Der Zthronmische Krieg. Matthias Falke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Matthias Falke
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Научная фантастика
Год издания: 0
isbn: 9783957770417
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Irgendwo hatte sich das blaue Licht der Sonne β Horus in dem Segment eines Schiffes gespiegelt und brach als kalte Flut über die SkyLounge herein. Die Polarisierung der Elastalglaskuppel hatte sich selbsttätig vertieft. Dennoch war der Raum für eine Weile in unwirkliches Gletscherlicht getaucht. Die Gesichtshaut des alten Philosophen wirkte mit einem Mal grau und leichenhaft.

      »Die Kleine spielt mit dem Feuer«, sagte er.

      Dr. Rogers unterdrückte ein verächtliches Lächeln nur unzureichend. Es sah aus, als sei ihm abermals der Whiskey aufgestoßen.

      »Sie hat die Unbeugsamkeit ihres Vaters!«

      Laertes schien nicht gewillt, auf den frivolen Tonfall einzuschwenken.

      »Muss das wirklich sein?«, fragte er resigniert. »Müssen wir die Zwischenfälle auch noch provozieren?«

      »Was willst du?«, brauste Dr. Rogers auf. »Du hast selbst gesagt, dass uns der ganze Laden um die Ohren fliegt, wenn wir einmal nachgeben. Wenn wir nicht einmal mehr Nachschub zu unseren Basen schaffen können, können wir die ganze Veranstaltung namens Imperium gleich abblasen!«

      Laertes schüttelte den Kopf.

      »Es ist zu offensichtlich«, sagte er. »Selbst wenn es zu einem Scharmützel kommt und selbst wenn wir es für uns entscheiden, gerade dann …«

      »Das will ich doch schwer hoffen«, fuhr der pensionierte General ihm übers Wort. »Diesmal sind wir schließlich gewarnt.«

      »Gerade dann«, fuhr der Philosoph unbeeindruckt fort, »wird man es uns als böses Kalkül auslegen.«

      »Diese Art zu denken«, knurrte Dr. Rogers, »wird sich mir nie erschließen.«

      »Man wird sagen«, hob Laertes die Stimme, »wir hätten es darauf angelegt!«

      Rogers schlug mit der Faust auf den Tisch, dessen gravimetrisches Feld für einen Augenblick summte und knisterte.

      »Dann darf ich mich überhaupt nicht mehr bewegen!«, tobte er. »Ich könnte ja überfallen werden. Und dann könnte man hinterher sagen, ich habe überfallen werden wollen, um einen Vorwand zu haben, nach der Polizei zu schreien.«

      Laertes blickte ihn offen an. Sein Schweigen wirkte ernüchternd auf den alten Haudegen, der drauf und dran gewesen war, sich wieder einmal in seine geliebte Rage zu reden.

      »Jennifer bekommt den Frachter«, sagte Rogers. »Und ein Geschwader schneller Jäger hält sich mit programmierten Sprungvektoren bereit. Reynolds’ ingeniöse Quantenbox macht es möglich, in Echtzeit Hilfe durch den Hyperraum zu schicken.«

      »Ich sage ja nicht«, führte Laertes seinen Gedankengang zu Ende, »dass es logisch oder überzeugend ist. Aber ich fürchte, es wird dennoch so kommen!«

      »Dann scheiß drauf!«, polterte der Texaner.

      »Es wäre sogar denkbar«, spann Laertes den Faden aus reinem Widerspruchsgeist noch ein wenig fort, »dass sie auf Baisse spielen und sich von unserer Übermacht überrumpeln lassen. Ein paar ihrer Leute zu opfern, stellt für sie ja offensichtlich kein Problem dar. Und wir kämen einmal mehr als diejenigen an den Pranger, die überzogen reagieren und blindwütig um sich schlagen.«

      »Wir verteidigen nur unser Eigentum und unsere Rechte«, sagte Dr. Rogers.

      »In den Augen der Dritten, aller kleinen und militärisch schwachen Völker, werden wir als die eigentlichen Aggressoren dastehen.«

      »Umso besser! Dann werden sie sich in Zukunft zweimal überlegen, mit wem sie anbandeln!«

      Die beiden stemmten die Blicke ineinander. Dann entspannten sie sich wieder. Es war nur ein Schaukampf gewesen. Ein Strategiespiel. Ein möglicher Ablauf dessen, was sich vielleicht schon morgen oder übermorgen realiter auf dem Kongress ergeben könnte.

      »Wir müssen aufpassen, dass wir nicht überreizen«, sagte Laertes, als sich die inszenierten Wogen wieder geglättet hatten.

      »Wir sind rein defensiv«, gab Dr. Rogers zurück. »Wir verfahren nach der Strategie der flexible Response. Wenn der Gegner eskaliert, eskalieren wir auch. Dann wird man sehen, wer den längeren Atem hat.«

      Laertes hatte den Zeigefinger ausgefahren. Jetzt stach er ihn seinem alten Weggefährten mitten in die Brust.

      »Siehst du?«, versetzte er mit einem Beigeschmack von rhetorischem Triumph. »Darum ging es mir die ganze Zeit. Müssen wir wirklich mit den Zthronmic darum wetteifern, wer brutaler ist? Wer zu mehr Grausamkeiten fähig ist? Ein erstes Exempel ihrer – Fertigkeiten haben sie schon abgeliefert.«

      Rogers schien der Debatte müde zu sein.

      »Erstes strategisches Gesetz«, sagte er im leiernden Tonfall einer Vorlesung, die er schon hundertmal gehalten hatte, »den Krieg dorthin tragen, wo er herkommt. Und zweitens: so früh wie möglich klarmachen, dass man zur größtmöglichen Härte entschlossen ist.«

      Er senkte einen tiefen Blick in Laertes.

      »Alles Appeasement der Geschichte hat nicht einen Krieg verhindert – nur die, die kamen, noch schlimmer gemacht.«

      »Dann bekommt Jenny ihren Frachter«, stellte Laertes fest.

      »Sie bekommt ihn«, nickte Dr. Rogers. »Und vielleicht fallen uns ja noch ein paar Überraschungen ein.«

      Die Gläser waren geleert. Die übrigen Gäste der SkyLounge waren längst gegangen. Nach Bordzeit der MARQUIS DE LAPLACE war Mitternacht vorüber. Die Ordonnanz hatte sich schon einige Male laut und vernehmlich geräuspert, geräuschvoll die Gläser weggeräumt und sich an ihrer Theke zu schaffen gemacht. Ihre via KomLog eingefädelte Verabredung wartete vermutlich schon, zwei oder drei Etagen tiefer im dreidimensionalen stählernen Labyrinth des riesigen Schiffes. Dennoch wagte sie natürlich nicht, die beiden Alten direkt zum Gehen zu drängen. Mit der Schwere von Männern, die zu müde sind, um aufzustehen und nach Hause zu gehen, hockten der pensionierte General und der selbst ernannte Chefideologe da und starrten vor sich hin.

      »Wiszewsky liegt im Sterben«, sagte Laertes nach einer Weile.

      In Rogers’ gerötetem Gesicht war keine Regung zu erkennen.

      »Hab’s gehört«, brummte er.

      »Die Komarowa ist bei ihm«, fügte Laertes noch an. Dann musste er schmunzeln, denn das war sie ja all die Jahrzehnte permanent gewesen. Von den Anfängen der interstellaren Exploration bis zur Schlacht um Sina war sie buchstäblich nicht von der Seite des Commodore gewichen. Jetzt begleitete sie ihn auf seinem letzten Gang.

      Auch Rogers hatte unwillkürlich grinsen müssen, als er sich das ungleiche Paar vor Augen führte. Der stets zerstreut wirkende Wiszewsky, der die MARQUIS DE LAPLACE mehrere Dezennien lang wie ein Duodezfürst regiert hatte – und die püppchenhafte Weißrussin, die während der ganzen Zeit wie nur je eine Mätresse an ihm geklebt hatte.

      »Die Goldene Generation stirbt aus«, sagte der Veteran der beiden größten Schlachten, die die raumfahrende Menschheit je geschlagen hatte.

      »Wir sind die Letzten«, nickte Laertes.

      Nach einer Weile erhoben sie sich schwankend und taumelten, einander unterfassend, zum Elevatorschacht. Das Kraftfeld baute sich selbsttätig auf, als sie die unsichtbare Sperre der KI durchschritten. Dann glitten sie einige Hundert Stockwerke senkrecht hinunter zu den Wohntrakten und Offiziersunterkünften der MARQUIS DE LAPLACE.

      Pater Bel I

      Pater Pu Rhea Bel hatte die Nacht vom 4. auf den 5. Shalem der Periode 10-294 in Gebetshaltung vor seinem Meditationskaktus verbracht. Zwar war er am Abend zur gewöhnlichen Stunde zu Bett gegangen, aber kurz nach Mitternacht hatten ihn ferne Erschütterungen und Detonationen geweckt. Er hatte sich den Morgenmantel übergeworfen und war auf das Vordach seines Pueblos gestürzt, dessen weiß gekalkte polyedrische Flächen in der klaren sternenhellen Nacht bläulich geleuchtet hatten. Im Frost der Stunde leicht zitternd, hatte er zum Himmel aufgesehen, der von mächtigen Explosionen durchzuckt wurde. Eine Art Wetterleuchten pulste