Der Zthronmische Krieg. Matthias Falke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Matthias Falke
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Научная фантастика
Год издания: 0
isbn: 9783957770417
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besah.

      »Lieutenant Milesi ist zur Schulung in Pensacola, falls du das meinst«, antwortete er abwesend. »Rufst du mich deshalb an?!«

      »Ich wollte mal sehen, was du so treibst!«, entgegnete sie.

      Dann beugte sie sich vor und änderte die Übertragungsrate.

      »Wir gehen auf Audiokanal«, verkündete sie. »Die Qbox ist teilweise erschöpft. Wir dürfen ihre Kapazität nicht vorzeitig aufbrauchen, und der LiveStream frisst zu viele Bytes …«

      Die Matrix brach zusammen. Der Bildschirm wurde schwarz. Nur noch ein blinkender Schriftzug teilte mit, dass sie weiterhin online mit der Brücke der MARQUIS DE LAPLACE verbunden war, zehntausend Lichtjahre entfernt.

      Ihr ging auf, dass es für Norton wie reiner Sadismus wirken musste. Sie präsentierte sich in einem ihrer erlesensten Negligés, um dann den Monitor zu löschen. War sie grob? Er hatte versöhnlich geklungen und ausgerechnet an diesem Abend gab sie sich kurz angebunden. Andererseits brauchte er nicht immer so leicht davonzukommen.

      »Bist du noch da?«, fragte sie zögernd.

      »Ich kann dich hören«, kam seine Stimme. »Aber das ist nicht das Gleiche …«

      Sie musste unwillkürlich glucksen.

      »Willst du Telefonsex machen? Über ein paar Hundert Parsecs?«

      Auch er unterdrückte auf der anderen Seite ein halblautes Prusten.

      »Das wäre zumindest ein neuer Rekord.«

      »Lass uns zur Sache kommen«, sagte Jennifer. »Wie ist die Besprechung bei euch aufgenommen worden?«

      »Ganz gut …«

      Sie sah es vor sich, wie er die Achseln zuckte.

      »Keine Beanstandungen – was mich gewundert hat. Keine weiteren Kommentare.«

      »Das wundert mich«, sagte sie leise.

      »Rogers scheint es leid zu tun, dass er nicht dabei sein kann. Aber es ist besser so. Er wird allmählich alt.«

      »Rankveil?«

      Je weniger aus dieser Richtung kam, umso nervöser wurde sie.

      »Hat sich alles angehört, hat alles abgenickt und ist dann wieder gegangen.«

      Jennifer holte Luft.

      »Irgendetwas führt er im Schilde. Allein schon, um seine Zuständigkeit unter Beweis zu stellen, muss er doch etwas aushecken!«

      »Was soll er tun?«, fragte Norton gleichgültig. »Er hat nichts in der Hand. Noch hat er keinen Stab, kein eigenes Schiff, nicht einmal so ausgefeilte Kommunikationsmittel, wie wir sie hier missbrauchen.«

      Was war denn los mit ihm, fragte Jennifer sich im Stillen. Frank wirkte so aufgeräumt. Entweder hatte er gerade mit der Kleinen gevögelt oder er hatte sie tatsächlich zur Schulung geschickt und war froh, sie loszuhaben. Über keines von beiden vermochte sie sich so recht zu freuen. Und dennoch sendete er versöhnliche Signale aus.

      Ihr wurde bewusst, wie absurd die Situation war. Bis gestern hätten sie einander jeden Tag sehen können, waren sich aber aus dem Weg gegangen. Und nun saßen sie Billiarden Kilometer voneinander entfernt in den winzigen Kabinen ihrer Schiffe und verzehrten sich nacheinander. Sie fragte sich, ob sie den ganzen Trip nur angestrengt hatte, um genau diese Empfindung herbeizuführen. Es waren schon Kriege angezettelt worden, weil ein Liebespaar nicht den rechten Ton gefunden hatte.

      »Dann lassen wir die Sache also steigen«, stellte sie fest.

      »Die Staffelführer sind instruiert«, kam es von drüben. »Sie halten sich im erdnahen Raum bereit. Die Sprungkoordinaten sind ihnen auf abhörsicheren Qverbindungen übermittelt worden. Reynolds selbst hat das bewerkstelligt. Er hat ein System ausgeklügelt, wie auch mehrere Partner an solchen Quantenkommunikationen teilnehmen können. Jede Qbox besteht eigentlich aus mehreren Modulen, die irgendwie über Kreuz miteinander verschränkt sind, sodass sie jeweils als Relais dienen und man sie miteinander vernetzen kann … So irgendwie. Du würdest das mit Sicherheit viel besser kapieren als ich.«

      Dass er ein bisschen zu dumm für seinen Job sei, war eine seiner Maschen, auf die man nicht immer eingehen musste.

      »Umso besser«, sagte Jennifer knapp. »Dann können wir den Einsatz noch enger koordinieren.«

      »Wenn er denn nötig wird«, wandte Norton ein.

      Aber ihnen beiden war bewusst, dass dieses Wenn rein hypothetisch war. Die Zthronmic würden die Gelegenheit nicht verstreichen lassen. Ihnen musste klar sein, dass es sich um eine Falle handelte. Aber nach Muqa Zthés auftrumpfender Rede vor dem Konvent war auch klar, dass sie viel zu selbstbewusst waren, um einer solchen Falle auszuweichen. Sie würden es darauf ankommen lassen.

      »Dann also: Gute Nacht!«

      Der Satz war zweideutig. Sie ließ ihn in der Schwebe. Doch als sie sich schon verabschieden wollte, sprang plötzlich die Videofunktion wieder an. Noch einmal baute sich das HoloBild auf. Franks graublaue Augen waren auf einmal ganz nahe vor ihr.

      »Ich wollte dich noch einmal sehen«, sagte er linkisch. Immer wenn er den großen Buben spielte und sich seiner Sentimentalität hingab, war er besonders süß. Natürlich wusste er das auch.

      »Da bin ich«, gab Jennifer zurück. Sie registrierte, dass sie einen Kloß im Hals hatte.

      Über einen Abgrund von abertausend Lichtjahren sahen sie einander an.

      »Pass auf dich auf!«, sagte Norton leise.

      Dann war die Übertragung beendet.

      Am Morgen marschierte Jennifer alert auf die Brücke der Raumstation Alpha Ceti Tau. Während der Nacht war nichts vorgefallen. Jetzt begab sie sich zu Kommandant Borissowitsch, um gemeinsam mit ihm das Eintreffen des Versorgungsfrachters ENCOURAGE IV abzuwarten.

      Der Kommandant saß vor seiner Konsole und studierte die hereinkommenden Meldungen. Dabei mampfte er etwas aus einem selbsterhitzenden Elastilbehälter in sich hinein. Es sah aus wie recyceltes Müsli, in dem kleine Fleischstückchen trieben. Jennifer hätte sich beinahe der Magen umgedreht.

      »Wie war die Nacht?«, fragte sie, bemüht, sich die Irritation nicht anmerken zu lassen.

      Borissowitsch sah kaum von seinem Frühstück auf. In zusammengesunkener Haltung, die seinen runden Rücken noch runder, die hängenden Schultern noch hängender erscheinen ließ, schlang er vor sich hin.

      »Angenehm ruhig«, sagte er undeutlich. Dennoch schien er die Worte zu betonen. »So ruhig, wie wir es vor Ihrer Ankunft immer hatten.«

      Jennifer zuckte die Achseln.

      »Und unten?«

      Sie trat an die mächtige, konvex gekrümmte Scheibe aus polarisiertem Elastalglas. »Unten«, das war der Planet Zthronmia, dessen zinkoxidfarbene Wüsten und Gebirge in der Tiefe dahinzogen. Rostrote und ockerbraune Landstriche, die so menschenleer und gottverlassen waren, als hätte nie ein lebendes Wesen diese Welt betreten. Und doch war sie zum Zankapfel geworden. Möglicherweise zum Auslöser eines interstellaren Erbfolgekrieges.

      »Erstaunlich friedlich«, kaute der Russe. »Ein paar Scytherangriffe auf amishe Kibbuze. Die Opferzahlen werden gerade kompiliert.« Er schlürfte geräuschvoll den Grund der Schüssel aus und wandte Jennifer sein aufgedunsenes Gesicht zu. »Nicht halb so schlimm wie gestern, beispielsweise.«

      Die Daten würden aufbereitet und komprimiert, auf eine Warpdrohne überspielt und zum Torus gefeuert werden. Dort würden sie automatisch ins StabsLog überschrieben und auf diese Weise »veröffentlicht« werden. Jeder, den es interessierte, würde sich ein Bild machen können. Auch in dieser Nacht war es auf Zthronmia nicht ruhig geblieben. Ruhiger als in der vorangegangenen Nacht allerdings, und das würde in der an prozentualen Verschiebungen und Ableitungen orientierten Öffentlichkeit als Erfolg erscheinen.

      »Es gab Opfer«, stellte sie nüchtern fest.