d) Propaganda der OUN-Bandera-Gruppe: Gesamte propagandistische Tätigkeit der Bandera-Gruppe erfolgt nach einem festen und wohl durchdachten Plan. Nach der Proklamation der „ukrainischen Landesregierung“ in Lemberg wurden entsprechende Unabhängigkeitskundgebungen auch in anderen Städten der ehem. poln. Wojwodschaften Lemberg, Tarnopol und Luzk durchgeführt. Die Bandera-Gruppe hat sogen. Propagandatrupps aufgestellt, die unmittelbar nach der Besatzung durch deutsche Truppen in jeder größeren eroberten Ortschaft sofort sogen. Unabhängigkeitskundgebungen abhalten und örtliche Selbstverwaltungsorgane einsetzen. Ferner wurden Plakate, Flugblätter und z. T. auch illegale Zeitungen verbreitet, in denen die im Lemberger Sender bekanntgegebenen Aufrufe (Proklamation der ukrainischen Landesregierung) zur Veröffentlichung gelangen und ausschl. für die OUN bezw. Bandera-Gruppe Propaganda gemacht wurde. Das Erscheinen von OUN-Zeitungen, die ohne Genehmigung herausgegeben wurden, ist von hier unterbunden worden. Die von der Bandera-Gruppe gleich in den ersten Tagen nach der Einnahme der Stadt Lemberg für sich beschlagnahmten ca. 20 Druckereien wurden der Benutzung durch die Bandera-Gruppe entzogen. Bandera-Gruppe tritt überall als die angeblich vom Reich zur Organisierung des ukrainischen Lebens beauftragte politische Gruppierung auf.
Meldungen der Einsatzgruppen A–C liegen nicht vor.
Einsatzgruppe D: Standort Piatra Neamt.
EK 10a Standort Belzy: Das Kommando 10a hält sich in Belzy auf. Die Zerstörungen erweisen sich umfangreicher als man zunächst angenommen hatte. Eine Anzahl Brände wurden von rumänischen Soldaten plan-und ziellos angelegt. Gewisse Teile der Bevölkerung sind in die Stadt, die vor ihrer Einnahme etwa 60000 Einwohner, davon etwa 32000 Juden hatte, zurückgekehrt. Disziplinlosigkeit rumänischer Truppenteile, die rücksichtslos plünderten, und das Fehlen einer geordneten Aufsicht führten dazu, daß sich die hier verbliebene Zivilbevölkerung, insbesondere die Rumänen in großem Umfang an der Plünderung beteiligten und aus den verlassenen Häusern herausholten, was nicht nietund nagelfest war. Um darin eine Besserung zu erreichen, wurde der rumänischen Polizei, die mit einem Kommando aus Jassy eingetroffen ist, die Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit gestattet. Sie entsendet Streifen zur Bekämpfung des Plündererunwesens und führt die notwendigen polizeilichen Maßnahmen im engsten Einvernehmen mit dem EK durch. Sie enthält sich aber entsprechend einer gegebenen Anweisung jeder Tätigkeit auf politischem Gebiet. Es ist mit dem Eintreffen eines von Jassy entsandten rumänischen Bürgermeisters zu rechnen. Für die Zwischenzeit werden die Verwaltungsgeschäfte von einer dazu geeigneten Persönlichkeit, die mit dem EK in Verbindung steht und von der Stützpunktkommandantur mit der Wahrnehmung der Geschäfte beauftragt worden ist, geführt. Schon vor dem Eintreffen der Stützpunktkommandantur konnten vom Kommando verschiedene vorbereitende Maßnahmen für die Wiederöffnung der Versorgungsbetriebe in die Wege geleitet werden, die nunmehr von der Stützpunktkommandantur fortgesetzt werden. Es haben in den vergangenen Tagen und Nächten wiederholt erhebliche Ausschreitungen rumänischer Soldaten gegen Juden stattgefunden. Die Zahl der dabei getöteten Juden ist nicht feststellbar, dürfte aber mehrere Hundert erreichen.3 Am Abend des 10. Juli hatten rumänische Militärbehörden etwa 400 Juden jeglichen Alters und Geschlechts zusammengetrieben, um sie zur Vergeltung für Angriffe auf rumänisches Militär zu erschießen. Es war dabei zu bemängeln, daß die technischen Vorbereitungen für die Durchführung des Planes unzulänglich waren. Auf Wunsch des Kommandeurs der 170. Inf.Division beschränkte sich der rumänische Befehlshaber im letzten Augenblick auf die Erschießung von 15 männlichen Juden. Die rumänische Polizei sammelt die arbeitsfähigen Juden und nimmt sie in Bewachung. Diese Juden werden im übrigen zu Aufräumungs-und Reinigungsarbeiten herangezogen. Auf Wunsch des Kommandeurs der 170. Inf.Division wurden vorgestern etwa 70 Geiseln, deren Zahl auf 200 erhöht werden soll, festgenommen, um die Truppe gegen eine Wiederholung hinterlistiger Angriffe, wie sie sich mehrfach ereignet hatten, zu sichern. Da erneut ein deutscher Militärkraftwagen in einem Vorort von Belzy beschossen worden war, erfolgte eine Erschießung von 10 Geiseln.4 Sämtliche führenden Staats-und Parteifunktionäre sind flüchtig. Die Überprüfung verschiedener Ukrainer, die sich in der hies. Gefangenensammelstelle befinden, ergab, daß sie sämtlich ohne jede Begeisterung in den Krieg gezogen sind und die Deutschen als Befreier erwarten. Es ist ihnen beim russischen Militär gesagt worden, daß sie von den Deutschen im Falle ihrer Gefangennahme erschossen werden würden; sie waren aber auf Grund der ihren Vätern, die im Weltkriege deutsche Kriegsgefangene waren, zuteilgewordenen Behandlung der Überzeugung, daß das nur Lügen der roten Machthaber seien. Auch aus anderen Quellen ist bekannt geworden, daß die Ukrainer sich in größeren Mengen von der aktiven Teilnahme am Kampf gegen den deutschen Vormarsch fernhalten.
III) Militärische Ereignisse: Keine Meldungen.
Verteiler:
RFSS und Chef der Deutschen Polizei
Chef der Sicherheitspolizei und des SD
Chef der Ordnungspolizei
Alle Amtschefs
Gruppe II D–SS-O’Stubaf. Rauff
Gruppe III B
Gruppe VI C
IV D, IV D 1, IV D 2, IV D 3, IV D 4
IV E, IV E5
IV A 2
IV A 4 (Reg.Rat Schulz)
Einsatznachrichtenführer (Reg.Rat Paeffgen)
Pol.Rat Pommerening
IV-Gst.
IV A l d (5 Reserve)
Aus:BAB, R 58/214
1 Vgl. Curilla: Die deutsche Ordnungspolizei, S. 860–866; Pohl: Nationalsozialistische Judenverfolgung in Ostgalizien, S. 57 f.
2 Zum wachsenden ukrainisch-polnischen Gegensatz: Tadeusz Piotrowski (Hrsg.): Genocide and Rescue in Wołyn´. Recollections of the Ukrainian Nationalist Ethnic Cleansing Campaign against the Poles during World War II, Jefferson-London 2000; Timothy Snyder: The Causes of Ukrainian-Polish Ethnic Cleansing 1943, in: Past and Present 179(2003), S. 197–235; Grzegorz Motyka: Der polnisch-ukrainische Gegensatz in Wolhynien und Ostgalizien, in: Chiari: Die polnische Heimatarmee, S. 531–547; Frank Grelka: Zur Transformation des polnischen Nationalstaates in einen kolonialen Rassenstaat. Die Nationalitätenpolitik der deutschen Besatzungsbehörden in Ostpolen 1941–1944, in: Młynarczyk: Polen unter deutscher und sowjetischer Besatzung, S. 253–279.
3 Belzy wurde am 9.7.1941 endgültig von der Roten Armee geräumt. Nach Sichtung der Lage meldete das SK 10a: „Nach auseinandergehenden Angaben 50–80% der Bevölkerung Juden; letzte Zahl aber wahrscheinlich zu hoch gegriffen. Von diesen die zionistisch eingestellten Elemente russischerseits nicht besonders wohlwollend behandelt. Die anderen dem Vernehmen nach Anhänger des Rätesystems, z. T. in einflußreichen Stellungen. Dieser Personenkreis – dazu auch viele reiche Juden – ebenfalls geflohen.“ Es kam zu umfangreichen Exzeßtaten durch die rumänische Soldateska in der Stadt. Diese Ausschreitungen kanalisierten im folgenden das SK 10a, die deutsche 170. ID u. insbesondere die seit 15.7. vor Ort agierende FK 810 unter Oberstlt. Ulrich von Coler, die auf „Geiselerschießungen“ setzten; vgl. Angrick: Besatzungspolitik und Massenmord, S. 146ff., 163ff.
4 Am 16.7.1941 fand eine Besprechung mit dem Ic AOK 11, Major Ranck, statt, bei