Das Kartell der Skorpione. Mario Monteiro. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mario Monteiro
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Короткие любовные романы
Год издания: 0
isbn: 9783954883288
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sollen wir verrecken hier!«

      »Den hat’s erwischt!« Robbys Nachbar blickte auf den Boden. Vorsichtshalber stupste er den Buben »Runter.«

      Guck ja nicht dorthin, konnte das nur heißen. Robby kratzte sich in der Achselhöhle. Völlig unverdächtig. Dino stampfte herüber. Vor dem Schreier blieb er stehen. Wumm! Dann hatte er schon eine. Dinos Fuß landete zwischen den Rippen seines Opfers. Gelächter. Dann kriegte er noch eine in die Nierengegend. Der Kerl schrie auf.

      Das Gelächter verstummte. Robbys Finger verkrampften sich. Eisige Luft wehte über die Fingerspitzen. Er schloss die Augen und versuchte sich daran zu erinnern, wann sie ihn hergebracht hatten.

      ›Einlieferung in A-17‹ hatte der Beamte mit dem Wisch in der Hand vorgelesen. Einlieferung! Die rechte Hand auf den Rücken gebogen und mit Fußtritten vor sich hergestoßen. Einlieferung. Dabei wollte es Robby doch noch einmal im Alteisendepot probieren. Scheiße. Auf dem Weg dorthin Straßensperre. Und dann hatten sie ihn vom LKW runtergeholt. Rein in A-17. Gummischlauchbehandlung.

      Und ihn nach Sachen fragen, von denen er doch nicht die geringste Ahnung hatte. Er hatte doch keine Schuld. Alles nur wegen dem bisschen Schoko, das er unter seinem T-Shirt verschwinden ließ.

      Dabei hatte er kein Gramm Crack in der Tasche. Danach suchten sie doch immer zuerst. Warum steckten sie ihn dann nicht ins ›Febem‹? »Kindergartenkäfig«, sagte einer ganz laut. Robby verstand nicht, weshalb sie lachten. Er verstand überhaupt noch nicht viel. Nur dass er die Klappe halten sollte, das hatte er gleich am ersten Tag gelernt. Maul halten, Maul halten, immer schön die Klappe zu.

      Gestern hatten sie ihn den ganzen Tag über nicht in Ruhe gelassen. Stundenlang musste er an der klatschnassen Mauer stehen und sie ließen ihn nicht pinkeln, bis er es nicht mehr aushielt und die Brühe in die Hose lief.

      »Elender Seichmatz!« Das Viech langte nach seinem Schwänzchen.

      »Au!« Plötzlich ließ ihn der Kerl los. Dann lag er selber im Dreck.

      »Du Drecksau!« Boris hatte ihn im Genick und stieß mit dem Hacken zu. Dann holte er Robby zu sich in die Ecke.

      »Du musst aufpassen mit den Burschen«, warnte Robby. »Weißt du schon, was sie machen, wenn es zu viele werden? Wenn kein Platz mehr da ist zum sitzen und keine Luft zum schnaufen? Dann wird einer ausgesucht und den murksen sie ab. Mitten in der Nacht, wenn die meisten schlafen.«

      Robby riss entsetzt die Augen auf. »Ab...murksen?«

      Boris nickte ernst. »Zum ersten mal geschnappt?«

      »Sim.«

      Im milchfarbenen Licht der Lampe, die draußen auf dem Laufgang brannte und den Schatten des Gitters auf die Halbnackten warf, schien das braune Kindergesicht wachsbleich zu werden.

      »Der Stärkste schleicht durch die Zelle und legt dem Kerl, auf den das Los fiel, die Drahtschlinge um den Hals. Und dann, vapt di vupt, einfach zuziehen.« Boris verdrehte seine Hände und spuckte in die Ecke.

      »Pimba«, und dabei grinste er auch noch. . »Endstation ... kapiert?«

      Robby grauste es vor Dino. »Darf ich?«, flüsterte er.

      Boris verstand.

      »Okay, bleib hier hocken. Es geht immer ganz schnell. Aber hinter Kinder geh’n sie nicht. Sag mal, was machst du hier überhaupt?«

      Robby schwieg.

      »Willst du’s nicht sagen? Los komm schon, wie alt?«

      »Ich weiß es nicht ... so ganz genau.«

      »Was, du weißt es nicht?«

      »Zwölf letztes Jahr, sagte mir die Tante.«

      »Was für eine Tante?«

      »Eine Tante eben. Die hat mir manchmal zu essen gegeben und mich bei ihr schlafen lassen. Aber dann, auf einmal ist sie gestorben und ich wusste nicht wohin ich sollte.«

      »Und dein Vater?«, machte Boris weiter.

      Robby schüttelte den Kopf.

      »Den hab ich nie gesehn.«

      »Und deine Mutter? Was ist mit deiner Mutter?«

      Robby hielt seinen Daumen nach unten. So war das also.

      »Hat der Martinez deinen Ausweis gesehen?«

      »Hab doch keinen.«

      Also ohne Ausweis. Und natürlich keinen Geburtsschein. So wie alle, die unter den Viadukten hausen und nicht wissen, wie sie zum nächsten Bissen kommen sollen. Seine Mutter hätte kein Geld für einen Geburtschein gehabt, hatte sie ihm einmal erklärt, kurz bevor sie starb.

      Boris nickte. Das Übliche. Kein Geburtsschein, kein Name, keine Schule, kein Recht. Und eines Tages. Wer nie gelebt hat, braucht auch keinen Totenschein. Wozu denn?

      »Also zwölf bist du gewesen letztes Jahr.« Boris schätzte ihn ab.

      Könnte immerhin sein. »Folglich bist du jetzt dreizehn«, bestimmte er. »Jedenfalls bist du minderjährig. Weißt du, was das heißt?«

      »Nein.«

      Boris nahm seine massiven Hände von den abgemagerten Schultern des Jungen.

      »Das heißt, dass sie dich nicht hier reinschmeißen dürfen. Hier, zu den Großen.« Boris balancierte den Zeigefinger hin und her. »Das dürfen sie nicht, laut Gesetz!«

      Der Kleine zuckte mit den Schultern. Woher sollte er das wissen? Und wenn schon. Fragte der Martinez vielleicht danach? Die droben machen doch sowieso, was sie wollen. So wie gestern.

      Martinez hatte dem Sargento nur ein Zeichen gegeben. Zuerst mit dem Nietenriemen. Zwischendurch schrie ihm Martinez ins Ohr. Und dann hatten sie ihm den Eisenstab mit den spitzen Zacken gezeigt und ihm erklärt, wie seine Füße um den Stab gefesselt würden, wenn er jetzt nicht alles sage.

      »Was hast du ausgefressen?«

      »Geklaut«, flüsterte Robby. »Im Super. Kekse und ... Schoko. Wir hatten doch Hunger.«

      »Was! Kekse und ... Schokolade? Nur Kekse und Schokolade?«

      »Nein«, gab Robby zu. »Es war nicht nur deshalb.«

      »Aha!«

      Was hatte es für einen Sinn, nicht damit herauszurücken?

      »Also nicht nur Kekse?« Robby stierte auf seine wunden Zehen und stotterte. Zum hundertsten Mal die gleiche Geschichte. Haargenau wird er alles von neuem erzählen. Und aufpassen, dass er ja nichts vergisst. Vor allem das mit Arminio nicht. Und den hatten sie ja nur gekriegt, weil er sich so dusselig angestellt hatte.

      »Gleich am ersten Tag haben sie ihn geschnappt.«

      »Arminio ... also los, wer ist Arminio? Ein Freund?«

      Robby nickte.

      »Also weiter!«

      »Der Aufseher hat ihn mit der aufgerissenen Kekspackung erwischt. Und aufs Büro geschleift. Wir haben ihn von draußen schreien hören. Zu dritt, der Geschäftsführer, der Aufseher und noch so einer. Wir sind doch nur rausgekommen, weil Jacó zufällig ein paar Reais in der Tasche hatte. Damit hat er an der Kasse gezahlt und wir standen hinter ihm und nix wie raus aus dem Super.«

      »Okay! Und was war mit Arminio?«

      Robby schwitzte plötzlich. Immer fing er an zu schwitzen, wenn ihn jemand nach Arminio fragte. Und dann sah er den Freund wieder vor sich. Genauso wie damals im Super, als der Aufseher hinter ihnen her war.

      »Los, mach schon!«, drängte Boris.

      »Sie haben ... Arminio ...«, eine einzelne Träne stand im Auge des Jungen, »sie haben ihn doch in die Kühlkammer gesperrt. Dort wo das Fleisch drin hängt. Nur zur Strafe, hätte der Chef vom Super gesagt.

      »Und