Am 22. Februar gaben Freunde und Mitbrüder für Feßler eine Abschiedsfeier. Wien zu verlassen, fiel ihm nicht leicht. Was sein Mut und seine Entschlossenheit in dieser Stadt durchgesetzt hatten, berichtete der Dichter Zacharias Werner im Jahre 1807: Man erinnert sich seiner hier in und außer seinem gewesenen Kloster noch mit viel Achtung und Theilnahme.
In Lemberg unterrichtete Feßler nicht nur, sondern begann auch seine schriftstellerische Karriere und verfasste etliche historische Romane. Dabei ging es ihm primär darum, seine philosophischen Ansichten und seine Weltanschauung mitzuteilen. 1784 wurde er Mitglied in der Lemberger Freimaurerloge „Phoenix zur runden Tafel“. Sechs Jahre später konvertierte Ignaz Feßler zur lutherischen Konfession.
In Berlin, wo er sich 1796 niederließ, lernte er den Philosophen Johann Gottlieb Fichte kennen. Mit ihm gemeinsam reformierte er die Regeln der Freimaurerloge „Royal York zur Freundschaft“. Feßler soll von durchaus streitbarem Charakter gewesen sein, er überwarf sich einige Jahre später mit seinen Logenbrüdern und trat aus dem Freimaurerbund wieder aus.
Zar Alexander I. engagierte ihn an die Alexander-Newskij-Akademie in St. Petersburg, wo er orientalische Sprachen und Philosophie unterrichtete. 1833 wurde er Generalsuperintendent und betrachtete es als seine Aufgabe, den lutherischen Glauben in Russland zu festigen. Auch setzte er sich für die Genehmigung der Freimaurerei in Russland ein.
Kinder hatte Ignaz Aurelius Feßler keine, wohl aber war er verheiratet. Und das gleich dreimal. Von seiner ersten Frau ließ er sich sogar scheiden, was damals sicherlich eine Seltenheit war.
Am 15. Dezember 1839 starb dieser freigeistige, geniale und durchaus sonderbare Kirchenmann in St. Petersburg.
So sehr Kaiser Joseph II. auch für großen Unmut bei der Bevölkerung gesorgt haben mag, indem er seine Untertanen mit unzähligen und teilweise absurden Gesetzen überhäufte, für seine engagierten Reformen im kirchlichen Bereich waren ihm dennoch viele dankbar. Der evangelische Theologe, Erbauungsschriftsteller und Erzähler Christian Friedrich Sintenis widmete ihm 1782 folgendes Gedicht:
Nonnenlied auf Kayser Joseph den Zweyten
Daß Joseph nichts als Segen schuf,
Daß er für Millionen Tröster
Geworden sey, drang in die Klöster
Sogar der feyerliche Ruf.
Er steuerte von seinem Thron
Dem Glaubenshaß, dem Volksverwüster;
Da lernten Duldung seine Priester,
Und Tugend ward Religion.
Er sah im Land viel Sclavenpein;
Da bebt’ er, gab der Menschheit Rechte
An Israel und Böhmens Knechte,
Und führte goldne Freyheit ein.
Unlängst warf er den Vaterblick
Auch auf viel tausend Mädchenseelen.
Er sah sie Gott zu Ehren quälen,
Und gab sie an die Welt zurück.
(…)
Vorsteher eines Franziskaner-, Minoriten- oder Kapuzinerkonvents
Heute Zurndorf im Burgenland
Verstaatlichung von Kirchenbesitz
Die Verwaltungsbehörde des Bistums
Postkutsche in Stil der französischen Monarchen
Grausige Legende aus dem mittelalterlichen Wien: die eingemauerte Nonne. Zeichnung von Vinzenz Katzler.
DIE EINGEMAUERTE NONNE
Eine Liebesgeschichte aus dem Alten Wien
Zu den besonders grausamen Hinrichtungsarten im Mittelalter gehörte das Einmauern. Schon im alten Rom wurden Vestalinnen, die das Gelübde der Reinheit gebrochen hatten, lebendig begraben. Später hat man auch Ehebrecherinnen und Kindsmörderinnen so bestraft. Dabei wurde der oder die Verurteilte, meist im Stehen, in eine Nische eingemauert und erstickte. Zur Strafverschärfung soll gelegentlich sogar ein Spalt in der Mauer offen gelassen worden sein, sodass der oder die Unglückliche nicht erstickte, sondern mangels Flüssigkeit und Nahrung einen langen, qualvollen Tod zu erleiden hatte. Vermutlich aber wurde diese Hinrichtungsmethode nur sehr selten verhängt, es existieren auch nur wenige Quellen dazu.
Sehr wohl aber ist dokumentiert, dass Nonnen und Mönche, die das Keuschheitsgelübde gebrochen hatten oder aus dem Kloster fliehen wollten, eingemauert wurden. So entdeckte man am Eingang des Klosters Maulbronn in Baden-Württemberg das Gerippe eines eingemauerten Menschen. Im Jahre 1498 soll im Minoritenkloster zu Villach der Klosterkoch eingemauert worden sein, weil er den Guardian1 vergiftet hatte. Die Constitutio Criminalis Carolina, das Strafgesetzbuch Kaiser Karls V., schrieb bei boshafter und heimlicher Tötung eines Kindes die Strafe des Lebendigbegrabens, der Pfählung oder des Ertränkens vor. So steht im „Geschichtlichen Verzeichnis öffentlicher Hinrichtungen in Zittau (Sachsen) von 1300 – 1774“ zu lesen, dass 1514 eine Weibsperson von Reichenau lebendig begraben worden wäre, die ihr neugeborenes Kind erwürgt und anschließend in einen Teich geworfen hatte. Zar Peter I. der Große, bekanntlich sehr phantasievoll in Sachen Hinrichtungen, griff 1702 die bewährte Praktik des Begrabens bei lebendigem Leibe wieder auf und ließ auf diese Weise eine Gattenmörderin bestrafen.
Auch in Wien, so eine dunkle Legende, soll es im Mittelalter einen Fall gegeben haben, bei dem eine Jungfrau eingemauert wurde. Der Schriftsteller Moriz Bermann (1823 – 1895) hat uns diese seltsame Geschichte hinterlassen, die sich seinen Schilderungen zufolge in der Pippingerstraße (heute Annagasse in der Inneren Stadt) abgespielt hat. Wie diese Straße zu ihrem Namen kam, erzählt eine alte Wiener Sage:
Im Jahre 1226 soll Neidhard der Pippinger, ein angesehener Wiener Bürger, voll des Mutes beim Babenbergerherzog Leopold VI., dem Glorreichen, höchstpersönlich vorgesprochen haben. Sein Anliegen: Der Landesfürst hätte den Flandrensern2 so viele Rechte eingeräumt, dass die Wiener Kaufleute ihre Handelsgeschäfte ernstlich bedroht sehen würden. Auch wollten die Fremden ihre Schulden nicht begleichen. Durch die Fürsprache Meister Pippingers löste sich die Angelegenheit in Wohlgefallen auf und so wurde ihm zu Ehren die Straße, in der er ein prächtiges Haus besaß, nach ihm benannt.
Rund 100 Jahre später bewohnte sein Nachfahre Albrecht Pippinger das Anwesen. Er soll ein sehr herrschsüchtiger Mann voll Zorn und Unzufriedenheit gewesen sein. Die unangenehmen Eigenschaften Pippingers wurden mit dem Alter nicht geringer. Wohin sein Starrsinn ihn schließlich führte,