Wo der Hund begraben liegt. Beate Vera. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Beate Vera
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Зарубежные детективы
Год издания: 0
isbn: 9783955522049
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      Glander parkte seinen Audi A4 hinter einem BMW 3er Touring kurz vor Lea Storms Zeile. Er hatte sich für den BenRiach entschieden, einfach weil der Name für ihn außergewöhnlicher klang. Glander war nervös, und das war ein Gefühl, das er ganz und gar nicht mochte. Mann, er war über vierzig! Und obwohl er länger nichts mit einer Frau gehabt hatte, war er sich seiner Wirkung auf das weibliche Geschlecht sehr wohl bewusst.

      Er hörte die Musik aus Lea Storms Küche schon am Anfang der kurzen Häuserzeile und schmunzelte beim Weitergehen. Für einen Moment blieb er stehen, um zu lauschen. Es war eine Live-Aufnahme, ein Mann sang sich die Seele aus dem Leib, begleitet von einer Gitarre: Glen Hansard. Glander erkannte den irischen Sänger und Songschreiber sofort. Dann hörte er die Stimme von Lea Storm. Sie sang das nächste Lied mit, das zu seinen Favoriten gehörte: White Trash Beautiful von Everlast. Die Frau sang gar nicht mal schlecht und war bemerkenswert textsicher.

      Glander war nicht überrascht. Lea Storm, voller Name Penthesilea Storm, geborene Holtmann. Geburtsdatum: 9. Mai 1968. Eltern: Friederike Holtmann und Gordon Mackay, er gebürtiger Schotte mit einem Lehrstuhl für Geschichte an der FU, sie Psychologin mit eigener Praxis, beide 1981 bei einem Autounfall verstorben. Nach dem Tod der Eltern erhielt Leas Tante Patricia, die Schwester des Vaters, das Sorgerecht. Sie ging mit Lea ins schottische Stirling, wo sie an der Universität Englische Literatur lehrte und mit Lea die folgenden Jahre verbrachte. Lea Holtmann machte ihren Abschluss in den Sprachen Deutsch und Englisch im Jahr ’91 und schloss eine Ausbildung zur Simultandolmetscherin ab. Sie begann ihre Tätigkeit in London mit kleinen Aufträgen aus der Wirtschaft. Im Jahr ’92 hatte sie Mark Anthony Storm kennengelernt, einen Architekten aus Berlin, und war mit ihm in die deutsche Hauptstadt heimgekehrt, wo sie regelmäßig von verschiedenen Ministerien bei Besuchen ausländischer Delegationen eingesetzt wurde. Gelegentlich begleitete sie auch deutsche Gesandte nach Großbritannien. Geburt des Sohnes Duncan ein Jahr darauf, im September 1993, Heirat am 21. Dezember 1994, verwitwet am 18. Juli 2011. Seitdem nahm sie eine Auszeit. Ihre Eltern waren nicht verheiratet gewesen, was bei dieser Generation recht ungewöhnlich war. Vielleicht erklärte das, warum sie Glander nicht so wie die meisten anderen Frauen erschien, die er kennenlernte. Sie war das Kind freigeistiger Akademiker, zweisprachig und erfolgreich in ihrem Beruf, wie ihm die durchweg erstklassigen Referenzen verrieten. Glander war ein wenig unsicher geworden, als er ihre Vita heute Morgen auf dem Bildschirm gelesen hatte. Sie las Kafka, er den Kicker.

      Er blickte durchs Küchenfenster und sah Lea Storm dabei zu, wie sie zu dem Lied durch die Küche tanzte und kurz ein Dressing abschmeckte. Wieder vor dem Fenster, hob sie den Kopf und sah ihm direkt in die Augen. Er hatte das Gefühl, als änderte sein Herz schlagartig den Takt, von Everlast auf Underworld, und dann lächelte sie ihn an. Purer Bob Marley!

      Lea fragte sich, wie lange der Hauptkommissar wohl schon vor ihrem Küchenfenster stand. Ob er sie mitsingen gehört hatte? Sie wischte sich die Hände an einem Küchenhandtuch ab und ging ihm die Tür öffnen. Talisker, der quer im Flur lag, spitzte die Ohren, ohne sich weiter zu rühren.

      »Hallo, Herr Glander, kommen Sie rein! Ich bin noch in der Küche. Vorsicht, fallen Sie nicht über mein Mondkalb!«

      »Guten Abend, Frau Storm! Ich … Hier, den hab ich Ihnen mitgebracht.« Grundgütiger, jeder fünfzehnjährige Pennäler war souveräner als er, dachte Glander, als er ihr den Whisky überreichte.

      »Der BenRiach Horizons! Den wollte ich schon lange mal probieren. Was für eine großartige Idee! Ich danke Ihnen.«

      Keine Höflichkeitsfloskeln wie »Das wäre doch nicht nötig gewesen!«. Das gefiel Glander. Er machte einen Schritt, einen sehr großen Schritt, über den Hund und folgte ihr in die Küche. Lea Storm schwenkte einen grünen Salat mit halbierten Kirschtomaten, es roch nach Gesottenem, und sein Magen knurrte hörbar.

      »Verzeihung, ich habe seit heute Morgen nichts mehr gegessen …«

      »Na, dann passt das Timing ja prima, die Steaks müssten fertig sein.« Lea öffnete den Ofen und holte zwei Alufolienpakete heraus, die sie an der Seite einritzte und aus denen sie dann den austretenden Bratensaft in die Spüle tropfen ließ. »Es ist schade um den Saft, der geht sonst in eine Soße. Ich hab jetzt einfach angenommen, dass Sie Ihr Steak medium essen. Meins ist immer außen schwarz und innen komplett durch, ich kann kein Blut auf meinem Teller sehen.«

      »Medium ist perfekt. Kann ich was helfen?«

      »Sie könnten den Salat auf die Terrasse bringen – oder essen Sie lieber drinnen?« Sie blickte ihn fragend an.

      »Nein, nein, draußen ist mir lieber, es ist ein viel zu schöner Abend, um drinnen zu bleiben.« Dabei fiel ihm durchaus etwas ein, das er gern mit ihr im Haus gemacht hätte, so, wie sie in ihrem kleinen Schwarzen vor ihm stand. Er spürte, wie er ein wenig rot wurde.

      Lea Storm hatte sich glücklicherweise wieder den Steaks zugewandt. Ihm den Rücken zugekehrt, sagte sie: »Dann einfach durchs Wohnzimmer, die Tür ist offen, und der Tisch ist schon gedeckt.« Sie drehte sich wieder um. »Oje, ich habe gar kein Bier oder Wein im Haus, daran habe ich nicht gedacht!«

      »Was trinken Sie denn? Da schließe ich mich einfach an.«

      »Nur Wasser. Whisky ist mein einziges Laster.«

      Glander nickte lächelnd. »Wasser zum Essen ist total in Ordnung, trinke ich oft.« Er nahm die Salatschüssel, stieg wieder über ihren Hund und ging hinaus auf die Terrasse.

      Lea fluchte wie jedes Mal, wenn sie sich wieder an der heißen Alufolie die Finger verbrannte. Sie betrachtete das zweite, größere Stück Fleisch, das sie ganz automatisch gekauft hatte. Es war gut, heute nicht alleine zu essen. Sie freute sich über Glanders Gesellschaft, auch wenn er irgendwie komisch drauf war. Er hatte etwas sehr Angenehmes an sich, sie konnte es jedoch nicht so recht einordnen. Seine blauen Augen und die Fältchen in seinen Augenwinkeln gefielen ihr. Er war unrasiert, und auch das fand sie zu ihrer Verwunderung ungemein reizvoll. Es war lange her, dass sie solche Gedanken gehabt hatte.

      »Up, Tally! Komm, mach mal Platz, Großer!« Sie nahm die beiden Teller und folgte Glander auf die Terrasse hinaus.

      Er stand auf, als sie an den Tisch kam und die Teller abstellte, was sie mit einem Lächeln zur Kenntnis nahm.

      »Guten Appetit! Vorsicht, die Teller sind heiß!«

      Das Fleisch war sehr gut, ganz leicht gewürzt und weich wie Butter. Den Salat verfeinerte ein Dressing aus süßem Senf und Himbeeressig.

      »Das schmeckt hervorragend, Frau Storm!«

      »Erlauben die Vorschriften, dass Sie Lea zu mir sagen?«

      »Da ich eigentlich gar keinen Dienst habe, sehe ich kein Problem. Ich bin Martin.«

      »Woher kommen Sie? Ich meine, ein bisschen Norddeutsch bei Ihnen rauszuhören.«

      »Da hören Sie richtig. Meine Familie stammt aus Eckernförde. Mein Vater hat aber viel Zeit auf Montage in Berlin verbracht und die ganze Familie dann Anfang der Siebziger hierher verfrachtet. Die Sommer meiner Kindheit habe ich größtenteils bei meinen Großeltern an der Küste verbracht, dann bin ich irgendwann bei der Kripo in Berlin gelandet. Jetzt arbeite ich allerdings seit einem Jahr in Brandenburg.«

      »Und? Wie finden Sie es dort?«

      »Mir fehlt das Meer. Sonst finde ich nicht viel, ich arbeite.«

      »Unternehmen Sie gar nichts?«

      »Nicht sehr viel, ehrlich gesagt. Ich treibe ein bisschen Sport, und alle paar Wochen besuche ich meine Schwester und ihre Familie hier in Teltow, so wie jetzt gerade. Ich wohne eigentlich in Eberswalde. Da ist der Sitz des Brandenburger LKA.«

      Glander wand sich innerlich. Was musste sie von ihm denken? Aber er hatte sein Privatleben nach der Sache mit Jessica tatsächlich ziemlich vernachlässigt und sich nach der Versetzung nur noch auf die Arbeit konzentriert.

      »Von Berlin nach Eberswalde – das ist sicher eine Herausforderung. Wie sind Sie denn überhaupt dort gelandet?«

      Sie