Die vorrangig medizinischen Gründe der Wohltat durch Alkohol wurden erst im 15. Jahrhundert in den Hintergrund gestellt. Später wurde durch die napoleonischen Kriege der Branntwein in Deutschland sehr populär. Es wurden Schank-Lizenzen erteilt. Der Durchbruch war geschehen. Ein Verkaufsmonopol, wie wir es heute nennen, wurde gebrochen und jeder, der es wollte, konnte Schnaps brennen und mit einer Lizenz verkaufen. Mit dem Vorteil, die Preise sanken durch Konkurrenz. Der Anbau von Kartoffeln, den Friedrich II. (der Große) 1745 mit einem Edikt, also sozusagen mit Befehl durchsetzen musste, war historisch gut. Die Bauern sagten anfangs … das schmeckt nicht, nicht einmal unsere Hunde essen die Kartoffeln … Was wäre Europa ohne Kartoffel? Friedrich hatte schon eine tolle Idee. Schon fünf Jahre später gab es die ersten Kartoffelbrennereien, also Schnaps–Produktionsstätten. Der Pro-Kopf-Verbrauch stieg enorm. Es entwickelte sich ein industrieller Zweig in einer Übermächtigkeit „für“ die Gesellschaft. Real ging es aber um viel Geld und auch darum, dass sich das Volk gut gängeln ließ. Selbstverständlich tut es allen Schichten gut, sich zu berauschen. Es entstand ein sogenannter Elendsalkoholismus im 19. Jahrhundert. Sich berauschen, dem Elend für einige Stunden zu entfliehen. Irgendwie klappt es ja, es ändert jedoch nichts, macht es schlimmer. Die Spannungen innerhalb der Gemeinschaft wurden größer. Nicht nur das Berauschen war der Sinn, sondern sich gezielt zu betäuben. Trinken bekam ebenso auch einen sozialen Aspekt. Die Kontaktaufnahme untereinander und eine gewisse Solidarität unter Gleichgesinnten wurden gefördert. Soziales, verordnetes Trinken wurde unterschätzt. Zu kirchlichen, familiären Festen gehörte Alkohol dazu. Im Wirtshaus trafen sich alle. Um 1870 gab es auf 100 Einwohner bereits statistisch 4,8 Kneipen. Es war ein Wirtschaftsfaktor geworden, da man Steuer zahlen musste. Ein Faktor für den Staat. Hierbei sollte nicht unerwähnt bleiben, dass es ab 1920 sogar eine starke Anti-Alkohol-Bewegung gab. Man wollte verhindern, dass das Ausland uns als dekadent (lat. verfallend, dem Niedergang geweiht) einschätzte. Regierungen mussten sich damit beschäftigen und Gesetze erlassen. Eindämmung vieler Schankstuben und solche Dinge. Zeigt uns nicht auch dieser kurze Abriss der Geschichte des Alkohols, dass wir sehr schnell gegen etwas sind, da uns das Wort Anti gefällt. Schnell gegen etwas sein, statt über einen vernünftigen Umgang nachzudenken. Das haben wir wohl in unseren Genen. Dieses „gegen etwas sein“ und nicht weiter bzw. erst später darüber vernünftig nachzudenken, da dieses „gegen etwas sein“ immer Probleme schafft und Verbotsgesetze sowieso. Bereits 1849 wurde vom schwedischen Arzt Magnus Huss Alkoholsucht zur Krankheit erklärt. Es gibt viele Begriffe dafür. Alkoholismus, Äthylismus, Dipsomanie, Potomanie und Trunksucht genannt. Erst 1951 setze es sich weltweit durch, als Krankheit anerkannt zu werden. Begründet durch den amerikanischen Psychologen Elvin Morton Jellinek, der ebenfalls die Gruppen der anonymen Alkoholiker einführte. Sie ist weltweit positiv aktiv. Gesellschaftlich ist es immer noch ein schwerer Stand, dieses doch unkontrollierte Trinken als Krankheit anerkannt zu sehen. Es geht nach meinen Erfahrungen immer nur darum, sich selbst zu erkennen. Wie ist mein Trinkverhalten? Schäme ich mich eventuell am nächsten Tag und habe das Bedürfnis mich irgendwie zu entschuldigen? Hatte ich einen Filmriss? Wollte ich bei Unterhaltungen andere Meinungen zulassen oder war ich stur und selbstherrlich? Es gibt noch weitere Dinge, die jeder für sich deuten sollte, vielleicht sogar dokumentieren. Eine gute Methode ist auch, sich vorzunehmen, mal drei Tage oder eine Woche dem Alkohol völlig zu entsagen. Wie fühle ich mich? Fehlt mir etwas? Die meisten denken doch, kein Problem. Glaubt mir, auch wenn man nicht betroffen ist vom übermäßigen Alkoholkonsum, kann es schwerlich sein. Ich erlaube mir, einfach mal aufzufordern, diesen Test durchführen, auch wenn es nur 3-5 Tage sind. Es ist kein Spaß, dieser Eigentest. Man erfährt etwas über sich selbst. Auch dies gehört zur Geschichte des Alkohols. Die Gesellschaft hat sich angewöhnt, dass man sich dieses Feierabendbier verdient hat. Eine tolle Sache. Nie zu verurteilen und es ist gut so. Bleibt es dabei? Wird dieses Ritual zur Gewohnheit, sollte man sich beobachten. Ist nicht der Gedanke kurz vor Arbeitsschluss extrem, dass man es kaum abwarten kann? Stellt die Ehefrau es schon hin oder begrüßt dich damit an der Eingangstür? Der Bierdeckel knallt beim Öffnen, die Kinder hören es und wissen, der Papa ist zu Hause. War das eben übertrieben? Wir sprechen vorrangig von Männern. Was ist mit den Frauen? Die Dunkelziffer ist sehr hoch. Geprägt auch durch das Patriarchat. Frauen zu Hause, Kinder erziehen und solche Dinge. Die Verführung des Wohlbefindens durch ein Schlückchen neben der Hausarbeit ist sehr groß. Selbstverständlich auch durch den Feminismus als Erweiterung. Was die Männer können, können wir schon lange. Es heißt Mädelsabend. Dort kann es beginnen, erlaube ich mir zu nennen, ohne es als sehr negativ zu betrachten bzw. den Frauen auf die Füße treten zu wollen. Die Gesellschaft nimmt es kaum wahr. Sie will es nicht. Es passt nicht in diese Gesellschaft. Der Anteil von gefährdeten und auch schon süchtigen Frauen ist sehr hoch. Erwähnenswert ist vielleicht auch noch, dass der Trend zu Sekten und Schamanismus und so etwas gerade bei Frauen sehr hoch ist. Aber wie gesagt, wenn es hilft und keinen finanziellen Ruin bedeutet, dann, warum nicht. Es ist vielleicht interessant, als ich 1992 zur Alkohol-Entziehungskur ging, waren über die Hälfte aller Hilfesuchenden Frauen. Betrachten wir es bitte als positiv. Können wir es nicht so erkennen, dass Frauen schneller einsichtig sind? Ein Problem konstruktiver erkennen und handeln? Wir Männer sind eher so, dass es irgendwie zu uns gehört und wir dieses Problem vor uns herschieben. Was wären die Skatrunde, das gemeinsame Fußballgucken oder das Treffen zum Feierabendbier in der Eckkneipe denn ohne uns? Wir müssen doch den Kumpels beim Bier die Weltpolitik oder das System erklären. Ich denke, Frauen erkennen in ihrer Verantwortung für die Kinder und als Familienmanager eher etwas. Ihr Körper reagiert empfindlicher und die Gesellschaft in diesem Punkt Mann-Frau trägt sowieso dazu bei. Was sagen eigentlich Suffragetten (Frauenrechtlerinnen Anfang des 20.Jahrhunderts) damals und heutige kämpfende Frauen für die Emanzipation, dass auch Alkoholismus zu Frauen gehört? Eine nicht offen diskutierte Gleichberechtigung. Das war nicht ironisch. Nehmen wir doch einmal die Anti-Alkohol-und Abstinenzbewegung in Deutschland. Die Industrialisierung Deutschlands im 19. Jahrhundert stellte besondere und neue Anforderungen an das Volk. Das Ausschweifen durch übermäßigen Alkoholmissbrauch konnte sich nach Vorstellungen des Bürgertums mit einem Wandel durch kompliziertere Arbeitsabläufe kaum vereinbaren. Es entstand eine sogenannte Bürgerkritik, man untersuchte das Trink-Konsum-Verhalten und gründete 1883 den „Verein gegen den Missbrauch geistiger Getränke“. (DVMG) Prominentester Unterstützer war damals Kaiser Wilhelm II. Dem Grunde nach sollte es ein politisch neutraler Verein sein. Wie so oft bei Vereinen kamen Menschen mit weltanschaulichen und auch religiösen Ansprüchen zusammen. Der politische Aspekt fand Einlass. Das bedeutete, dass die einen die damalige Arbeiterklasse integrieren wollte ins sogenannte gesellschaftliche Leben des Kaiserreiches. Andere jedoch, die unüberbrückbare ideologische Differenzen sahen, gründeten daneben eine proletarische Anti-Alkohol-Bewegung. Zwei sind besser als keine. Heute würden wir sagen unter dem Mantel der Demokratie oder besonders der Motive der heutigen Grünen-Partei, dass es Einschnitte sind. Was meine ich? Damals wollte man Einfluss nehmen auf Gesetzesvorlagen und Durchsetzung mit dem Ziel, per Gesetz Alkoholmissbrauch einzudämmen. Man wollte den Ausschank an Minderjährige verbieten, ein Alkoholverbot am Arbeitsplatz, notorische Trinker wurden erfasst und durften nichts kaufen, kurze Öffnungszeiten in Schankstuben. Alles unter dem Aspekt, dass Alkoholkonsum keine Privatsache ist und der Gesellschaft schadet. Hört sich alles gut an. Jedoch wissen wir, Verbote werden umgangen (siehe Prohibitionsgesetze in den USA der 30-igerJahre). In Erkenntnis dessen wurden die Alkoholforschung und die Breitenaufklärung der Bevölkerung positiv gefördert. Hier kommen wir zu dem, was noch heute im 21. Jahrhundert bewusst gestaltet wird. Es geht um Profit. Heute wohl noch bedeutet aggressiver als damals im wohl seltsam verstandenen Kapitalismus. Es geht immer um Geld. Damals, als mit dem Wohlwollen des Kaisers Wilhelm II. eine Gesetzesvorlage zur Eindämmung der Trunksucht vorgelegt wurde, kam es nicht zur Abstimmung, da die Einflussreichen der oberen Gesellschaft, die mit dem Alkoholbrennen und Verkauf sehr gut verdienten, dieses Gesetz im Vorfeld abschmetterten. Ich finde es sehr interessant und nicht verwunderlich. Muss man sich nicht die Frage stellen:
„Welche Farbe hat dein Gehirn?
Die Farbe des Geldes?“
Es ist noch heute so und sogar verstärkt. Dieser Abschnitt der „Alkohol-Geschichte“ in Deutschland gehört ebenso zur Abrundung von Verfehlungen mit Ideen, die anfangs „gut“ erscheinen.
Gehen wir mal weiter.