Tierisch einfach. Amelia Kinkade. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Amelia Kinkade
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Биология
Год издания: 0
isbn: 9783941435889
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viele mysteriöse Dinge.

      Seine Heiligkeit der Dalai Lama, 1999

      Die hohen Eisentore schlossen sich feierlich hinter mir, während der hochrangige Beamte, der Hilfsadjutant, mich durch den bewachten Privateingang führte, der für die Öffentlichkeit nicht zugänglich war. Es war mein zweiter Besuch im Buckingham Palace. Bei meiner ersten Reise im Herbst davor hatte ich mit den anderen Touristen vor den Toren des Palasts gestanden. Wir hatten Schnappschüsse gemacht, uns das Spektakel aus der Ferne angeschaut, durch die einschüchternden Wachposten und die hohen, schwarzen Eisenzäune von den königlichen Gemächern getrennt.

      Kaum fünf Monate später befand ich mich auf der anderen Seite der Tore. Mein Blumenschal flatterte im Wind, und so stopfte ich ihn nervös in meine beige Kaschmirjacke, um die Schweißperlen zu verstecken, die mir über die Brust rannen. Ich bemühte mich, mit dem schnellen Gang des Hilfsadjutanten – dem Hauptmann dieser Kaserne – Schritt zu halten. Es war ein frischer Maitag in London und viel kühler als die 30 Grad und mehr, die ich von meiner Heimatstadt Los Angeles gewohnt war, und das letzte Mal, als ich so geschwitzt hatte, war in einer Sauna in Beverly Hills, in der ich Eukalyptus inhaliert hatte. Ich versuchte, mir in Erinnerung zu rufen, wie man richtig atmet. Während ich über die Höfe des Palasts ging, die auf beiden Seiten von britischen Militäroffizieren flankiert wurden, schien die Sonne fröhlich auf meine geröteten Wangen und ließ die Schlossmauern in rosa Pastelltönen wie in einem Aquarell erstrahlen. Jedes Quäntchen meines Muts und Könnens sollte gleich auf die Probe gestellt werden.

      Als »Unternehmensberaterin« und internationale Übersetzerin mit wachsendem Bekanntheitsgrad für die Lösung von Problemen und die Förderung kooperativer Teamarbeit war ich herbeigerufen worden, um Störungen »offizieller königlicher Angelegenheiten« zu beheben. Der Militär hatte Personalprobleme. Einige der älteren Mitarbeiter zeigten Unzufriedenheit, und ein paar der neuen Rekruten aus dem Ausland hatten Schwierigkeiten, sich an ihre Umgebung und den Arbeitsumfang zu gewöhnen. Keiner dieser Mitarbeiter sprach englisch.

      Ich wurde von zahlreichen weiteren Männern in Uniformen mit Messingknöpfen empfangen, die salutierten und die Hacken ihrer glänzenden schwarzen Stiefel zusammenschlugen, als ich an ihnen vorbeiging. Der Hilfsadjutant brachte mich in das Gebäude und führte mich durch einen langen Flur voller Ställe, in denen die Angestellten untergebracht waren. »Ich weiß nicht, ob wir den richtigen Zeitpunkt für ein Gespräch gewählt haben. Wir haben ihnen gerade ihr Mittagessen serviert«, sagte er.

      »Das macht nichts«, erwiderte ich nervös. »Vielleicht reden sie während des Essens mit mir.«

      »Dies ist Captain Harris«, stellte der Adjutant einen Mitarbeiter vor. »Er hat jahrelang Hervorragendes geleistet, doch in letzter Zeit ist er ziemlich mürrisch. Auch wenn er noch lange nicht alt genug für den Ruhestand ist, scheint er seinen Job satt zu haben. Fragen Sie ihn, worin das Problem liegt.«

      Ich betrat Captain Harris’ Arbeitsplatz. Er stand mit dem Rücken zu mir und widmete sich gerade einer Schüssel Haferbrei. Als er mich erblickte, machte er einen Hüpfer und kehrte wieder zu seinem Lunch zurück.

      »Ach, ich dachte schon, du wärst eine Karotte«, sagte er.

      Dies überraschte mich sehr. Ich hatte zwar schon mit einer Anzahl von verwirrten Angestellten zusammengearbeitet, doch keiner von ihnen hatte mich bisher für eine Karotte gehalten.

      »Wie bitte?«, fragte ich.

      »Dein Pullover«, erklärte er. »Er hat meine Lieblingsfarbe.« Ich schaute an mir herab und stellte fest, dass ich einen strahlend orangefarbenen Pullover trug, der in der länglichen Form einer Karotte unter meiner Jacke hervorblitzte.

      »Nun, seine peripherale Sicht ist nicht allzu gut«, erwähnte ich dem Adjutanten gegenüber, während ich mir Notizen machte, »vor allem nicht auf der rechten Seite.«

      »Hast du mir Karotten mitgebracht?«, fragte Captain Harris.

      »Nein, leider nicht. Wie mir gesagt wurde, fühlst du dich in letzter Zeit nicht wohl. Gibt es Probleme mit deinem Futter?«

      »Es ist so eintönig«, sagte er und widmete sich einem Teller voller verschrumpelter Salatblätter.

      »Und wie steht es mit der Verdauung?«

      »Nicht gut, seit mein bester Freund weg ist. Hast du die Katze gesehen?«

      »Nein, noch nicht. Wie sieht sie aus?«

      »Sie ist grau-weiß gestreift. Sie besucht nachts meinen Stall und muntert mich auf, seit mein Freund versetzt worden ist.«

      »Wissen Sie von einer grau-weiß gestreiften Katze in diesem Gebäude?«, fragte ich den Hilfsadjutanten.

      »Ach ja, das ist Emma. Ich wusste nicht, dass er sie mag.«

      »Sag ihm, alle mögen Emma. Sie muntert alle auf«, ließ Captain Harris mich wissen.

      »Fragen Sie ihn, ob er sich zur Ruhe setzen möchte«, bat der Hilfs­assistent mich.

      »Natürlich nicht!«, erwiderte Captain Harris ungehalten. »Ich bin doch einer der Lieblinge der Queen! Ich habe schon viele Preise gewonnen! Ich könnte nie in Rente gehen! Das würde sie enttäuschen. Wir müssen an diesem Samstag den Parademarsch üben, und das ganze Team zählt auf mich – schließlich führe ich es an.«

      Als ich die Mitteilung weitergab, riss der Hilfsadjutant die Augen auf.

      »Das stimmt!«, bestätigte er. »Sie trainieren am Samstag. Also wenn er Spaß an der Arbeit hat und sich auf das große Ereignis freut, dann fragen Sie ihn doch, warum es ihm in letzter Zeit an Konzentration fehlt.«

      »Dein Chef macht sich wegen deiner nachlassenden Konzentration Sorgen«, erklärte ich. »Bist du nicht mehr glücklich hier?«

      »Ich vermisse einfach meinen Freund Bernard, der im Stall links neben meinem untergebracht war. Wir haben gern zusammen­gearbeitet und uns nach der Arbeit immer unterhalten. Der junge Frechdachs war so liebenswert. Ich lachte mit ihm und fühlte mich wieder jung. Ich hatte gerade angefangen, ihm die ganzen Tricks beizubringen, als sie ihn in den Norden versetzt haben. Jetzt arbeitet er auf dem schönen Land, während ich hier in der Stadt bleiben muss. Ich will auch dorthin versetzt werden. Oder er soll zurückkommen. Ich vermisse ihn schrecklich. Wir gehören zusammen.«

      Als ich dem Hilfsadjutanten diese Botschaft übermittelte, war er sichtbar erstaunt.

      »Bitte sag ihm, er soll Bernard zurückholen«, bat Captain Harris.

      »Er fühlt sich einsam«, sagte ich zu dem Adjutanten. »Er vermisst seinen Freund, der im Stall links neben seinem untergebracht war. Er hat mir den Namen Bernard genannt. Wie er mir erzählt, wurde Bernard aufs idyllische Land in den Norden gebracht, während der Captain hier ganz allein bleiben muss.«

      Der Hilfsadjutant war sprachlos. Schließlich sagte er aufgeregt: »Ganz richtig! Links neben ihm war ein Kerlchen untergebracht, der Bernard hieß! Ich wusste gar nicht, dass er dem Captain so viel bedeutet hat. Bernard wurde tatsächlich vor ein paar Wochen in Prinz Charles’ Jagdställe in den Midlands verlegt. Das stimmt! Die Landschaft ist herrlich und grün, und sie gehen alle viel lieber auf die Jagd in den Wäldern dort oben. Wir schicken sie manchmal dorthin, damit sie einen Tapetenwechsel haben. Wir dachten, der Captain sei zu alt dafür. Bernard! Erstaunlich! Wie konnte er Ihnen den Namen nennen? Wer hätte je gedacht, dass er den Namen seines Freunds nennen könnte?«

      Was soll mit Captain Harris los sein, dass er den Namen seines besten Freunds nicht nennen könnte? Ist er etwa senil? Oder ist er taub?

      Nein. Er ist ein Pferd. Captain Harris ist eines der königlichen Prozessionspferde von Queen Elizabeth der Zweiten. Ich wurde im Mai 2002 an den Buckingham Palace gerufen, um die Kavallerie der Königin zu beraten, als die Pferde für das Royal Jubilee der Königin trainiert wurden. Ein paar Tage später bekam ich die Ehre, in Prinz Charles’ Jagdställe eingeladen zu werden, wo ich Bernard persönlich kennen lernte und ihm einen Kuss auf die Schnauze gab. Keine Angst, Tierfreunde! Beide Pferde wurden kurz nach