Das Grimmingtor. Paula Grogger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Paula Grogger
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Исторические любовные романы
Год издания: 0
isbn: 9783990402641
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Weise allerhand vom Bräutigam Stralz erzählte, was nicht sehr schön … und vielleicht auch nicht erlogen war. Zuletzt schwor er jedesmal:

      »Stanzi, der Teufel soll mich holen, wann’s nit wahr ist.«

      Dann sah das Mädchen hoffärtig an ihm fürbei und sprach:

      »Ich glaub’s schon.«

      »Nimm mich!« bat der Jager.

      Hierauf wurde ihr Gesicht aschfahl und hart.

      »Nein, sag ich!«

      Einstens, es war schon in der Dämmerzeit, da pochte der Bursch an die Haustür.

      »Stanzi, mach geschwind auf!«

      »Was gibt’s denn?« fragte das Mädchen und brannte zitternd ein Kienlicht beim Herdfeuer an. Der Jager aber war ungeduldig und drückte an die Klinke, bis es krachte und der Türhaken weit davonflog.

      »Er heirat’ die Bräumeisterwittib von Gröbming.« Die Jungfrau Constantia Sorger rührte sich nicht. Nicht einmal der Span flackerte.

      »Mich ziemt, dir ist nit leid?« hub er zu fragen an.

      »Nein.«

      »Hast nit reden hören? Zwo Köchinnen sind aufgedungen; eine extra für die Prügelkrapfen und die Schnürlkrapfen. Und zwanzig Ellen Seidenzeug hat er kauft beim Hausierer Gottlieb.«

      »So.«

      »Mich ziemt, dir ist gar nit leid?«

      »Geh weiter!« schaffte sie. »Mir brennt das Mus an, wannst nit bald dein Maul haltst.«

      »Tu ’s Licht weg!« bat er weich. »Es züngelt schon um deine Fingernägel.«

      Das Mädchen rührte sich noch immer nicht. Da riß ihr der Bursche den Span aus der Hand und zertrat ihn. Nur das rote Herdfeuer leuchtete. Und das Mädchen stund so bläßlich und kalt vor ihm, daß er, sein wildes Geblüt zähmend, gar demütig bettelte:

      »Stanzi, gelt, du wirst ihn übers Jahr längst vergessen haben. Und du brauchst statt seiner auch keinen Jager nit nehmen, wann dir ein solcher zu gering ist. Das Stift Admont wird noch heuer einen verlieren. Ich schwör, daß ich zu Martini schon ein Schloßherr bin, reicher als wie der Moar von Kunagrin und der Moar im Steinkeller zusamm. Weißt du … wie?«

      »Brauch’s nit zu wissen.«

      »Stanzi, drüben in Gstatt werden wir hausen. Ich und du. Was wirst du für eine pieksaubere Schloßfrau sein!«

      »Ich glaub, der Vater kommt.«

      »Wegen meiner kann er wohl kömmen. Aber du lügst.« Der Jager wußte alsdann schier nichts mehr zu reden. Er suchte in seinen Taschen, zog endlich ein Briefbögerl heraus und reichte es mit abgewandtem Gesicht der Stanzi …»Ich hab den Vers für dich geschrieben, liabs Dirndel du. Nit, daß du etwan glaubst, ich hätt den Schulmeister zahlt.«

      Sie las nicht. Sie blickte nur immerzu auf das undeutliche Bild von göldenen Schnörkeln und rotseidenen Blumen, die so kunstvoll auf das Papier gepreßt waren. Sie blickte ganz stumpf und gebrochen.

      Da küßte der Bursch sie inbrünstig ab.

      Die Jungfrau Constantia wehrte sich mit erhobenen Armen, stieß ihn von sich, daß er taumelte, und schlug hinter ihm die Tür zu … Das feuchte Holz gloste auf dem offenen Herd. Und der Rauch drückte sich in die Küche. Denn es blieb immer der Südwind so um Lichtmeß.

      Am Fest der heiligen Barbara waren es sechs Jahre gewesen, daß ihr Andreas Stralz das Heiraten geheißen hatte. Barmherzige Mutter Anna und hilfreicher Antoni von Padua! Sie hatte treu gewartet, und im Knappendörfel wie zu Öblarn draußen konnt ihr niemand nichts Übles nachreden. Um Neujahr ist auch der jüngste von seinen sechs Brüdern frei geworden und hat, weit auswandernd, sich in Amerika drüben seßhaft gemacht. Und das Haus ist leer …

      Die schöne Jungfrau Constantia schluchzete plötzlich hellauf. Indem sie jedoch das Mus in der Pfanne mit zornigen Stößen zerstampfte, wurde ihr Weinen unhörbar wie auch der schwere Schritt des Herrn Vaters. Er stund auf einmal hinter ihr und fragte mit seiner tonlosen Stimme:

      »Was ist’s mit dem Türhaken?«

      Sie zuckte die Achseln.

      Dann sagte er:

      »Ich bin hungrig.«

      »Es ist anbrennt.«

      Der Knappe wies auf das halb verkohlte Briefchen. Seine Tochter aber schupfte es schnell zur Glut hin, daß es sich also gleich zu einer Flamme einrollte.

      »No?«

      »Ach nix … ein Zettel …«, murrte sie, » … ein Papierfetzen.«

      »Du!« sagte Johannes Sorger rauh. »Du, was hat denn der Lotter draußen? Er lehnt beim Holzzaun und gafft.«

      »Er hat mir ein Bussel geben«, sprach sie leise.

      »So …?«

      »Und ich hab ihn hinausgerennt«, sprach sie laut. »Ansonst wär er wohl noch herinnen.«

      Da drehte sich der Knappe jählings um und ging in die Kammer. Als die Stanzi wieder allein war, schlich sie ans Fenster und spähte ein bißchen durch den Fürhangschlitz; denn sie war noch sehr jung und sehr neubegierig.

      Richtig! Da lauerte der Jager; die Augen zugekniffen, wachsgelb im Gesicht. Schnitzelte mit einem Weidmesser in der Rinde des Ahornbaumes.

      Und am zweiten Tage, nachdem es dusend geworden, stund er wieder dort. Am dritten Tage aber nicht mehr … Es gab einen langen Fasching jenes Jahr. Die blonde Knappentochter hatte sich krank geweint; sonst wäre sie jeden Sonntag bei Predigt und Hochamt gewesen, um es zu hören, wann der Stralz von der Kanzel verkündigt werde. Es bereitete ihr schon eine bitterböse Lust … die Grübelei und das Warten, daß ihr Vater endlich die Botschaft heimbrächte …

      Allein es trug sich nichts dergleichen zu. Und sie fühlte sich immer kränker vor Trutz und Liebe und Unruh. Sonst wäre sie gewiß nach Öblarn hinaus und hätte auf dem Tanzboden alle Schuhe zerrissen in den drei Narrennächten bis zum Aschermittwoch. Unglaublich viel sinnierte sie in der beschaulichen Fastenzeit.

      Am Schmerzhaften Freitag, welchen Datums ihr Vater Hutmann geworden ist, stund sie vom Marodenbett urblitzlich auf und sagte, sie wäre jetzt wieder gesund. Sie scheuerte das kleine Haus von oben bis unten, rieb das Geschirr mit Zinnheu und Sand, damit es blank wie ein Augapfel spiegle, und begoß die welken Fuchsien am Fensterbrett, die ihr Vater vergessen hatte. Dies alles geschah mit völlig totem Herzen nur ihm zulieb, weil sie sich insgeheim schuldig fühlte. Denn am Ostermontag wollte die Stanzi dem guten Menschen einreden, daß ihre Frau Goden in Pürgg sie geladen hab. In Wirklichkeit aber wollte sie auswandern … weit, weit fort. Wohin, das wußte sie selbst noch nicht.

      Heftigen Gemütes, wie sie war, entschloß sich die Stanzi schon zu Palmare. Die gelben Schwefelkrusten rauchten. Der Dunst stieg. Feinstes Grün wagte sich aus dem Almboden. Pestwurz und Buschwindröschen wuchsen den Bach entlang und die dunkelgelben Sterne des Lattich.

      »Ein warmes Frühjahr«, seufzte die Jungfrau Constantia, indes sie die kleinen Fensterflügel zögernd aufschlug. Dann machte sie sich zur Abreise fertig und sprach gar schüchtern und verzagt:

      »Pfüat Gott, Herr Vater, hiaz muaß ich gehen.«

      Er war ganz arglos. Dadurch wurde sie noch trauriger, und während sie mit den Fingern in den Weihbrunn tupfte, überwältigte sie eine trostlose Reue. Ihre herben Mundwinkel zuckten, ihre braunen Augen wurden heiß und blind. Allein sie ließ solches nicht merken und ging mit großen Schritten.

      Wohin? … wohin?

      Ein einziger Gedanke surrte in ihrem Kopf wie ein schweres Rad immer rundherum:

      Wann doch der Weg zwischen Öblarn und dem Knappendörfel niemals ein Ende nähm!

      In den Angern erwachte sie ein wenig aus ihrer Stumpfheit. Bergleute torkelten an ihr vorbei, und im Wirtshaus