Unaufhaltsam kamen die beiden Berufsschultage im September 1950 heran, an denen in den verschiedenen Fächern Prüfungsarbeiten geschrieben wurden. Nach der Überprüfung der Arbeiten durch die Lehrkräfte erreichte ich 60 von 100 Punkten. Damit waren meine Erwartungen übertroffen. Auf die praktische Prüfung freute ich mich deshalb, weil ich mich hundertprozentig sicher fühlte, diese zu bestehen. Am 15. September 1950 standen 12 Prüflinge mit mir am Schmiedefeuer und Ambos, um ihre Gesellenstücke zu schmieden. Es sind die verschiedensten Stücke geschmiedet worden. Die Prüflinge konnten sich verschiedene Stücke zum Schmieden selbst wählen.
Meine Prüfstücke waren: eine Linz Tülle, eine Geschirrkappe und ein Hufeisen, die ich der Prüfungskommission zur Begutachtung vorlegte. Beim Schmieden meiner Stücke fühlte ich mich vom Schaumeister auffällig beobachtet. das Schmieden der Linz Tülle war mit einem hohen Schwierigkeitsgrad verbunden (Feuerschweißen).
Meine Gesellenstücke: Hufeisen Geschirrkappe Linz Tülle
Beim Schmieden der Linz Tülle
Es lag Spannung in der Luft. Jeder gab sein Bestes, um möglichst gut abzuschneiden. Im Verlauf des Vormittags übergaben alle ihre Arbeiten der Prüfungskommission. Jeder hatte die Möglichkeit, 100 Punkte zu erreichen. Dann ergriff der Obermeister das Wort und rief namentlich nach dem Alphabet die Prüflinge auf und nannte jedem die erreichte Punktzahl. Als Letzten rief er den Namen Weiß auf mit der Punktzahl 100. Ich war erschrocken, als schallender Applaus den Raum erfüllte. Die Krönung war, dass mir eine Prämie, verbunden mit einer Urkunde für besonders gute Leistungen, übergeben wurde. Ich war sichtlich gerührt, weil zum ersten Mal in meinem Leben meine Arbeit Anerkennung fand. Als Sachwert wurde mir unter anderem ein Fahrradschlauch überreicht, was 1950 nicht mit Gold aufzuwiegen war. Mein Freund Simon bestand seine Gesellenprüfung auch. Sein Gesellenstück war ein Paar Halbschuhe für sich. Die bestandene Prüfung feierten Simon, Hugo und ich ausgiebig, wozu auch unsere Mädels eingeladen waren. Hochprozentiges war zur Genüge vorhanden.
Es erfüllte uns mit Stolz, mit 19 Jahren Fachmänner unseres Berufes zu sein und wir freuten uns auf unseren ersten Gesellenlohn, der für einen Schmiedegesellen immerhin 290 DDR-Mark betrug.
Als Meister Gottwald mir zur bestandenen Prüfung gratulierte und die Auszeichnung lobend erwähnte, bot er mir an, zu gegebener Zeit sein Nachfolger zu werden, was ich freudig zur Kenntnis nahm.
Dann wünschte sich der Meister, dass meine Schmiedestücke einen gebührenden Platz in seiner Werkstatt bekommen.
Vorerst blieb alles beim Alten, bis ich auf eine kleine Wanderschaft ging, um Land und Leute kennen zu lernen. Insbesondere war es meinem Beruf dienlich, in einer alten Dorfschmiede war ich ernsthaft gefordert, wo es noch urig zuging und dem Schmied wirklich nur das Schmiedefeuer, Schmiedehammer, Ambos und diverses Hilfswerkzeug zur Verfügung stand. Der Meister zeigte mir, wie mit primitivem Werkzeug alte und schöne Schmiedearbeit hergestellt wird, was mir später sehr nützlich wurde. Ich bemerkte auch, dass er mir seine Tochter schmackhaft machte, um so zu einem Nachfolger zu kommen. Dazu war aber das Feuer nicht heiß genug und die Proportionen zu gewaltig. Mein Desinteresse ihr gegenüber trübte das Für- und Miteinander, so dass ich mich um eine andere Arbeit bemühte.
Zu dieser Zeit hatte ich bereits meine zukünftige Frau Irene kennen gelernt. Im Mai 1951 kam es zu unserer Verlobung, weil wir uns sicher waren, gemeinsam durch das Leben zu gehen. Bei meiner Verlobung lernte mein Freund Simon seine Freundin Lina kennen, die Freundin von Irene. Es bahnte sich eine Freundschaft an, die langen Bestand hatte.
So festigte sich die Freundschaft und es folgte eine abwechslungsreiche Zeit, die viel Freude Vergnügen mit sich brachte. Auch meine Schwester lernte ihren Hermann kennen und verliebte sich in ihn. Zu einem festen Verhältnis hat es aber nicht gereicht. Hermann war Schmiedelehrling in der Dorfschmiede zu Mörz und auch ein Freund von mir.
Bislang wohnte ich immer noch in Mörz. Das änderte sich am 18. Februar 1951, als mir eine Arbeit in Treuenbrietzen angeboten wurde. Meine Wohnung war die Gesellenstube, die über der Schmiede lag. Die Wochenenden verbrachten wir gemeinsam in Mörz. Mutter und Irma waren noch immer des Bauern Mägde und die Arbeit war nicht leichter geworden, worüber beide sich bei mir des Öfteren beklagten. Aber Freude kam auf, als Mutter mitteilte, dass unser Bruder Helmuth als 14-Jähriger in der Osterzeit konfirmiert wird und sich auf den Schulabschluss vorbereitet. Erfreut waren wir, als sie uns erklärte, dass Helmuth auch eine Lehrstelle hat, die sie im Dorf beim Schuhmachermeister Paul für ihn gefunden hatte. Als Helmuth das hörte, machte er einen Luftsprung, fiel seiner Mutter um den Hals und rief dabei: „Hurra, ich werde Schuster.“ Irma fügte mit trauriger Miene hinzu: „Ich wäre so gerne Schneiderin geworden.“ Daraufhin nahm Mutter sie mit den Worten in die Arme, du wirst einen Mann finden, der dich auch ohne Beruf lieben wird. Nun war es Zeit, meine Sachen zu packen und Simon sowie Hugo Auf Wiedersehen zu sagen, von nun an werden wir uns nur noch an den Wochenenden sehen. Mit einem Rucksack auf dem Rücken und einem Pappkarton auf den Gepäckhalter fuhr ich mit meinem Fahrrad die 32 km nach Treuenbrietzen. Bei Schmiedemeister Baitz angekommen, führte er mich in meine Gesellenstube und wies mich anschließend in seine Werkstatt ein. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war sie bis 1951 geschlossen. Seiner Frau gehörte ein mittelgroßes Hotel, in dem sich auch die Wohnung des Meisters befand. Die Mahlzeiten wurden gemeinsam im Gastzimmer eingenommen. Den Rest des Sonntags nutzte ich, um meine Stube einzurichten und um die nähere Umgebung der Stadt zu erkunden. In den Jahren der Stilllegung wurde die Schmiede als Abstellraum genutzt, das abzuändern wurde mir zur Aufgabe gemacht. Für die Wiedereröffnung der Schmiede hat Meister Baitz großzügig investiert, so war die Werkstatt auf dem neuesten Stand. Als er dann noch einen Lehrling einstellte, konnte die Arbeit aufgenommen werden und aus der Schmiede ertönte wieder ein Pochen und Hämmern. Da sich der Meister mehr um das Hotel kümmern musste, war ich mit dem Lehrling meist allein in der Schmiede. So reifte in mir eine gewisse Selbständigkeit heran, was sich für mich später auszahlte. Zum anderen hatte ich die Absicht, die Stelle längere Zeit zu halten, weil der Meister es mir überließ, die Arbeit selbst einzuteilen.
Schulentlassung von Helmuth (Konfirmation)
Seit Wochen wurde im Frühling 1951 über die anstehende Konfirmation der Schulabgänger geredet - für die betroffenen Dorfbewohner ein wichtiges Ereignis. Auch in unserer Familie war eine gewisse Hektik zu spüren, ist es doch die dritte Konfirmation, die meine Mutter in der noch immer schweren Zeit ausrichten muss. Weil wir aber eine gewisse Eigenständigkeit hinsichtlich der Selbstversorgung unserer Familie erreicht hatten, sahen alle frohen Mutes dem Fest entgegen. Wie schon bei Irma und mir hat Mutter auch für Helmuth die Garderobe selbst genäht, wobei meine Schwester ihr half. Immer nach der täglichen Arbeit auf dem Bauernhof arbeiteten Mutter und Irma abends am Gelingen des Festes. So hat Mutter als ehemalige Weinbäuerin wie in Bessarabien Wein angesetzt, um zu dem guten Braten, den es zur Feier des Tages gab, mit einem Gläschen Wein anstoßen zu können.
Helmuth sah dem ganzen Treiben ruhig und gelassen zu, was seine Freunde ihrerseits auch taten. Sie alle waren halt im Gegensatz zu mir unbelastet. Mein Bruder hatte sich auch schneller integriert und hatte problemlos Freunde im Dorf gefunden. Traditionsgemäß zur Osterzeit kam das Wochenende, an dem Helmuth seinen auf den Leib geschneiderten Anzug anziehen durfte. Sichtlich zufrieden betrachtete er sich im Spiegel. Er konnte mit den anderen mithalten. Vor allem war Mutter stolz und bekam beim Betrachten feuchte Augen.
Ein Freund rief Helmuth und unterbrach damit die momentane Stille