Ernst Köhler
Vom Hitlerjungen aus Meiningen,
im Krieg durch Europa
und als
Kriegsgefangener in Südfrankreich
1940 – 1949
– Meine Erinnerungen –
Verlag Rockstuhl
Impressum
Umschlaggestaltung: Harald Rockstuhl, Bad Langensalza
Titelbild: Ernst Köhler 1943 - im Hintergrund Meiningen um 1930
Umschlagrückseite: Grafik Harald Rockstuhl
1. Auflage 2011
ISBN 978-3-86777-932-6
Satz und Layout: Harald Rockstuhl, Bad Langensalza/Thüringen
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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Inhaltsverzeichnis
Beim Bauer Louis Vidal in Gieussac in Südfrankreich
W i d e r d a s V e r g e s s e n
66 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges möchte ich von meinen Erlebnissen in den letzten, vielleicht schrecklichsten, Kriegsjahren berichten.
Das Furchtbare und Unvorstellbare, was Menschen durchleben können, soll hier geschildert werden.
Es soll aber auch die menschliche Wärme und Gastfreundschaft zur Sprache kommen, die mir in französischer Kriegsgefangenschaft von Louis Vidal und seiner Familie entgegengebracht wurde.
Gotha im Juni 2011 Ernst Köhler
Ernst Köhler mit 17 Jahren in Meiningen.
In Meiningen
Als mit Hitlers Einmarsch in Polen 1939 der 2. Weltkrieg ausbrach, war ich gerade mal 13 Jahre alt. Nachdem ich 6 Jahre die Volksschule besucht hatte, wechselte ich auf das „Deutsche Realgymnasium“, auch „Deutsche Aufbauschule“ genannt, in meiner Geburtsstadt Meiningen. Zu meiner Konfirmation 1940 sagte mein Vater zu mir: „Sei froh Junge, dass du noch zu jung bist, um mit in den Krieg ziehen zu müssen“. Da sollte er sich allerdings gewaltig getäuscht haben. Mit einem einigermaßen guten Abschluss der Untersekunda verließ ich dann das Gymnasium und wendete mich einem Beruf zu. Bis zu diesem Zeitpunkt verbrachte ich eine unbeschwerte Zeit. Die Tage, das heißt die schulfreie Zeit, waren ausgefüllt mit Dienst (meist unterhaltsamen, teilweise auch lehrreichen Spielen wie Schnitzeljagd) bei den sogenannten Pimpfen oder dem Deutschen Jungvolk. Anschließend folgte dann die Hitlerjugend. Wir waren stolz, diese Uniformen zu tragen. Ich selbst war bei der Marine-Hitlerjugend. Auf der Werra in Meiningen konnte man mit Booten bis zu 12 Mann Besatzung skullen. In den großen Ferien ging es nach Saalburg, wo ich das Seesportabzeichen mit großer Prüfung A und B auf der Saaletalsperre erwerben konnte. Schon damals haben uns die Ausbilder den Arsch bis zum Stehkragen aufgerissen. Man hat uns von früh bis spät gedrillt und geschliffen, bis zum geht nicht mehr. Jeden Tag haben sie sich irgend etwas Neues einfallen lassen, um uns neben dem intensiven Lernen zu quälen und zu peinigen. Selbst in der Nacht ließen sie einem keine Ruhe. Das alles sollte aber nur ein kleiner Vorgeschmack dessen sein, was uns später dann beim Barras erwartete.
Das Geburtshaus von Ernst in Meiningen, Schweizergasse 7.
Bild rechts: Wilhelm, sein Vater war Schmied in Meiningen.
Ernst und Schwester Edith um 1930.
Ernst’s Vater war Schmied in Meiningen, hier bei einem Umzug.
Mein Berufsziel war es, Kulturbauingenieur zu werden. Dazu gehörten zwei mal zwei Lehrjahre in der Landwirtschaft mit dem Abschluss als Verwalter. Schloss und Gut Landsberg, 2 km von Meiningen entfernt, war mein neuer Arbeitsplatz. Es war im Besitz von Herzog Bernhard von Sachsen-Meiningen. Auf einer Fläche von 70 Hektar waren meist Wiesen und Weiden in wunderschöner Naturlandschaft um das Gut herum gelegen. Pächter war ein gewisser Hans Bürger, ein alter verkappter Nazi. Wir nannten ihn Gandhi, auf Grund seiner extremen Dürrheit. Die Arbeitsleute setzten sich aus vertriebenen Polen, Ukrainern, Rumänen und einem taubstummen Deutschen zusammen. Meine Aufgabe war es, diesen bunten Haufen zu leiten. Das begann früh morgens mit der Arbeitseinteilung und endete spät abends mit der Erfassung der Arbeitsleistung der einzelnen Leute und der Pferdegespanne. Alles wurde in einem Tagebuch dokumentiert. Für die Küchen- und Gartenarbeit waren Pflichtjahr-Mädchen zuständig. Zu meinen weiteren Aufgaben gehörte die tägliche Wetterbeobachtung und -aufzeichnung mit der Eintragung des Barometerstandes, der Temperatur und der Niederschlagsmenge. Das Ganze war für das meteorologische Wetteramt Potsdam bestimmt.