nur wüsste, er würde vor Neid platzen, dieser Esel! Sie schritt auf die Stelle zu, von der die Schreie kamen, und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihn endlich leibhaftig zu sehen. Aber da sie nicht besonders groß war, hatte sie keine Chance, irgendetwas im Gewühl zu entdecken.

      Ehe sie sich versah, wurde sie in einem Pulk hysterisch um sich schlagender und drängelnder Gestalten in die andere Richtung geschoben. Sie wehrte sich verzweifelt und drehte sich um, um sich durch die Menge wieder zum Feuer hin zu pflügen, beide Hände gefaltet und wie einen Rammbock vor sich haltend, doch es gelang ihr nicht. Anweisungen gellten durch den Raum, von Schreckensrufen unterbrochen. Der Lärm war kaum auszuhalten. Sie wollte ihre Hexenkunst anwenden, aber wenn sie ihre Hand für die Ortsveränderung benutzen wollte, war jemand da, der ihr den Arm wegriss oder sie zum Stolpern brachte, bis sie zu guter Letzt am Boden lag und sich zwischen den Beinen der Flüchtenden wiederfand. So gelangte sie, auf allen Vieren krabbelnd, mit den anderen ins Freie. Ein Keuchen und Stöhnen umgab sie, als eine sommerwarme Brise sie umwehte.

      „Gott, was haben wir Glück gehabt!“ Der Junge, der das gesagt hatte, drehte sich zur unscheinbaren Hintertür um, durch die er sich gerade gerettet hatte, und starrte verängstigt auf die Menschen, die noch herausstolperten.

      Alexa verstand rein gar nichts. Mit großen Augen sah sie zu den anderen herüber, und dann zum Ausgang. Man wollte sie nicht sehen? Sie war erschüttert. Der Meister der Finsternis wollte sie nicht sehen?! Er hatte es nicht für nötig befunden, sie zu begrüßen, und jetzt wurde sie wie ein Kübel voller Mist ausgekippt? Was würde Meister Schrawak von ihr denken, wenn er das wüsste?

      Nein, das ließ sie sich nicht bieten! Sie war eine gute Hexe, eine der besten, eine mit großer Zukunft. Der Meister musste sie empfangen. Beleidigen ließ sie sich nicht, auch nicht vom Höllenfürsten persönlich.

      Grimmig und mit einer gehörigen Portion Wut im Bauch erhob sie sich und schritt auf die Tür zu, durch sie hindurch und war binnen weniger Sekunden im rauchigen Inneren des Hauses verschwunden. Ihre Augen gewöhnten sich schnell an die verqualmte Dunkelheit. Der Raum war nahezu leer. Die Feuerquellen an den Wänden warfen keine Blitze mehr und der weiße Nebel hatte sich in stickigen Rauch verwandelt. Es roch verbrannt, aber es war nicht der angenehme Geruch von Holzkohle und Pflanzenrauch, sondern von Pech und Schwefel. Es stank bestialisch, schlimmer noch, als Alexa es sich jemals für die Hölle vorgestellt hatte. Sie kniff sich die Nase zu und hielt den Atem an. So konnte sie gut und gerne eine ganze Weile warten, bis sie ihn treffen würde. Auch im Atemanhalten war sie eine der