Für mich war „Kreation Vollblut“ eine Herzensangelegenheit, und was bleibt, ist die Hoffnung, dass auch die Politik und die Medien endlich begreifen, dass das „Kulturgut Vollblut“ in unserer hektischen Welt unbedingt erhalten werden muss.
In Klammern hinter einem Pferdenamen können stehen: Geburtsjahr; der Vater des Pferdes; die Anzahl der Siege; die gerundete Gewinnsumme; einige der wichtigsten Siege oder andere Hinweise, die der Text jedoch erklärt. Fotos ohne Namensangabe stammen vom Autor.
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Die königliche Wagenkolonne erreicht „Royal Ascot 2017“, wo die deutschen Pferde Danedream (Lomitas) und Novellist (Monsun) 2012 und 2013 das Hauptrennen, die „King George VI and Queen Elizabeth Stakes“ gewannen. (Foto: Racing Post, UK; E. Whitaker)
DEUTSCHLAND IM ÜBERBLICK
Deutschland, das seine ersten Vollblutrennen auf der ältester Rennbahn des europäischen Festlandes 1822 zu Bad Doberan startete, profitierte ebenfalls von dem englischen Blut, doch sollte das noch dauern. Zunächst begann die Zucht mit importierten Vollblütern, und der vom Preußischen Hauptgestüt Neustadt/Dosse 1788 von der Insel importierte Hengst Alfred soll der erste gewesen sein, der nach Deutschland kam. Vorher wurden auch schon „Rennen“ gelaufen, doch geschah das 1804 zu Doberan noch auf freiem Feld.
Als die treibende Kraft der deutschen Vollblutzucht gelten die Barone Gottlieb und Wilhelm von Biel, die Anfang des 19. Jahrhunderts bei Tattersalls Pferde erwarben und eine systematische Zucht auf Gut Zierow begannen, das 1989 zu DDR-Zeiten enteignet wurde. Unterstützung erhielten sie damals auch vom Grafen Hahn (Schloss Basedow), der allein in Mecklenburg 44 Güter besaß und zu den Akteuren zählte, als es um den Bau von Deutschlands ältester Rennbahn zwischen Bad Doberan und Heiligendamm ging. Gegen Ende jenes Jahrzehntes entstanden auch weitere Rennbahnen wie Breslau, Königsberg, Hoppegarten oder Berlin-Lichterfelde 1829, wo auf dem Rittergut Lichterfelde gestartet wurde, nachdem ein Jahr früher ein Vereins für Pferdezucht und Pferdedressur gegründet worden war.
Die allerersten Anfänge sollen jedoch, nach einem Beitrag der Berliner Zeitung von 1990 (Markus Lotter), bis ins 15. Jahrhundert reichen, als Kurfürst Johann Cicero, der sich für Pferde begeisterte, erste Regeln aufstellte, und die Sieger statt Geldpreise Mastochsen, Bullen, Ferkel oder Armbrüste und ähnliche Sachpreise erhielten. Rennen im eigentlichen Sinne waren das natürlich nicht, sondern Volksfeste mit „Pferderennen“ auf märkischem Boden. Und sie blieben es über Jahrhunderte. Es war also noch ein sehr langer Weg, ehe Hoppegarten zum deutschen Newmarket wurde.
In den Dreißiger Jahren des 18. Jahrhunderts gründeten sich neue Rennvereine, der Sport erfuhr Unterstützung von verschiedenen Fürstenhäusern, und 1834 wurde das erste Union-Rennen in Berlin-Tempelhof entschieden. Der Sieger, den Baron Biel (Zierow) gezogen hatte, hieß Alba (Nigel), während sein, von dem Schlenderhaner gezogener Namensvetter, der Wallenstein zum Vater hatte, knappe 100 Jahre später dieses Rennen ebenfalls gewann.
1835 wurde das Wettbuch eingeführt, ein Jahr später liefen die ersten Rennen auf den Rheinwiesen, und 1844 war der von Sir Hercules (Whalebone) stammende Hengst Arnim das erste Pferd in deutschem Besitz (Baron Maltzahn-Cumerow), das in England siegte und zu Newmarket die Willesden-Paddock-Stakes gewann. 1842 hatte bereits die Gothaer Rennbahn erstmals ihre Tore auf einem ehemaligen Exerzierplatz geöffnet, während der 1878 gegründete „Mitteldeutsche Rennverein“ für die Ausstattung des „Boxbergs“ mit einer Flach- und Hindernisbahn verantwortlich war. Im Ersten Weltkrieg, als die Veranstaltungen wie auch beim Zweiten ruhten, wurden die Hindernisse abgebrochen und das Terrain landwirtschaftlich genutzt. 1928 entstand eine neue Jagdbahn, und der zwölf Monate später errichtete „Rennbahn-Bahnhof“ der Thüringer Waldbahn machte den sehr schönen Kurs zu einem populären Treff. Von 1946 bis zu ihrer Enteignung 1953 führte die „Genossenschaft für Vollblutzucht und Rennen Thüringen“ die Geschäfte weiter, und das sich unter „volkseigener Regie“ jährlich anschließende Fünf-Tage-Meeting war ein sehr beliebtes. Nach der Wende gab es Rennen unterschiedlicher Art, doch mussten die Tore, vornehmlich aus finanziellen Gründen, 2011 wieder geschlossen werden.
1846 wurden weitere Wettreglements veröffentlicht, und 1850 war der vierjährige deutsche Hengst Turnus, nachdem sein Stallgefährte Meridian (Glaucus) kurz vorher den „Innkeepers Preis“ auf der Insel gewissermaßen als Test gewonnen hatte, gut genug, um ebenfalls nach England zu reisen und zu Goodwood im Stewards Cup 14 erstklassige Gegner zu schlagen, und zwei Tage später auch den Chesterfield Cup an seine Farben zu heften. Graf Hahn-Basedow hatte den Hengst, der auch seine Farben trug und in der Heimat als Dreijähriger in vier Rennen ungeschlagen war, von dem Muley-Enkel Taurus aus der Whalebone-Enkelin Clarissa gezogen und verkaufte ihn am Ende seiner Rennlaufbahn als Deckhengst nach England. Die Hoffnungen erfüllte er nicht, hinterließ jedoch die Oakssiegerin Butterfly, die, drei Jahre nach Blink Bonny, gewann.
Die Tribüne auf dem Gothaer Boxberg. Die Anregung zum Kauf der 63 Hektar und dem Bau der Rennbahn gab bereits Herzog Ernst der II. von Sachsen-Coburg-Gotha, der dieses Vorhaben auch erheblich bezuschusste (Foto: CTHOE, eigenes Werk, CC-BY-SA.4.0, Commons Wickimedia.org)
Vier Jahre später, 1854, war es der dreijährige Whalebone-Urur-Enkel Scherz, der die deutschen Pferde auf der Insel in den Farben seines Züchters und Besitzers, Baron Wilamowitz-Möllendorf, würdevoll vertrat. Der als Zwei- und Dreijähriger in der Heimat in sechs Rennen ungeschlagene The Provost-Sohn, der sich allerdings auf der Seereise leicht verletzte, musste sechs Tage mit dem Training aussetzten und kam in den Cesarewich Stakes nur als Dritter ins Ziel. Bei seinem nächsten Start, im „Cambridgeshire“ gewann er Start-Ziel mit einem Kopf gegen 18 Gegner, obwohl er von den Dreijährigen mit 47 ¾ kg das höchste Gewicht trug. Scherz lief auch ein Jahr später noch in England und gewann drei von sechs Starts, in der Zucht war er jedoch eine Enttäuschung und wirkte in seinen letzten Jahren in Celle/Hannover in der Halbblutzucht.
Derartige Siege waren jedoch absolute Ausnahmen, denn die deutschen Pferde waren in der Regel ihren ausländischen Konkurrenten unterlegen, und der Große Preis von Baden wurde größtenteils von Franzosen oder anderen Ausländern moderater Qualität gewonnen. Als sich jedoch der Züchterverband formierte, gutklassige Vollblüter importierte und diese anschließend über Auktionen an deutsche Züchter verkaufte, begann sich das Blatt zu wenden.
1858 fanden unter dem Patronat des Französischen Jockey Clubs die ersten drei Renntag zu Iffezheim statt, die durch die Initiative des Spielbankpächters Edouard Bènazet entstanden. In den Rennen, zu denen auch der Große Preis von Baden zählte, starteten, bis auf drei Ausnahmen, nur französische Pferde, und den „Grand Prx“ gewann die dreijährige Fuchsstute La Maladetta, die den Iren The Baron zum Vater hatte und die Farben ihres Besitzerzüchters Auguste Lupin trug.
Knappe 160 Jahre später ist die Werbung für die „Große Woche“ modern geworden (Foto: Mit freundlicher Genehmigung der C. M. E. GmbH City Marketing & Event Baden Baden)
In den 1860er Jahren veranstaltete auch der Landwirtschaftliche Verein Castrop Pferdeprüfungen auf den Schlingermannschen Wiesen in Castrop-Rauxel. Richtig Schwung kam in die Angelegenheit aber erst, als William Thomas Mulvany 1872 das in der Nähe liegende Haus Goldschmieding erwarb, ein Rennkomitee gründete, und zwei Jahre später auf der Naturhindernisbahn, die als „Goldschmieding Rennbahn“ bekannt war, das erste Hindernisrennen auf den Weg brachte. Die