Aufseherinnen auf dem Gelände des KZ-Außenkommandos der Polte-Werke, 1944/45
(Sammlung Baranowski)
Die Arbeit bei Polte wird von den Insassen übereinstimmend als schwer und kräftezehrend bezeichnet. „Ich arbeitete in einer Waffenfabrik, zwölf Stunden, abwechselnd bald tags, bald nachts. Die Arbeit war sehr schwer und erschöpfend“.57 Eine andere Ungarin erinnert sich: „Ich kam zur schwersten Arbeit. Wir mussten mit Eisen gefüllte zentnerschwere Kisten heben“.58 Auch Jolan Reich bestätigt: „Es herrschte Strenge, frühes Aufstehen, wir schleppten Kisten, und sie waren so streng, dass sie uns für den kleinsten Fehler mit dem Tod drohten“.59 Soweit bekannt ist, verstarben vier weibliche Häftlinge in den ersten beiden Monaten ihrer Gefangenschaft im Duderstädter Außenkommando. Ihre Beisetzung fand auf dem jüdischen Friedhof am Gänseweg statt.60 Am 25. Januar 1945 wurde eine der Frauen mit ihrem in Duderstadt zur Welt gebrachten Kind selektiert und nach Bergen-Belsen geschafft. Als ‚Ersatz‘ und zur Wiederherstellung der bisherigen Kopfzahl wurden dem Duderstädter Rüstungsbetrieb am 28. Januar 1945 fünf Frauen aus Bergen-Belsen zugewiesen.61 Anfang März 1945 kam die Produktion bei Polte fast vollständig zum Erliegen. Es bestand kaum noch eine Notwendigkeit, auf die Arbeitskraft der früher unverzichtbaren Häftlingsarbeit zurückzugreifen. Am 4. März 1945 waren 35 und am 11. März nur noch 16 der vormals 750 Frauen im Betrieb eingesetzt. Mitte März 1945 rechnete die SS die bis dahin erbrachten Arbeitsstunden ab, was darauf hindeutet, dass das werkseigene Außenkommando bereits zu dem Zeitpunkt aufgelöst werden sollte.62
Als die amerikanischen Truppen dem Harz näher rückten, transportierte die SS am 5. April 1945 die KZ-Häftlinge in einer ‚Blitzaktion‘ mit Bussen und LKWs nach Seesen.63 Von dort wurden sie in geschlossenen Eisenbahnwaggons, aus denen sie nur für seltene Pausen herausgelassen wurden, in Richtung Theresienstadt transportiert. Die Fahrtroute führte über Magdeburg, Dessau, Wolfen, Leipzig und Dresden. Am 21. April 1945 erreichten die Frauen völlig entkräftet und ausgehungert Lobositz, wo sie Ziel eines Tieffliegerangriffs wurden. Wie viele von ihnen ums Leben kamen, ist nicht bekannt. Am 26. April 1945, nach fast dreiwöchiger Irrfahrt, trafen die Häftlinge des aufgelösten Duderstädter Außenkommandos in Theresienstadt ein. Am 9. Mai befreite die Rote Armee das Lager, das bereits am 2. Mai 1945 vom Internationalen Roten Kreuz übernommen worden war.64
Die Mühlenbau KG in Bad Lauterberg war wie Polte in Duderstadt ein metallverarbeitender Betrieb, der ab 1943 Teile für die A4-Rakete wie Halterungen und Gerätekreuze in den Kohnstein lieferte,65 aber auch 20-l-Benzinkanister herstellte. Ende 1944 beschäftigte der Betrieb 344 Personen.66 Die Hermann Weule Maschinenfabrik & Eisengießerei in Goslar arbeitete ebenfalls als Zulieferer der Heeresversuchsanstalt Peenemünde; sie erscheint erstmalig im April 1943 in einer Aufstellung über die Betriebe, „die mit der Herstellung des Gerätes A4 beschäftigt“ waren. Was die Firma genau herstellte, ist aus dem Dokument nicht ersichtlich, jedoch setzte sie ihre Tätigkeit auch für die unterirdische Produktionsstätte im ‚Raketenberg‘ bei Nordhausen fort.67
Die Arnold & Stolzenberg KG (Juliusmühle) bei Einbeck stellte Ketten und Kettenräder, zugleich Einzelteile für das Luftwaffenprogramm her.68 Die ebenfalls in Einbeck ansässige Fahrradfabrik Karl Heidemann lieferte Teile für Maschinengewehre, 2-cm-Sprenggranaten und Zündschrauben des Typs C12. Und in größerer Stückzahl verließen Infanteriekarren diese Fabrik.69 Das Ruwowerk Dassel war auf dem gleichen Gebiet tätig, es führte ab 1936 erste Rüstungsaufträge aus; ab 1939 spezialisierte es sich auf Maschinengewehrteile, insbesondere auf Feuerdämpfer und die Ummantelungen der Läufe. Gegen Ende des Krieges war offenbar die Herstellung von Teilen für V-Waffen geplant, aber dazu kam es nicht mehr.70 Die Eisenhütte Dassel und das Zweigwerk Zorge der Bergbau Lothringen AG hatten mit der Produktion von Werfergranaten ihr Tun.71 In Zorge stellte man unter anderem Maschinenguss für die Nordhäuser Maschinenbau und Bahnbedarf AG her. Die Lothringen AG hatte sich überhaupt auf den Guss von Motoren-Zylindern für die LKW-Industrie spezialisiert und erhielt daher im Herbst 1944 einen Großauftrag zur Bearbeitung der Zylinderköpfe des 4,5 t Büssing-Lastwagen.72 Ebenso führte die Herzberger Eisen- und Stahlgießerei Pleißner wichtige Rüstungsaufträge aus und belieferte die Wehrmacht mit Feldhaubitzgranaten, Nebelwerfern und Kettenantriebsgehäusen des Panzerkampfwagens „Tiger“.73
Die Lauterberger Mühlenbau KG „Miag“ (Foto Lindenberg)
Im Oktober 1934 erwarb die Harkort-Eicken-Stahl GmbH, ein Tochterunternehmen der Dortmunder Hoesch AG, die im Juli 1912 stillgelegte Silberhütte St. Andreasberg. Noch bis 1929 hatten die Harzer Werke „Glück Auf“ (Inhaber Dr. Rudolf Alberti aus Goslar) in den Gebäuden hauptsächlich Spielwaren hergestellt. Die neu gegründete Metallwerk Silberhütte GmbH übernahm zugleich den weiteren Grundbesitz der Silberhütte (Vereinigte Werke Dr. Rudolf Alberti & Co., später Werk I), dazu noch die Gebäude der Bauholzwerke und Kistenfabrik St. Andreasberg GmbH am Westbahnhof, später Werk II, sowie die der Firma C. W. Hertwig im Sperrluttertal, später Werk III, die jedoch an die Hoesch-Tochter Schmiedag weiterverpachtet wurden. Bis Ende 1935 baute die Metallwerk Silberhütte die Hallen in Werk I und II für ihre Zwecke um und erweiterte sie. Ab dem Frühjahr 1936 stellte der Hoesch-Zweigbetrieb in den übernommenen Räumlichkeiten Infanteriemunition her, vorwiegend Patronen und Ladestreifen für Standardgewehre der Wehrmacht.74 Ab 1941 dienten die Gebäude am Westbahnhof allerdings nur noch der Unterbringung zumeist russischer Zwangsarbeiter.75
Im Metallwerk Silberhütte waren Ende Dezember 1944 fast 1.200 Personen in der Rüstungsproduktion beschäftigt, darunter 659 Ostarbeiter (137 Männer/522 Frauen) und 75 Fremdarbeiter (55 Männer/20 Frauen).76 Im Werk III stellte die Schmiedag AG ab 1935 Artilleriemunition (Geschosshülsen der Kaliber 7,5 cm und 10,5 cm) her, jedoch belief sich die Belegschaft auf nur 263 Personen, darunter 155 ausländischer Herkunft.77 Die fertigen Hülsen wurden an die Heeresmunitionsanstalt in Kummersdorf bei Berlin geliefert.78 Auch die Langelsheimer Firma Paul Uhlig arbeitete spätestens ab Februar 1939 als Direktlieferant der Kriegsmaschinerie; sie produzierte Blech- und Stanzteile für Flugzeugmotoren, insbesondere für die Junkers-Werke in Dessau.79 Die Gewehrfabrik und Maschinenbaufirma Burgsmüller & Söhne GmbH in Kreiensen war gleich mehrfach in die Rüstungsproduktion eingebunden. Der Betrieb stellte vorwiegend 8,8-cm-Sprengranaten (18.340 Stück im 2. Quartal 1944), 8-cm-Werfergranaten (265.518 Stück im 2. Quartal 1944), Zünderzwischenstücke und Flugzeugteile her. Ende Februar 1944 hatte der Betrieb 343 Arbeitskräfte.80
Teilzerstörte Pleißner-Werkhalle für Feldhaubitzgranaten, April 1945 (NARA)