Jakob der Letzte. Peter Rosegger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Rosegger
Издательство: Автор
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Жанр произведения: Историческая литература
Год издания: 0
isbn: 9783990404843
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du dir just keinen Wegkameraden aufzugabeln gebraucht, die hättest du für dich allein heimtragen können. Bei dem Hofe angekommen, verabschiedete sich der Guldeisner von dem Begleiter kurz und herrisch; es wurmte ihn, daß er seiner bedurft hatte. Herrische, selbstmächtige Leute haben vor jedem Abneigung, von dem sie einmal eine Wohltat nehmen mußten; sie fühlen sich am behaglichsten bei Leuten, die sie je nach Belieben aufrichten oder niederdrücken können.

      Im Guldeisnerhofe versammelte der Bauer noch an demselben Abend sein Gesinde. Er teilte den Knechten und Mägden mit, daß er den Hof verkauft habe, daß sie im Spätherbst nach eingeheimster Ernte ihren Jahrlohn erhalten würden und dann ihres Weges gehen könnten.

      Die Leute schauten einander verblüfft an. Wenn der Winter kommt, sind sie obdachlos.

      Müßten sich halt umsehen, war sein Rat, der Kampelherr brauche vielleicht Holzleute. Oder draußen in den Fabriken. Oder in den Lettenbacher Kohlenbergwerken. Wer arbeiten wolle, der finde überall Erwerb.

      „In den Kohlenbergwerken“, sagte ihm einer der Knechte halbsingenden Tones nach. „Na, wenn der Bauernknecht über der Erden keinen Platz mehr hat, muß er halt unter die Erden hinab.“

      „Schäm’ dich, Bauer!“ Dieses Wort schleuderte der zweite Knecht dem Guldeisner ins Gesicht. Dieser bäumte sich auf und warf dem Frechen einen finsterstolzen, drohenden Blick zu, einen Blick, der sonst die Keckheit und Widerhaarigkeit des Gesindes, wenn sie sich doch einmal herfürtat, sofort in den Grund zu bohren pflegte. Heute lachten sie ihm ins Gesicht. Die Knechte hatten besser lachen, als die Mägde.

      Ärgerlich zog der Bauer sich in sein Zimmer zurück. Aber als er hinter sich die Tür zuschlagen wollte, klemmte sich ein Ellbogen dazwischen. Die Küchenmagd folgte ihm in die Stube und fragte, ob sie auch unter die Holzschläger oder Bergknappen gehen müsse?

      „He, he“, lachte er überlaut, „ist eh’ in Altenmoos auch noch schön.“

      „Was soll denn geschehen mit mir?“ fragte sie mit einer Stimme, die vor innerer Erregung heiser und tonlos war.

      „Sepherl!“ entgegnete der Bauer geschmeidig und drückte ihr die Hand. „Laß heute die Küchentür offen, ehevor du schlafen tust, wir wollen noch reden davon.“

      Spät abends, während die beiden in der Küche davon redeten, lehnte im Stalle am Futterbarren die Kuhdirn und schluchzte: „Dieser Guldeisnerhof ist mein Verderben.“

       DER JACKERL IST EIN ENGERL WORDEN

      An dem Abende des Tages, als der Guldeisner sein Haus verkauft hatte, kamen vom Gebirge her Männer und kehrten im Steppenwirtshause ein. Sie kamen unverrichteter Sache, sie hatten ihn nicht gefunden.

      Seit Tagen wurde das älteste Söhnlein des Reuthofers gesucht. Der Knabe war – wie es hieß – wegen Widerspenstigkeit in einen Moosbarren gesperrt gewesen, daraus entkommen und seither verschwunden. Man hatte bei den Nachbarn umgefragt, draußen in Sandeben gefragt, in den Wäldern gesucht, auf den Almen gesucht, man hatte ihn nicht gefunden, keine Spur von ihm entdeckt.

      Weit hinten im Donnersgraben hauste ein Pechölbrenner, eines Köhlers Kind, das nie aus dem Walde fortgewesen. Dieser Pechölbrenner war voll Schnurren und Späße, er verstand allerlei Kurzweil. Er schnitt Pfeifen und spielte darauf; er machte aus trockenen Lattichblättern Drachen und Geier und ließ sie steigen; er schnitzte kleine Rädchen mit Hämmern, stellte sie ans Wasser und ließ sie klappern; er meißelte aus Föhrenrinden Hirsche und Kamele; er baute niedliche Grillenhäuschen, Mausfallen, machte Fliegenklappen, Schmetterlingsnetze und dergleichen. Diese Dinge trug er, wenn er mit seiner Pechöllagel hausieren ging, zu den Häusern, verschenkte sie an die Kinder und bekam dafür von der Bäuerin etwas zu essen. Der Pechölbrennernatz ward nie allein gesehen, wenn er über und über mit Sachen behangen in Altenmoos umging; immer folgte ihm ein Schwarm von Kindern, und manches Knäbel stieg ihm nach bis hinauf in den Donnersgraben, wo es dann in der Hütte des Waldmenschen geatzt und gehegt ward.

      Der Pechölbrennernatz hatte sein Lebtag drei Weiber gehabt, aber nicht nebeneinander, das ist in Altenmoos niemals der Brauch gewesen, sondern hintereinander. Die erste hatte seinen Erwerb in bunten Wollkleidern und Seidentüchern vertan und mit dem fürnehmen Gewand ihren dürren Leib geziert, daß das Ding nur so gespensterhaft herumgeflattert war in der Gegend. Die zweite hatte seine Groschen in Schnaps vertrunken und nebstbei in den Sommerstadeln und Köhlerhütten herumgeschlafen. Die dritte war arbeitssam und sparsam, hatte aber dem Natz mitunter ein Scheit an die Füße oder an den Rücken geworfen, wenn er von seiner Hausiererei zu wenig Geld heimgebracht. Keine dieser drei Holden hatte ihm ein Kind geboren, und der Natz hätte gar gern so etwas Kleines gehabt, ein lebiges Kindel, oder deren mehrere oder viele. Sein einziger Wunsch war, ein König zu sein und ein Königreich voll Kinder zu haben. Die drei Weiber lagen nun längst draußen in Sandeben friedlich nebeneinander. Der Natz, wenn er an den Sonntagen hinauskam, betete allemal drei Vaterunser bei ihnen und ging dann wohlgemut wieder heim in seine Waldhütte. Jetzt ging ja frisch sein Leben an, er war ein altes Kind mit den Kindern und für die Kinder.

      So war man auf die Vermutung verfallen, des Reuthofers Knabe, der Jackerl, sei vielleicht zum Pechölbrennernatz hinaufgegangen. Aber der wußte nichts von ihm, löschte jedoch sofort seinen Pechölofen aus und ging mit auf die Suche.

      Jakob der Vater war am ersten Tage der Suche arg zornig gewesen auf seinen ungeratenen Sohn; am zweiten Tage kam er ins Bedenken, ob die Behandlung mit dem Moosbarren wohl das rechte Mittel gewesen sei, den Knaben zu bändigen; am dritten Tage hub eine heimliche Angst an, sein Herz zu zerfleischen. Seinem Weibe – der Maria – zu tat er wohl immer noch, als sei er gegen den Knaben aufgebracht, denn die Maria tat nichts mehr als weinen und beten.

      Sie hatte sich mattgelaufen und heiser geschrien in der Gegend, und daß das Kind so lieblos und verblendet gewesen und seinen Eltern und Geschwistern entflohen sein sollte, als wären sie seine grimmigsten Feinde, das tat ihr am meisten wehe. Seine besonderen Wege war der Knabe von erster Kindheit an gern gegangen, mit fremden Leuten war er mehrmals fortgezogen und als fünfjähriger Knabe hatte er sich draußen in Sandeben einmal einer Zigeunerbande angeschlossen. Es hieß damals, die Landstreicher hätten den Knaben verhext und ihm ein Tränklein beigebracht, daß er seither keine Lab’ und Lieb’ daheim mehr empfinden könne. Die Maria bekannte nun, es sei ihr immer vorgegangen, mit diesem Kinde würde es eine andere Wendung nehmen als mit gewöhnlichen Kindern, sie behauptete, es habe immer ein ganz besonderes unerforschliches Wesen gehabt und es sei ihr oft beigekommen, Gott müsse mit ihm etwas Eigenes im Sinne haben. Wenn sich das Weib ausgeweint hatte, dann kam plötzlich wieder die Zuversicht, es müsse mit dem Jackerl zu einem großen Glücke ausschlagen. Wenn er nur so viel gewesen und zu mir gekommen wäre! rief der Pechölnatz häufig aus, wir wollten uns schon unterhalten haben miteinand’. Und hätt’s sein müssen, das Umlaufen, so hätt’ ich ihm die Pechölbutten auf den Buckel geschnallt: Jetzt lauf’ um zu den Leuten, jetzt weißt warum!

      Am vierten Tage des Suchens brachte jemand die Nachricht, oben am Fuße des Hochgebirges, im Gottesfrieden, am Rande des kleinen Sees, seien zwei Knabenschuhe gefunden worden. Als man diese Schuhe der Maria zeigte, wendete sie sich rasch davon ab, wankte in den Winkel der Stube und sank dort zu Boden. Es waren die Schuhe des Jackerl. Sie waren handgerecht aufgeriemt und von den Füßen gezogen worden, und das erklärten sich die Leute so: Der Knabe sei auf seiner Wanderung im Gebirge von Hunger befallen worden und habe in dem See Forellen fangen oder sich die wunden Füße baden wollen. Er habe die Schuhe ausgezogen, sei in das Wasser gestiegen, habe sich zu weit vorgewagt und sei in der Tiefe versunken. Etliche meinten, es könne auch anders gewesen sein: Der Knabe habe sich der Schuhe entledigt, um mit bloßen Füßen leichter die Felswand hinanzuklettern, und wenn sein Leichnam im Hochgebirge nicht gefunden werde, so sei er nach dieser Richtung hin davon und werde wohl so leicht nicht eingeholt werden können. Der Untergang im See war übrigens weitaus glaubwürdiger.

      Da bis an den fünfundzwanzigsten Juli, als an dem Tage des heiligen Apostels Jakobus, keine Spur gefunden und keine Kunde von dem Knaben gekommen war, begingen sie in der Pfarrkirche zu Sandeben die Totenfeier für den verunglückten Jackerl.

      Das Elternpaar war