Eine Theorie des selektiven Bezugs. Kai Pege. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kai Pege
Издательство: Автор
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Жанр произведения: Афоризмы и цитаты
Год издания: 0
isbn: 9783929899856
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des Bereichs beschreiben. Eventuell ist innerstädtisch sogar relevant, wie groß die aktuelle Freifläche für den PKW ist bzw. sein könnte. – Das Schild bezieht sich hingegen nicht, sondern bietet pauschal eine Verhaltensmöglichkeit, mehr nicht.

      Ein weiterer Fall betrifft Etiketten. Solche sind in der Regel relevanten Gegenständen und Produkten direkt angeheftet, z.B. in Supermärkten. Ein Anheftungsvorgang ließe sich vielleicht am ehesten als Bezeichnung anführen, doch ob auch ein Bezug möglich sein kann, ist separat zu klären. Wenn ein Schild, das ein Parken ermöglicht, keine Informationen darüber enthält, auf was es sich beziehen könnte, ein Bezug unrelevant wird, vielleicht werden Anheftungsvorgänge lediglich vollzogen, um eine Eingrenzung des Geltungsbereichs zu ermöglichen. Etiketten enthalten zwar Angaben, vielleicht sogar in sprachlicher Form, aber keine Informationen über den Geltungsbereich, allenfalls abstrakt durch eine Information über die Füllmenge. Auf was sich die sprachliche Angabe einer Füllmenge aber bezieht, bleibt offen. Anheftungsvorgänge sind zusätzliche praktische Maßnahmen, ähnlich wie die bauliche Gestaltung eines Parkplatzes, die den Etiketten den Geltungsbereich zuweisen. Die Etiketten geben, um Bezug haben zu können, zu wenig preis.

      Und wie sieht es mit Abbildungen aus, z.B. künstlerischen, unter der Voraussetzung, dass eine solche Relation im Einzelfall überhaupt relevant ist? Das Problem beginnt bereits mit diesem Begriff. Etwas abzubilden beschreibt bereits eine Relation, eine, die sprachlich nicht, oder, berücksichtigt man konkrete Poesie, kaum vollzogen werden kann. Es ließe sich bestenfalls eine Metapher ‚Bezug‘ einbringen. Diese wird möglich, weil Zeichnungen, Fotografien und Gemälde einen Detailreichtum enthalten können, oder durch Reduktion eine Bedeutung einbringen, wie dies mit Sprache gleichfalls möglich ist, nur auf eine andere Art und Weise.

      Schließlich sei eine Metapher angeführt, die ich in einem anderen Kontext analysiert habe (vgl. Pege, Kai, 2014, S. 15 ff.) und die häufig in sprachlichen Zusammenhängen auftaucht: ‚Darstellung‘. Ein Theaterstück kann dargestellt werden, oder ein Dokumentarfilm stellt die Veränderung eines Terrains dar, z.B. die Entwicklung des Dortmunder Phoenix-Sees. Sprachlich lässt sich eine Theorie erläutern, am besten mit Bezug. ‚Darstellung‘ träfe den Sachverhalt hingegen nur indirekt. Auch ‚Darstellung‘ ist wie ‚Abbildung‘ bereits ein relationaler Begriff, der aus anderen Bereichen kommt und dort angemessener aufgehoben ist.

      Die gegebenen Erläuterungen, dies war mir besonders wichtig, verzichten darauf, Symbole und Zeichen durch eine sprachliche Vorentscheidung zu interpretieren. Legt man von Beginn an Sprache hinein, lassen sich Symbole und Zeichen lediglich missverstehen. Fraglos könnten z.B. Ausrufe wie „Parkplatz!“ mit einem Schild verglichen werden, doch Sprache vermag mehr, kann einen Bezug durch Präzisierung entstehen lassen. Eventuell würde praktisch auch ein Fingerzeig genügen, ein außersprachlicher Vorgang, doch dieses Umgangsverhalten änderte an den sprachlichen Möglichkeiten nichts, die Schildern und Etiketten in dieser Weise nicht zukommen. Gleichfalls habe ich es vermieden, Sprache lediglich aus symbol- oder zeichenähnlichen Worten bestehen zu lassen. Mit einzelnen Worten kann niemand etwas anfangen, es sei denn innerhalb konkreter praktischer Zusammenhänge und dies auch nur im Kontext eines relativ umfangreichen Wortschatzes. Sprache aber kann, dies macht den zentralen Unterschied zu Zeichen und Symbolen aus, Bezüge haben, über etwas Auskunft geben, und dies ohne weitere Hilfsmaßnahmen.

      (1.2) Wie voneinander abgrenzen?

      Den Anreiz zu differenzieren, hoffe ich gegeben zu haben, unklar blieb bislang jedoch, ob und gegebenfalls wie Worte von Zeichen (bzw. Symbolen) systematisch abgrenzbar sind. Goodmans Symboltheorie lasse ich im Fortgang unberücksichtigt, weil sie in vielerlei Hinsicht einen Sonderfall darstellt, der eventuell in einem Kontext über Künste interessieren könnte, doch sogar in diesem Zusammenhang separat zu erörtern wäre: Einige grundsätzliche Schwierigkeiten und Fragen habe ich in einem solchen Kontext formuliert (vgl. Pege, Kai, 2014 (2)), auf eine dezidierte Erörterung jedoch verzichtet.

      Als weiteres Problem kann hinzukommen, dass Zeichen, ob als Piktogramme oder abstrakte mathematisch logische Gebilde, sprachlich artikulierbare Bedeutungen haben, historisch aller Wahrscheinlichkeit nach aus einem Sprachverhalten entstanden sind, wie formalisierte Abkürzungen wirken können, als formale Zeichen jedoch der Sprache entzogen sind.

      Emoticons, um noch ein Beispiel zu integrieren, werden zwar innerhalb der Umgangssprache eingesetzt, sie haben Bedeutungen, die sich als emotionale Ausdrücke spezifizieren lassen könnten, verzichtete man darauf, Ausdruck zeichentheoretisch als Extension bzw. Bezug zu fassen, aber keinen Bezug. Ein Emoticon lässt nicht erkennen, weshalb es gesetzt wurde. Ohne sprachliche Erläuterung, die eventuell für sich schon ausreichen würde, den Zustand mitzuteilen, hinge ein Emoticon gleichsam in der Luft oder fungierte lediglich als außersprachlicher Gestenersatz.

      Ob und worauf sich sprachliche Äußerungen beziehen, ist abhängig von den Bedeutungen, nicht nur der Worte, sondern des jeweiligen sprachlichen Zusammenhangs. Diese Komplexität im Hinblick auf eine Ein- und Abgrenzung entfällt in der Regel bei Zeichen. Im Fall mathematisch logischer Zeichen gibt es zwar funktionale Differenzierungen und Abhängkeiten, jedoch nicht im Hinblick auf einen Bezug, lediglich auf die nutzbaren bzw. vorliegenden Zeichenfunktionen. Ähnlich, wenn auch weniger abstrakt und viel loser gebunden, geht es bei Straßenschildern zu. Die Farbgestaltung ist z.B. nach Gefahren-, Verbots- und Gebotsschildern sortiert, doch auch bei ihnen spielt Bezug keine erkennbare Rolle, im Vordergrund stehen ebenfalls Funktionen, keine mathematisch logischen, sondern solche eines Verhaltens, die durch die Bedeutungen übermittelt werden. Um den Geltungsbereich – nicht den Bezugsumfang – solcher Schilder einschätzen zu können, ist man jedoch auf zusätzliche Informationen angewiesen, die z.B. durch bauliche Gestaltungen gegeben werden.

      Doch auch bei sprachlichen Äußerungen kann eine Frage nach Bezügen berechtigt, eventuell offen bleiben oder bestritten werden. Im Umgang können außersprachliche Faktoren, sowohl hinsichtlich des Verhaltens als auch der Umstände behilflich und entlastend sein.

      Relativ hilflos kann man gegenüber Eigennamen bleiben, nicht nur sobald man Telefon- und Adressverzeichnisse oder das Internet einbezieht. Entwicklungen, ob landschaftlich historische, menschliche, tierische, oder Differenzierungen nach Tageszeit (Abend-, Morgenstern) erschwerten in der philosophischen Literatur einen Umgang. Kripe unternahm die Anstrengung, nach Bezügen, nach sogenannten ‚Referenten‘ Ausschau zu halten, um letztlich in einer Namensgebung (Taufe) als dem jeweiligen individuellen Beginn zu landen (vgl. z.B. Kripke, Saul, 2014, S.112), dem Beginn von Kausalketten, die sich aufgrund von Weitergaben eines Namens ergibt. Doch ließen sich Eigenschaftsänderungen bei Sachen und Individuen berücksichtigen? Wäre ein Kleinkind, das einen Namen zugesprochen bekommt, noch dasselbe Lebewesen in späteren Jahren? Wäre man darauf angewiesen, eine abstrakte Entität auszuweisen, die über die Zeit identisch bleibt? Das Modell gibt erstaunlicherweise keine Auskunft. Es ließe sich in Bezug auf Individuen aber eine Ereignisreihe (Lebenslauf) bilden, eine solche Vorgehensweise ist in der Praxis durchaus nicht unüblich, wenn z.B. auf verschiedene Schaffensphasen eines Philosophen Bezug genommen wird. Doch dann wird der Name als solcher relativ unrelevant: er reicht bei weitem nicht aus! Von einem frühen Wittgenstein ist z.B. die Rede, von einem späten.

      Fragen lässt sich, was eine Namensgebung (Taufe) mit einem Bezug des Namens zu tun hat. Ein solcher Akt, der eventuell einer Anheftung ähnlich ist, sagt noch gar nichts über einen Bezug aus, auch wenn ein Name durch soziale Umfelder weitergereicht wird. Innerhalb von sozialen Umfeldern handelt es sich zunächst nicht um Eigennamen, sondern um erteilte Rufnamen, die es ermöglichen können, ein Individuum anzusprechen, bei Menschen und Haustieren übrigens in ähnlicher Weise. Dass ein Hund bei der menschlichen Äußerung „Fritz“ aufhorcht, bemerkt, dass er gemeint ist, obgleich er die menschliche Sprache nicht versteht noch spricht, sich also angesprochen fühlt, weil man ihn zuvor über einen Zeitraum auf diesen Lautkomplex konditioniert hat, kann deutlich machen, dass ein praktisch angemessenes Verhalten auch ohne relevante konkrete Sprachkenntnisse möglich ist. Ein Angesprochenwerden und ein Ansprechen von Individuen überfordert Hunde keineswegs. Es handelt sich um rudimentäres Verhalten, das noch gar nichts mit Sprache zu tun haben muss und sich auch deutlich von der menschlichen Sprache abhebt: „Hund“, solange dieser Ausdruck nicht als Rufname etabliert wird, kann, je nach Kontext, ein allgemeines oder konkretes