Planetenschleuder. Matthias Falke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Matthias Falke
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Научная фантастика
Год издания: 0
isbn: 9783957770288
Скачать книгу
mpty-line/>

      Matthias Falke

      Planetenschleuder

      © 2013 Begedia Verlag

      © 2007 Matthias Falke

      Umschlagbild - Alexander Preuss

      Covergestaltung und Satz - Begedia Verlag

      Lektorat - André Skora

      ebook-Bearbeitung - Begedia Verlag

      ISBN-13 - 978-3-95777-028-8 (epub)

      Besuchen Sie unsere Webseite

      Das ENTHYMESIS-Universum

      Eine Science-Fiction-Saga in sieben Trilogien

      1. Laertes

      2. Exploration

      3. Gaugamela

      - Planetenschleuder

      - Museumsschiff

      - Schlacht um Sina

      4. Zthronmic

      5. Tloxi

      6. Jin-Xing

      7. Rongphu

      Der Autor:

      Matthias Falke wurde 1970 in Karlsruhe/Baden geboren. Nach Abitur und Grundwehrdienst studierte er Musikwissenschaft, Literaturwissenschaft und Philosophie an den Universitäten Karlsruhe und Freiburg/Breisgau. Seit 1999 ist er freier Autor, Herausgeber und Übersetzer. Sein Stück »Kassandra-Szenen« wurde 2007 beim Ersten Autorenwettbewerb des Sandkorn-Theaters Karlsruhe mit dem Publikumspreis ausgezeichnet. Nach Ausflügen in nahezu alle literarischen Gattungen und Genres konzentriert sich Falke in den letzten Jahren zunehmend auf die Science Fiction. Seine Texte wurden mehrfach für den renommierten Kurd-Laßwitz-Preis nominiert.

      Falkes Novelle »Boa Esperanca« wurde 2010 mit dem Deutschen-Science-Fiction-Preis als Beste Kurzgeschichte ausgezeichnet.

      Matthias Falke ist verheiratet und Vater von zwei Söhnen. Er lebt in Karlsruhe.

Teil I - Die Bedrohung

      Kapitel 1. Kosmischer Hagel

      Jennifer lag uneinholbar vorne. Obwohl ich kilometerweit abgeschlagen war, machte es Spaß, ihr zuzusehen. Sie war die beste Pilotin der Union, und sie ließ ihr ganzes Raumgefühl in das Spiel einfließen. Ohne, dass es sie eine Anstrengung gekostet hätte, vertraute sie ihrer Intuition für komplexe dreidimensionale Bewegungen. Was wir auf komplizierte und fehlerhafte Weise berechnen mussten, das schüttelte sie aus dem Handgelenk. Sie bildete mit dem Queue ebenso eine organische Einheit wie mit der Steuerkonsole der Enthymesis, wenn sie diese sanft und millimetergenau in die Hangars des Großen Drohnendecks bugsierte. Sie vollführte ein lautloses, feierliches und elegantes Ballett, das nur vom Klacken des Zählmechanismus' interpunktiert wurde. Ihre Punktestand näherte sich rasch den Hunderttausend. Wenn das Reglement es zugelassen hätte, hätte sie in einer Simultanpartie gegen uns anderen als Team antreten können – und sie hätte uns vernichtend geschlagen. Selten habe ich sie so geliebt wie jetzt, da sie wie eine Katze um den Spielkäfig herumschlich, mit all der Gewandtheit, die sie ihrer Nahkampfausbildung verdankte, das virtuelle Queue hob, mir zuzwinkerte und dabei zum Schein die Stirn in Falten legte – ganz als ob sie sich konzentrieren müsse –, und dann den Stoß anbrachte, der den roten Superball aufleuchten und ihr Konto um weitere 1000 in die Höhe schnellen ließ.

      »Das gibt's doch gar nicht«, fluchte Reynolds, der nicht wusste, ob er lachen oder heulen sollte. Er ließ das Queue sinken, das er schon ungeduldig gehoben hatte.

      »Sie darf nochmal«, grinste Jill. Sie lag noch hinter mir, was man nicht einmal mehr als abgeschlagen bezeichnen konnte. Seit einer Viertelstunde war sie gar nicht mehr zum Zug gekommen, sodass sie sich ganz auf die Rolle der Beobachterin reduziert hatte. Und da sie offen mit Jennifer sympathisierte und es nicht wagte, gegen mich als ihren Vorgesetzten zu polemisieren, ließ sie ihren Spott auf Reynolds herabregnen, der mit jeder Runde nervöser und verbissener wurde.

      »Ich darf nochma-hal«, flötete Jennifer. Sie stolzierte um den Käfig herum und ließ uns bei ihren Überlegungen zusehen, wie sie eine möglichst vertrackte Situation herbeiführen könnte. Ihr kastanienbrauner Pferdeschwanz wippte selbstgewiss. Ihre weiße Freizeituniform mit den schlichten Schulterstücken leuchtete in der bunten Dämmerung des Spielsalons, dessen rasch wechselnde Farbsignale und Holo-Anzeigen sie widerspiegelte.

      An den anderen Billard-Käfigen und Spieltischen, wie auch an den Glücksspielrobotern und Scheibenholometern hatten die Spieler eine Pause eingelegt. Sie standen da, ihre Queues oder Scheibenschläger in den Händen, oder lehnten gegen die gravimetrischen Sockel ihrer Barhocker und sahen zu uns herüber. Sie alle hatten Respekt vor Jennifer und kaum einer dieser Captains oder Sergeanten hätte ihr in einer dienstlichen Situation in die Augen zu sehen gewagt, aber ihr Ruhm als gefürchteter Schwebebillard-Spielerin eilte ihr weit voraus, und wenn sie nun ihren WO und den Kommandanten dazu in einer spektakulären Partie deklassierte, war das ein Vergnügen, das man sich nicht entgehen ließ.

      Ich fing einen resignierten Blick von Reynolds auf, während Jennifer vor der gegenüberliegenden Front des Käfigs in die Hocke ging und das Queue anlegte, um zum vernichtenden Stoß auszuholen. Gebannt sah ich auf ihre Fingerspitzen, die die Stoßrichtung in hauchfeinen Nachführbewegungen justierten und auch in der zehnfachen Verlängerung des Spielgeräts kein bisschen zitterten. In der zusammengekauerten Haltung, die an einen antiken Diskuswerfer erinnerte, erstarrte Jennifer zu einer ausdrucksstarken Statue.

      »Was war das?«, flüsterte sie.

      Irgendetwas stimmte nicht. Auch ich hatte etwas registriert, obwohl ich nicht zu sagen vermocht hätte, was es war.

      In Zeitlupe ließ Jennifer ihr Queue sinken und richtete sich auf.

      Ich spürte ein Frösteln, wie es mich überläuft, wenn sich in meinem Rücken eine Tür öffnet.

      »Da ...!«, zischte sie und hob die Hand, als wäre es nötig, uns zur Aufmerksamkeit zu mahnen. Wie ein Dirigent den leisesten Misston seines Orchesters auffängt, der dem Publikum und selbst den Aufzeichnungsgeräten verborgen bleibt, und wie ein Ingenieur jede Unreinheit aus dem gleichmäßigen Summen seiner Maschinen heraushört, so hatten auch wir etwas gehört, das am untersten Horizont der Sinnenwelt angesiedelt war, aber dennoch den heiter gekräuselten Spiegel unserer Ausgelassenheit durchschlug ließ wie ein Stein den Spiegel eines unberührten Weihers.

      Wir alle hatten als Offiziere und Piloten, als Wissenschaftsastronauten, Techniker und Kommandanten eine tief eingewurzelte Vorstellung davon, welche Geräusche an Bord eines Schiffes erwünscht und welche unerwünscht waren, welche alltäglich waren, welche besorgniserregend und welche gefährlich, welche beruhigend – und welche ganz und gar unmöglich. Diese Kategorien waren seit Jahrzehnten zu unserer zweiten Natur geworden. Eine minimale Abweichung innerhalb ihres Schemas würde uns aus dem tiefsten Rausch, aus dem Liebesspiel, aus dem Schlaf und aus der Bewusstlosigkeit geweckt haben.

      Ein Geräusch, wie das, das nun an der untersten Schwelle unserer Wahrnehmungsfähigkeit kratzte, hatten wir noch niemals gehört. Das war das Allerschlimmste. Es ließ uns zusammenfahren. Jede Fiber unserer Körper wurde mit Konzentration geschwemmt, bereit, den Atem anzuhalten oder in Schreien auszubrechen. Ein fernes Grollen, das sich durch einen kilometerlangen Stahlleib arbeitete.

      Außerhalb der Situation hätte es mich an ein Himalaya-Gewitter oder an einen Magnetsturm auf Siriana III erinnern können, aber wir befanden uns weder auf der Erde noch auf dem bizarren Eismond mit seinen violetten Blizzards, sondern an Bord der MARQUIS DE LAPLACE, die nach ihrer Rückkehr vom Sirius-System in einer Parkbahn im Neptun-Orbit überholt und gewartet wurde. Ein Stöhnen und Bersten, das sich durch zwölf Kilometer eines Titan-Corpus' fraß, von Segment-Kupplungen gedämpft, von Eigenresonanzen verstärkt. Die Herkunft des Geräusches war unerklärlich. Seine Echos und Interferenzen brachen und überlagerten sich und schwollen dabei an. Auch an den anderen Tischen ließen die Spieler ihre Queues und Schläger sinken. An der Bar setzten die Gäste ihre Gläser ab.

      Zugleich