Abb. 7: Schreiben der „provisorisch beibehaltenen Regierung“ an das Mainzer Vizedomamt vom 17. November 1792 (Detail unten).
Abb. 8: Protokollextrakt des „provisorisch beibehaltenen Stadtgerichts“ vom 21. März 1793 (Detail unten).
Abb. 9: Unterschrift und Siegel des „provisorisch beibehaltenen Mainzer Stadtrats“. Ausschnitt aus einem in Französisch abgefassten Schreiben vom 11. November 1792.
Abb. 10: Siegel der von Custine eingesetzten Allgemeinen Administration.
Custines Plan, durch die personellen Änderungen in der Verwaltung auch politisch zuverlässige Beamte gewinnen zu können, ging jedoch nur zum Teil auf. Während einzelne ehemals kurfürstliche Beamte wie Ratzen und Macké sich in ihrem Amt im Sinne der Revolution betätigten, ließen sich andere nicht überzeugen. Wie der kurfürstliche Hofrat Johann Georg Reuter später gegenüber dem Kurfürsten erklärte, hatte er die Stelle in der Allgemeinen Administration nur übernommen, um die Geschäfte „unter Genehmigung des Überwinders“, also mit Erlaubnis Custines, „zum Besten der unglücklichen Stadt und Gegend, jedoch ohne Leistung neuer Pflichten fortzusetzen“, d. h. unbeschadet seiner Loyalität gegenüber dem Kurfürsten.22 Dass Custine den bewährten und integren Reuter in die Administration berufen hatte, um eine gewisse Kontinuität in der Verwaltung zu wahren, war von einigen Klubmitgliedern massiv kritisiert, von anderen aber mit dem Selbstbestimmungsrecht verteidigt worden. So hieß es im prorevolutionären „Bürgerfreund“, einer vom Mathematikprofessor Mathias Metternich herausgegebenen neuen Mainzer Zeitung, dazu apologetisch: „die Bestellung der obrigkeitlichen Stellen“ müsse „noch nach dem alten Systeme geschehen“, denn Mainz habe „sich noch nicht frei erklärt“.23 Doch das von Custine propagierte Selbstbestimmungsrecht entwickelte sich zunehmend zu einer Belastung für die Revolutionäre, denn alle ihre Maßnahmen wurden daran gemessen. So rechtfertigte der Munizipale (und ehemalige kurfürstliche Gewaltbote) Heinrich Nikolas Wolff seine Weigerung, sich zu den Grundsätzen von Freiheit und Gleichheit zu bekennen, mit dem Argument, er habe sein Amt nur unter der „Voraussetzung“ übernommen, dass „die Bürgerschaft die fränkische Konstitution annehmen“ werde.24 Anfang Januar 1793 wurde der Druck auf diese antirevolutionären Beamten jedoch so groß, dass die meisten zurücktraten. Dabei spielte eine wichtige Rolle, dass die rechtsrheinisch neugebildete kurfürstliche Landesregierung kurz zuvor in einem Rundschreiben alle im Dienst des Feindes stehenden Beamten zur Kündigung aufgefordert hatte. Eine unpolitische Amtsführung im Dienst der neuen Machthaber war seit Januar 1793 aber auch deswegen nicht mehr möglich, weil in der französischen Politik eine Änderung eingetreten war. Unter dem Eindruck der sich verschärfenden Kriegslage – das von den Franzosen besetzte Frankfurt war Anfang Dezember von den Reichstruppen zurückerobert worden – und angesichts des Widerstands in den besetzten Gebieten hatte der Pariser Nationalkonvent sich radikalisiert: Ein am 15. Dezember 1792 beschlossenes Gesetz bestimmte, in den besetzten Gebieten umgehend alle Institutionen des alten Regimes abzuschaffen. Unverzüglich waren neue Gemeinde- und Stadtvorstände sowie ein Parlament zu wählen. Wer sich dem entgegen stellte, sollte als Feind Frankreichs gelten. Das Gesetz bedeutete, um Franz Dumont zu zitieren, eine „radikale Wende“:25 Hatten Custine und die Mainzer Jakobiner sich bis dahin vom Prinzip leiten lassen, den Befreiten die Freiheit nicht aufzuoktroyieren, so galt ab sofort, die Revolutionierung auch gegen den Willen der Befreiten durchzuführen. Vom französischen Nationalkonvent und dessen Exekutivrat entsandte Kommissare sollten für die Umsetzung sorgen. Sie avancierten in der Folge zu den maßgeblichen Entscheidungsträgern der Mainzer Republik und entmachteten Custine weitgehend. Der Herrschaftswechsel, der unter Custine noch von einer größeren Rücksichtnahme geprägt war, wurde nun forciert, beseitigte allerdings auch jetzt nicht alle alten Institutionen.
Von Quellenverlusten: Der Jakobinerklub und die Krise der Revolutionierung
Von zwei Büchern wissen wir nur durch eine detaillierte Beschreibung in der Mainzer Nationalzeitung. Dort erschien am 7. November 1792 die Meldung, dass „im Saale der Konstitutionsfreunde“ (dem Akademiesaal im ehemals kurfürstlichen Schloss) ein rotes und ein schwarzes Buch ausgelegt seien: Das rote, in Saffianleder gebundene, mit einer Jakobinermütze verzierte Buch sei, so stand dort geschrieben, dazu bestimmt, die Unterschriften derer aufzunehmen, die sich zu den Idealen der französischen Revolution und der französischen Verfassung bekennen. Wer in dem in schwarzes Papier gebundenen, mit Ketten und mit der Überschrift „Sklaverei“ versehenen Buch unterschreibe, erkläre sich für die Beibehaltung des alten feudalen Systems. Wer gar nicht erscheine, der solle für einen „Freund der alten Sklaverei“ gehalten werden. Alle Männer über 21 Jahren wurden zur Unterschrift aufgefordert (Abb. 11a u. b).26 Hinter den Konstitutionsfreunden verbarg sich die „Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit“. Nach Straßburger und Pariser Vorbild hatte sie der Sekretär Custines, der Wormser Gymnasiallehrer Georg Wilhelm Böhmer, schon zwei Tage nach der Kapitulation (am 23. Oktober 1792) ins Leben gerufen. Denn auf die Verwaltung allein wollte man bei der Revolutionierung nicht vertrauen. Der Jakobinerklub sollte daher alle Demokraten vereinigen: Zu seinen Hochzeiten zählte der Klub fast 500 Mitglieder, darunter nicht wenige Handwerker. Tonangebend waren jedoch Intellektuelle wie der vormalige kurfürstliche Leibarzt und Medizinprofessor Georg Christian Wedekind, der oben bereits genannte Mathematikprofessor Mathias Metternich oder der Philosophieprofessor Andreas Joseph Hofmann, am Anfang auch Böhmer. Sie sahen nun den Anbruch einer neuen Zeit gekommen und waren wie Georg Forster von dem Wunsch beseelt, die „bedrückten, gemißhandelten, stillschweigenden Knechte[n] eines Priesters“ (nämlich des Erzbischofs und Kurfürsten Erthal) „in aufgerichtete, lautredende, freie Bürger“ zu verwandeln, „in kühne Freunde der Freiheit und Gleichheit, bereit, frei zu leben oder zu sterben“ (so lautete die Devise