Im Jahr des Wolfes. Rex Schulz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rex Schulz
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783961451661
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Faust wieder zum Vorschein. Meister Weißbart streckte den Arm nach vorn und öffnete seine Hand. Er blickte zu den Runensteinchen auf seiner Handfläche und ein Lächeln stahl sich in sein verrunzeltes Gesicht. Er erhob sich von der Bank und rief mit lauter Stimme:

      „Gebo: Odin-Rune, Gabe, Geschenk, Treue und Gefolgschaft. Ansuz: Odin-Rune, Weisheit, Eingebung, Wissen und Offenbarung.

      Die Götter sind uns wohlgesonnen, unsere Entscheidungen sind der Wille des Allvaters!“

      Der Meister warf die Runensteine wieder in den Beutel und nahm Platz.

      Swidger erhob sich erneut von seinem Thron.

      „Sei bedankt, ehrwürdiger Meister Rabenzahn! Dank an Odin, der mit Wohlwollen vom Hlidskialf auf unser Thing herniederblickt!“ Er schlug sich mit der rechten Faust an die linke Brust und rief: „Odin, Odin, Odin!“

      Die Menge folgte ihm und rief ebenfalls: „Odin, Odin, Odin!“

      Swidger reckte den Arm in die Höhe und die Menge verstummte.

      „Kommen wir zum ersten Punkt dieser Versammlung. Mikael Antropow, ich rufe dich nach vorn!“

      Ein Raunen ging durch die Menge. Ein großer dunkelhaariger Mann bahnte sich den Weg nach vorn. Als er vor dem Podest angekommen war, neigte er sein Haupt.

      „Hier bin ich, König Rabenfeder!“

      König Swidger blickte den Mann vor ihm prüfend an und lächelte.

      „Mikael Antropow! Vor fünf Jahren bist du zu uns gekommen, um dich für die Bürgerschaft in Neu Germanien zu bewerben, seitdem hast du bei der Familie Rabenfeder gearbeitet. Durch deine fleißige Arbeit, dein straffreies Leben und deine Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft hast du eindeutig bewiesen, dass du würdig bist, ein freier Germane zu sein.

      Hiermit verkünde ich, König Swidger Rabenfeder, dass der Bewerber Mikael Antropow ab sofort den Status eines freien Germanen erhält!“

      Die Lichtung hallte wider von Jubelrufen.

      Swidger brachte die Menge mit einer Geste zur Ruhe.

      „Mikael Antropow! Du kannst nun in eine Stadt gehen und dir dort Arbeit und Heim suchen, denn du bist ja sehr gebildet. Dann behältst du deinen alten Namen und bekommst die Tätowierung ‚freier stammesloser Bürger‘.

      Oder du bleibst beim Stamm der Sueben, dann bekommst du einen germanischen Namen und deine Stammestätowierung. Du kannst eine eigene Familie gründen und dem Blut des germanischen Volkes deines hinzuzufügen.

      Entscheide dich jetzt!“

      Swidger Rabenfeder blickte den ehemaligen Bewerber erwartungsvoll an.

      Mikael Antropow räusperte sich und hub dann an:

      „Mein König, ich danke Euch! Gern wähle ich die zweite Option! Ich habe mich hier fünf Jahre sehr wohl gefühlt und, naja, hier auch mein Herz verloren. Ich möchte gern bei den Raben bleiben!“

      „Dein Wille ist Odins Wille! Komm nach oben zu mir!“

      Mikael stieg die paar Stufen zu Swidger empor und verbeugte sich.

      König Rabenfeder griff hinter die Lehne seines Stuhles und zog ein hochbeiniges Wägelchen zu sich heran. Darauf stand ein silberner Kasten auf dünnen Beinchen. Er öffnete die Schnappverschlüsse und klappte den Deckel auf.

      „Knie dich bitte hin, Mikael!“, sagte er zu Antropow.

      Dieser ließ sich nieder und blickte dem König fest in die Augen.

      Swidger zog einen zirka zwanzig Zentimeter langen, fünf Zentimeter dicken Stab aus dem Kasten und vollzog an ihm einige Einstellungen.

      „Wende mir deine rechte Kopfseite zu. Es wird etwas schmerzen.“

      Mikael Antropow wandte dem König den Kopf zu und dieser drückte das Ende des Stabes in seinen leeren Kreis auf der Schläfe. Er betätigte einen kleinen Knopf an der Seite, es zischte leise. Dünn kräuselte Rauch von der Schläfe, aber Antropow zuckte mit keiner Wimper. König Rabenfeder zog den Stab zurück und gab den Blick frei auf die Tätowierung: Othala und Gebo – Stammeszeichen der Sueben!

      Swidger drehte den silbernen Kasten, sodass er zu Mikael geöffnet war.

      „Lege deine rechte Hand auf die Fläche und blicke den blauen Punkt im Deckel an!“

      Antropow tat wie ihm geheißen und sogleich wurden seine Fingerabdrücke gespeichert, ein Netzhautscan durchgeführt und ihm Blut abgenommen zum Extrahieren der DNS fürs Genregister. Fingerabdrücke und Netzhautmuster wanderten sofort in die Zentraldatenbank.

      „Du hast es gleich überstanden!“, Rabenfeder lächelte zu Mikael, „wir müssen nur auf deinen Name warten!“

      Es piepte leise, das Zeichen dafür, dass der Name eingetroffen war. Der König blickte auf die Anzeige und erhob seine Stimme:

      „Erhebe dich, Meinulf Rabenauge! Möge die Rune Gebo recht behalten und du ein Geschenk für das gesamte germanische Volk sein! Komm nach dem Thing in mein Büro, wir besprechen dort alles Weitere!“

      Meinulf Rabenauge erhob sich, neigte den Kopf vor Swidger und drehte sich der Menge zu.

      „Odin, Odin, Odin!“

      Die allgemeine Freude kannte keine Grenzen, der Jubel war gewaltig. Meinulf Rabenauge ging hinunter zu den Leuten, mit denen er gekommen war. Andere Bewerber klopften ihm auf die Schultern und freuten sich mit ihm.

      Swidger Rabenfeder klappte den Deckel des silbernen Kastens herunter und schob das Wägelchen zur Seite.

      „Die erste Rune hatte recht, Odins Wille ward erfüllt! Gebo – das Geschenk, wie wahr!

      Lasst uns nun zum letzten Tagesordnungspunkt kommen!“

      Rabenfeder blickte hinüber zum Panzerfahrzeug und gab den Männern ein Zeichen. Zwei der Wölfe gingen zur Rückseite des Fahrzeugs und kamen kurz darauf mit einem Mann zurück. Er hatte eine Schandkrause um den Hals, seine Hände waren darin fixiert, und er trug einen rosa Overall – als Zeichen dafür, dass er eines schändlichen Verbrechens beschuldigt wurde.

      Die Wölfe brachten den Mann bis an den Rand des Podestes und hielten an, den Beschuldigten fest im Griff.

      „Brunold Drachenstein, du weißt, weshalb du heute hier stehst?“

      „Ja, mein König!“, flüsterte der Angeklagte und blickte zu Boden.

      „Du hast zwar versucht, sehr clever zu sein, aber du warst nicht clever genug. Vor ein paar Monaten wandten sich zwei Angler an die Behörden. Sie fischten des Nachts an der Elbe, als ihnen eine weißliche, stinkende Brühe auffiel. Nachforschungen unsererseits haben ein gut getarntes Rohr zu Tage gebracht, welches bis in deine Hühnerfarm reichte. Der Verdacht fiel auf dich, und so haben wir eine Kameradrohne in deinem Büro installiert. Und siehe da! Einmal im Monat kommst du am späten Abend und lässt mittels deiner illegalen Rohrleitung Hunderte von Litern Hühnerscheiße in den Fluss laufen, statt diese zu entsorgen.“

      Die Menge buhte lauthals, Swidger brachte sie zur Ruhe und fuhr fort.

      „Hast du etwas zu deiner Verteidigung zu sagen? Wir können auch gern die Aufnahmen der Drohne abspielen!“

      „Nein, mein König! Es ist alles wahr, ich erwarte eure Strafe.“

      Der Angeklagte blickte erneut zu Boden, als läge da die Lösung seines Problems.

      „Nun gut! Da du alles zugibst, erspart uns das eine Menge Zeit. Ansuz hat uns das Wissen um deine Tat offenbart und so höre!

      Deine Tat ist ein großes Verbrechen an unserem Land. Als uns Allvater Odin diese Welt in die Hände gab, nahm er uns das Versprechen ab, sie zu hegen und zu pflegen. Lange, lange Zeit haben wir gebraucht, um dieses Land zu reinigen, und nun kommst du und verschmutzt es erneut. Brunold Drachenstein, du bist eine Schande für deinen Clan und eine Schande für unser Volk! Deine Farm fällt in die Hände der Gesellschaft, ebenso dein