Die Bande vom Vorwald. Siegfried Böck. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Siegfried Böck
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Природа и животные
Год издания: 0
isbn: 9783960087953
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ein sehr beliebtes Gesellschaftsspiel, aber dieses Mal scheint sich Elfriede über den Vorschlag von Erich nur maßlos zu ärgern. Vielleicht ist die Hitze daran schuld oder vielleicht hat sie es auch einfach nur satt, dauernd in ihrer Mittagsruhe gestört zu werden. Mit bewundernswerter Energie rappelt sie sich plötzlich auf und fährt ihren Bruder mit gesträubten Federn heftig an.

      „Tschäck, tschäck, ich glaub es einfach nicht, jetzt muss dieser Dummschnabel auch noch sein Geschicker dazugeben. Hat man denn hier nie seine Ruhe!“

      Mit beißendem Hohn giftet sie weiter, während der völlig überraschte Erich seine ausgerastete Schwester entgeistert anstarrt.

      „Tschäck, tschäck, dann geh mal schön zum Eulenstupsen, du Dummschickerer! Ich für meinen Teil würde es zumindest mal mit fliegen versuchen, oder hat dir die gelbe Scheibe den Kopf so ausgetrocknet, dass du vergessen hast, was Federn und Flügel sind, tschäck, tschäck!“

      Die Hitze scheint Elfriedes Angriffslust aber schneller zu dämpfen, als ihr selber lieb ist. Abrupt beendet sie ihre Schimpftiraden und zieht sich, sichtlich erschöpft, in ihre Ruhestellung zurück, den Bruder jetzt nur noch mit kalter Missachtung strafend.

      Erich öffnet gerade den Schnabel, um Elfriede ebenfalls ein paar Gemeinheiten zu verpassen, doch bevor noch ein einziger Schickerer seinen Schnabel verlassen kann, zerreißen ohrenbetäubende Schreie die hitzeflirrende Luft.

       „Tschääääääck, tschääääääck, tschääääääck!“

      Die Schreie sind so durchdringend und so laut, dass die Geschwister erst einmal erschrocken zusammenzucken, dann richten sich alle Hälse und Schnäbel ruckartig nach oben, denn der Lärm kommt zweifellos von da her und der Verursacher kann sich nur im Wipfel des Schlafbaumes aufhalten.

      Merklich gereizt von der lautstarken Störung schäckert Edgar unwirsch in Richtung der Lärmquelle: „Tschäck, tschäck, was ist los, Eddy? Gibt es vielleicht auch einen Grund für dein Geschrei, oder willst du uns einfach nur die Mittagsruhe verderben, tschäck, tschäck!?“

      Eddy Elster, der Schwarmspäher, der auf seinem luftigen Beobachtungsposten seiner Arbeit nachgeht, hat wieder einmal Alarm geschlagen. Eddy ist, was Größe und Statur anbelangt, kaum mehr als eine Durchschnittselster, aber seine Warnschreie sind berühmtberüchtigt im ganzen Stadtwald und wahrscheinlich auch noch weit darüber hinaus. Sie sind so ziemlich das Lauteste, was Elsternohren hier im Forst je zu hören kriegen. Leider bekommen sie es öfters zu hören, als ihnen lieb ist, denn Eddy Elster ist auch dafür bekannt, dass er sein eindrucksvolles Organ sehr gern und sehr oft einsetzt. Natürlich nur zum Wohl und zum Schutz der Bande. Eine vorbeihuschende Fledermaus oder manchmal sogar nur ein paar verirrte Nachtfalter genügen dem aufmerksamen Schwarmspäher, um einen nächtlichen Großalarm auszulösen.

      Aber jetzt, am helllichten Tag und dazu noch bei dieser Bruthitze? Was mag der Schwarmspäher bloß wieder entdeckt haben? Ein paar Feldspatzen vielleicht, die sich ungebührlich nahe herangewagt haben?

      Die Geschwister wirken daher auch mehr genervt als verunsichert und ihr Murren bleibt dem Schwarmspäher natürlich nicht verborgen. Doch Eddy lässt sich davon nicht im Geringsten beeindrucken und schäckert im saloppen Ton zu den Schwarmfreunden hinunter.

      „Tschäck, tschäck, Überraschung, Freunde. Einer von diesen großen, braunen Krummschnäbeln hat gerade den Wald verlassen und es sieht ganz so aus, als ob er bei uns auf einen Sprung vorbeischauen will, tschäck, tschäck!“

      Das Geschäcker des Schwarmspähers wird jetzt eine Spur hektischer und aufgeregter, aber Angst und Panik scheint das Auftauchen des großen Greifvogels nicht gerade zu verbreiten, komischerweise eher das Gegenteil.

      „Tschäck, tschäck, mich kratzt die Krähe! Der große Braune flattert tatsächlich direkt auf unseren wunderschönen Baum zu, tschääck. Leute, ich spür’s in den Schwanzfedern, dass wir mit diesem Riesendummschnabel gleich einen Riesenspaß haben werden! Macht ihr mit oder soll ich mich allein amüsieren, tschäck, tschäck!?“

      Was jetzt passiert, kann nur der verstehen, der weiß, dass es für alle Rabenvögel nichts Spaßigeres gibt, als einen Bussard zu belästigen. Das Allerspaßigste daran ist, dass Bussarde sich trotz ihres gewaltigen Schnabels und ihrer Dolchkrallen niemals, und zwar wirklich niemals gegen ihre lästigen Peiniger zur Wehr setzen. Es wirkt schon fast lächerlich, wie sich der schwer bewaffnete Greifvogel so lange von den viel kleineren und schwächeren Schwarzweißen piesacken lässt, bis ihm endlich die Flucht gelingt oder seine Verfolger keine Lust mehr haben.

      Elbert Elster, der geniale Kopf der Vorwaldbande, hat daher mit messerscharfem Verstand die These aufgestellt, dass aus der Sippe der Braunen wohl nie eine Geistesgröße, wie er selber ja eine ist, hervorgehen wird. Dazu sind die Kerle einfach zu dumpfbackig.

      Wie dem auch sei. Schon bei der ersten Erwähnung des Braunen verwandeln sich gerade noch hitzeschlappe Vogelgestalten in angriffslustige Bussardjäger. Schläfrigkeit und Hitzestress sind auf einmal wie weggeblasen und vier Augenpaare suchen aufgeregt nach dem gar nicht so unwillkommenen Eindringling. Lange brauchen sie nicht zu suchen. Der große, braune Vogel, der sich im Tiefflug nähert, ist nicht mehr zu übersehen und auch nicht zu überhören, denn er stößt immer wieder miauende Schreie aus, die entfernt an eine Katze erinnern.

      Begeistert schäckert Edgar zum Schwarmspäher empor: „Tschäck, tschäck, Eddy, wir sehen den Braunen jetzt auch und wie es aussieht, will er uns tatsächlich besuchen. Wir sollten ihm zur Begrüßung wirklich ein bisschen die Federn zerzausen. Leute, das wird ne Riesensache, dagegen ist Eulenstupsen das reinste Kükenspiel, tschäck, tschäck!“

      Gemächlich gleitet der Bussard mit halb angewinkelten Schwingen dicht über dem Grasboden des Wiesentales dahin und direkt auf den Schlafbaum der lauernden Schwarzweißen zu. Sein Blick ist nach unten gerichtet, wahrscheinlich ist er auf der Suche nach seiner Leibspeise, nämlich nach Mäusen, und diese Tätigkeit nimmt ihn so in Anspruch, dass er seiner Umgebung keine Beachtung schenkt.

      Gespannt verfolgen die Schwarzweißen den ruhigen Schwebeflug des ahnungslosen Mäusejägers und was sie sehen, ist beeindruckend. Allein die Spannweite der Schwingen beträgt mehr als das Doppelte von dem, was eine große Schwarzweiße vorzuweisen hat, und selbst Edgar wirkt gegen dieses Kraftpaket nur wie ein schwächlicher Zwerg.

      Dann ist es endlich so weit. Ein kurzer, nicht einmal besonders lauter Signalschäckerer ertönt und der Schlafbaum spuckt fünf schwarzweiße, flatternde Gestalten aus, die sich ohne Umschweife und mit lautem Geschrei auf den überraschten Bussard stürzen.

      Bevor dieser überhaupt reagieren kann, hängen Elfriede und Elsa bereits an seinen Schwanzfedern und beginnen heftig daran zu zerren. Edgar und Eddy nutzen den Schwung des Anfluges und stoßen mit aller Wucht auf den tief fliegenden Bussard herab, und zwar so zielgenau, dass es beiden gelingt, ihn mit den Schnäbeln empfindlich am Rücken zu attackieren. Der Braune miaut entsetzt und versucht durch ungeschickte Wendungen seine Peiniger loszuwerden.

      „Hiääh, hiääh, ihr schwarzweißes Lumpenpack, lasst mich in Ruhe, hiääh, hiääh!“

      Verzweifelt versucht der Bussard zu entkommen, doch seine Gegner sind hartnäckig. Zwei davon hängen immer noch schwer an seinem Stoß und behindern durch ihr Gewicht seine Fluchtversuche. Von oben wird sein Rückengefieder durch einen Hagel von Schnabelhieben so heftig bearbeitet, dass überall abgelöste und herausgerissenen Federn und Federchen herumstieben. Der Bussard wird langsamer und das gibt auch Erich, der bisher nur hinterhergeflattert ist, endlich die Gelegenheit, zum Bussard und zu seinen kämpfenden Geschwistern aufzuschließen. Eine abstehende Feder des zerzausten Bussardstoßes ist das Ziel seiner Begierde und schon zum Hineinbeißen nahe, wirklich schon ganz nahe, doch dann breitet der bedrängte Bussard seine Schwingen zur vollen Spannweite aus und beginnt heftig damit zu rudern. Der dabei entstehende plötzliche Luftwirbel schleudert Erich seitlich weg und sein zuschnappender Schnabel klappt ins Leere. Erich stößt einen enttäuschten Schrei aus, aber auch seinen Schwestern geht es nicht viel besser. Beide müssen den Bussardstoß abrupt loslassen, als ihr unfreiwilliger Spielpartner sich plötzlich mit gewaltiger Kraft fast senkrecht in den Himmel hochkatapultiert. Mit