Hannah und die Anderen. Adriana Stern. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Adriana Stern
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783867549943
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      Der Sportlehrer hat’s dummerweise auch gesehen und ich hatte ein Gespräch mit Frau Liesban. Inhalt? Keine Ahnung, weiß ich echt nicht.

      Scheiße, ich habe irgendwie mal wieder den Faden verloren.

      Ach, ich glaube, es ging um meine neue Redseligkeit. Vielleicht liegt es auch an meinem neuen Klassenlehrer, Herrn Kuck, der ist schon irgendwie echt toll drauf. Im Unterricht macht er so abgefahrene Sachen in Deutsch – aber auch in den anderen Fächern, das ist richtig gut. Ich traue mich vielleicht deshalb mehr. Was vor allem echt toll an ihm ist, dass er mich völlig in Ruhe lässt, wenn ich mal wieder ›abwesend‹ bin, wie man so schön sagt. Er stört mich dann nicht oder versucht, mich auf frischer Tat dabei zu ertappen, dass ich gerade nicht aufgepasst habe, wie es vor ihm schon etliche Lehrer getan haben. Er versteht es einfach und lässt mich machen.

      Das Einzige, was ein bisschen komisch ist, dass er denkt, dass ich voll die tolle Sozialarbeiterin oder Psychologin oder so etwas bin. Weil er dann Mädchen mit Selbstmordgedanken oder Problemen zu Hause zu mir schickt und tatsächlich glaubt, ich könne denen helfen. Irgendwie rede ich dann auch mit ihnen – ich weiß nicht was –, und den Mädchen geht es wirklich besser danach. Ich versuche dann, stolz auf mich zu sein, Herr Kuck ist es auf jeden Fall, aber ehrlich gesagt macht mir das Angst mit den drei Schülerinnen, mit denen ich bisher gesprochen habe. Aber das traue ich mich natürlich nicht Herrn Kuck zu sagen. Ich bin ja froh, dass er nicht so scheiße von mir denkt.

      Weißt du was? Ich finde, ich schreibe irgendwie viel zu wenig über mich, ich meine darüber, wie es mir wirklich geht. Für so vieles habe ich keine Worte, es gibt keine. Und viel zu oft weiß ich überhaupt keinen Grund dafür, warum ich mich schlecht fühle, aber auch nicht, warum ich mich gut fühle. Eigentlich beobachte und analysiere ich mich ständig. Meinst du, das ist in meinem Alter ganz normal? Irgendwie kann ich über solche Fragen echt mit niemandem reden. Manchmal habe ich das Gefühl, von einem völlig anderen Planeten zu kommen.

      Wir haben seit einem Monat ein neues Mädchen in der Klasse. Ich glaube, sie ist nett. Sie kommt aus München und ist neu hierher gezogen, weil ihre Mutter hier eine Stelle gefunden hat. Sie spricht so klar und direkt über sich selbst und mit anderen und hat sehr viel Humor und ist trotzdem auch tiefsinnig und ernsthaft. Sie ist wirklich gut drauf, glaube ich. Ich würde sie so gerne ansprechen, aber ich traue mich nicht.

      Ich wäre wirklich gerne so wie sie. Sie ist so selbstbewusst und redet, wie ihr der Schnabel gewachsen ist, und scheint überhaupt vor nichts Angst zu haben. Ich meine vor allem nicht davor, wie andere über sie denken könnten. Letzte Woche hat sie mich angelacht und ist mit ihren Schulsachen einfach auf den leeren Platz neben meinem gezogen. »Was dagegen, eine neue Nachbarin zu bekommen?«, hat sie gefragt und mich ganz spitzbübisch angesehen dabei. Und ich Idiot habe nur den Kopf geschüttelt. Na ja, jetzt sitzt sie jedenfalls neben mir und ich bin froh darüber.

      Ach, könnte ich doch so reden und mich ausdrücken wie sie. Ich glaube, das ist im Moment fast mein allergrößter Wunsch.

      Warum nur bin ich nicht so wie sie? Warum gibt es niemanden, mit dem ich wirklich über mich reden kann? Und wieso habe ich so große Angst davor? Ich will das nicht mehr! Niemand weiß, wie ich wirklich bin.

      Warum verhält man sich nicht so, wie man ist? Warum ist man nicht einfach so, wie man ist? Vor wem müssen wir uns denn verstecken?

      Ich bin so oft überhaupt nicht ich selbst, ich halte das nicht mehr aus, ich will das nicht mehr. Kannst du das denn nicht verstehen, Klara? Ich will, ich will sofort anders sein!

      So, jetzt ist eine Stunde vergangen. Ich habe den Stift erst mal zur Seite gefeuert und geheult wie ein Schlosshund. Und jetzt geht es schon wieder.

      Also wirklich. Dass ich vor Selbstmitleid nicht zerflossen bin! Es tut mir Leid. Ist ja alles Blödsinn. Ich kenne mich eben nur nicht mehr so richtig (aus). Nimm’s mir nicht so übel. Ich habe das Gefühl (das Gefühl, wie gesagt), ich bin etwas auf die schiefe Bahn geraten. Wie komme ich nur dazu?

       Ich finde einfach keine Worte für meine Gedanken. Am besten male ich nur noch und spreche überhaupt nicht mehr. Im Kunstunterricht lebe ich. Es ist die einzige Zeit, in der ich mich wirklich lebendig fühle. Ich spreche nicht mit Worten, ich spreche mit Farben und Formen. Mein Kunstlehrer hält mich für sehr begabt. Er fährt wirklich total auf meine Bilder ab. Aber ich, ich kann meinen Schmerz, meine Wut, all meine Gefühle nicht mal annähernd deutlich aufs Papier bringen, obwohl mein Lehrer sagt, er hätte selten ausdrucksstärkere und emotionalere Bilder gesehen als meine.

       Es gibt ein Bild, das wir uns letzte Woche angesehen haben im Kunstunterricht. Es heißt ›Der Schrei‹ oder ›Der Schrei auf der Brücke‹. Und genau so fühle ich mich oft. Genau so will ich malen. Ich könnte schreien, schreien, schreien und ich würde bestimmt niemals damit aufhören, wenn ich nur einmal damit angefangen habe. Meinem Kunstlehrer habe ich erzählt, dass ich mit meinem Namen überhaupt nichts anfangen kann und mir einen Künstlernamen wünsche. Er fragte mich dann, wie ich am liebsten heißen würde, und ich sagte ihm, dass ich in Wirklichkeit Silver heiße.

       Er hat nur genickt und nennt mich seitdem Silver. Das finde ich echt klasse.

      Warum schreibe ich solche Sachen? Bin ich es überhaupt, die diese Sachen schreibt? Oder habe ich sie nur irgendwoher geklaut? Ich finde mich schrecklich!

      Liebe Miriam,

      1. Dezember 1994

      triff dich doch einfach mal mit Stephanie. Sie ist ein tolles Mädchen und sie mag dich gern! Deine Klara

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