Das Brautpaar. Gemälde von unbekanntem Künstler, um 1736. Der 12. Februar 1736 blieb für Maria Theresia der glücklichste Tag ihres Lebens.
Am 12. Februar 1736 fand die Hochzeit statt und Karoline Pichler, die Tochter der Vorleserin Maria Theresias, fasste die Eheschließung aus ihrer Sicht folgendermaßen zusammen: „Wie ein Mädchen aus den mittleren Ständen, bei denen mehr das Herz als eigennützige Rücksichten die Wahl des Gatten bestimmt und man für sich und nicht für seine Väter liebt, hatte sie den Gemahl gewählt … Weder Landesmacht noch große Vorteile brachte ihr in politischer Hinsicht die Ehe mit dem Prinzen Franz von Lothringen …“10 Für Maria Theresia war es also eine absolute Liebesheirat, wobei ihr die politischen Verhältnisse, die keinen mächtigen Fürsten akzeptiert hätten, entgegengekommen waren. Franz Stephan hatte sich zu einem Zeitpunkt für sie entschieden, zu dem sowohl ihr Erbe als auch seine Zukunft als Kaiser absolut ungewiss waren. Auch wenn es eine politisch motivierte Heirat war, blieb dieser 12. Februar für Maria Theresia der glücklichste Tag ihres Lebens – wie sie viele Jahre später beim Tod ihres geliebten Ehemanns in vielen Briefen schreiben sollte.
Eine selbstbewusste Frau: die junge Herrscherin. Ölgemälde von Martin van Meytens. Wien Museum.
Gut vorbereitet auf den Thron?
Man sollte meinen, dass Karl, der mit den Jahren doch realistisch sehen musste, dass seine Frau zwar keine Kinder mehr bekam, gleichzeitig aber so weit gesund war, dass auch eine neuerliche Ehe und mögliche Söhne immer unwahrscheinlicher wurden, alles unternahm, um seine älteste Tochter Maria Theresia als seine Nachfolgerin und künftige Regentin aufzubauen. Doch weit gefehlt – Karl unternahm rein gar nichts. Maria Theresia lebte das typische Leben einer Prinzessin, deren einzige Aufgabe es einmal sein sollte, zu heiraten und mit höfischen Manieren, angenehmer Konversation, Gesang, Tanz, Reiten und Jagd einem Ehemann eine gute und kurzweilige Gattin zu sein. Keine Rede von politischer Bildung, juristischen und wirtschaftlichen Grundkenntnissen, diplomatischen Gepflogenheiten und Spielregeln. Es ist interessant, dass ausgerechnet Karl, der doch mit der Pragmatischen Sanktion die weibliche Erbfolge einführte, dennoch nichts für ihre dementsprechende Ausbildung unternahm – so als ob er eigentlich nicht damit rechnete, dass seine Tochter ernsthaft seine Nachfolge antreten könnte. So legte er zunächst auch wesentlich mehr Augenmerk auf die Einbindung seines Schwiegersohnes Franz Stephan, den er wie einen Sohn an seinem Hof aufzog und an Staatsgeschäften teilhaben ließ, ja ihn sogar zum Statthalter in Ungarn machte. Kronprinzessin Maria Theresia hatte hingegen keine einzige auch nur annähernd politische Aufgabe, nicht einmal bei öffentlichen repräsentativen Auftritten durfte sie eine besondere Stellung einnehmen, um sie beim Volk bekannt und beliebt zu machen. Es scheint fast so, als ob Karl paradoxerweise seiner eigenen Erbfolgebestimmung misstraut hätte. Aber auch Franz Stephan wurde schließlich nicht wirklich als „Nachfolger“aufgebaut. Als „Franzose“ war und blieb er im Land eher unbeliebt, es zeigte sich zudem, dass er politisch uninteressiert war und diese Rolle gar nicht anstrebte. Somit bleibt unklar, welches Ziel Karl hinsichtlich seiner Nachfolge wirklich verfolgte. Resigniert schrieb er 1739 an Franz Stephan: „Mein großer Trost ist, daß meine Tochter in so guten Händen weiß und sicher bin, daß sie E.L. lieben, und hoffe endlich, sie sich darum allweil mehrers bewerben wird und daß Sie ihr in allen noch ein rechten Vater abgeben werden.“11
Man sollte meinen, dass sich die beinahe demonstrative Passivität und schließlich Resignation des Kaisers bitter rächen sollte und Maria Theresia praktisch chancenlos war, als Karl am 20. Oktober 1740 mit 55 Jahren zwar unvermutet an einer Pilzvergiftung, aber dennoch nicht als junger Mann starb. Der Kaiser hinterließ seiner Tochter weder ein wirtschaftlich blühendes Land noch Geld und schon gar kein gut gerüstetes Heer. Johann Christoph Bartenstein, Protokollführer der Staatskonferenz, zeichnete ein düsteres Bild der Situation: „Der Verlust eines so großen Monarchen wurde durch die Umstände, in welchen sich derselbe ergeben, nicht wenig vergrößert. Zwei schwere und blutige Kriege waren kurz vorher hergegangen (im Westen bzw. in Italien gegen Frankreich und im Osten gegen die Osmanen). Beide sind so unglücklich als möglich geführet worden, in beiden hatte der Staat namhaft eingebüßet (das Königreich Neapel-Sizilien und die Lombardei sowie die Walachei, das nördliche Serbien mit Belgrad und Nordbosnien). Die übriggebliebenen Erbkönigreiche und Länder waren also an Geld und Volk nicht wenig erschöpft, auch von allen Seiten gegen einen eindringenden Feind offen.“12
Maria Theresia bestätigte später auch, wie aussichtslos ihre Situation bei ihrem Regierungsantritt war, da auch im Land niemand so recht an die junge Erzherzogin und Königin glauben wollte: „In diesen Umständen fande ich mich ohne Geld, ohne Credit, ohne Armée, ohne eigene Experienz (Erfahrung) und Wissenschaft und endlich auch ohne allen Rath, weilen ein jeder aus ihnen anforderist sehen und abnehmen wollte, wohin die Sachen sich wenden würden.“13 Am Tag nach Karls Tod fand bereits die erste Sitzung der Geheimen Konferenz unter dem Vorsitz der neuen Königin statt. Der erste Hofkanzler Graf Sinzendorf referierte über die zukünftige Politik und sprach sich in erster Linie dafür aus, die Ruhe aufrechtzuerhalten. Maria Theresia wurde schlagartig klar, dass sie sich nicht auf diese Berater verlassen konnte, die sich an die neue Situation weder anpassen konnten noch wollten, zuerst so taten, als wäre nichts, und danach mutlos resignierend Maria Theresia erst recht im Stich ließen und in ihren Augen völlig nutzlose Vorschläge machten. An den böhmischen Kanzler Philipp Graf Kinsky schrieb sie verärgert: „Was vor (für) Grillen (närrische, schrullige Ideen), warumb solche Gesichter, reden ist notwendig und nicht die arme Königin noch mehr zu decouragieren (entmutigen), sondern ihr helfen und raten. Morgen früh komme er zu mir.“14 Daher sparte sie später auch nicht mit Kritik an ihrem Vater, den sie zwar sehr geliebt, der sie jedoch so völlig unvorbereitet gelassen hatte: „Da sich der unvermuthete betrübliche Todes-Fall meines Herrn Vatters Höchstseeligster Gedächtnis ereignet und vor mich umb so viel mehr schmertzlich ware, weilen nicht allein selben verehret und geliebet als einen Vattern, sondern als wie die mindeste Vasallin als meinen Herrn angesehen und also doppelten Verlust und Schmertzen empfunden und damalhen die zu Beherrschung so weitschichtiger und vertheilter Länder erforderliche Erfahr- und Känntnüss umb so weniger besitzen können, als meinem Herrn Vattern niehmals gefällig ware, mich