Kapitel Vier
So begann die Scharade, bei der sich Anjou jeden Tag in die Kombüse schlich, um bei den Mahlzeiten zu helfen. Sie verbrachte einige angenehme Tage mit dem Kochen. Solange sie unter Deck blieb, war es nicht allzu schwierig, dem Kapitän aus dem Weg zu gehen. Es sprach sich schnell unter der Besatzung herum - und die Männer fanden es gut, wie ihr Master an der Nase herumgeführt wurde. Sie gewann einen nach dem anderen für sich, vor allem, als sich ihre Kochkünste verbesserten. Das lag daran, dass sie einige Rezepte des Kochs gefunden hatte. Sie war überrascht, dass ihr erster Eintopf essbar war, als ihr auffiel, wieviel Gewürze sie genommen hatte.
Es war erstaunlich, wie sehr sich die Laune besserte, wenn man etwas Anständiges zu essen hatte. Nun, vielleicht nicht unbedingt anständig, aber es war auf alle Fälle besser, als immer und immer wieder das Gleiche zu essen. Sie stellte fest, dass ihr die Arbeit Spaß machte - es lenkte sie von ihren Sorgen ab und von der langweiligen Reise. Erbsensuppe, Sauerkraut mit gesalzenem Rindfleisch und Shepherd‘s Pie waren zwar nicht ihre Lieblingsspeisen, da sie mit einer französischen Mutter und einem französischen Koch groß geworden war, aber sie musste sich mit dem abgeben, was zur Verfügung stand. Im Laderaum, direkt unter der Kombüse, standen Fässer mit gepökeltem Fleisch und Fisch, Kartoffeln und Gerste, Kohl und Erbsen, dazu noch Mehl, Zucker und Schiffszwieback, der von den Männern liebevoll „tack“ genannt wurde. Und das waren nur die Fässer, die sie sehen konnte. Sie waren bis zur Decke gestapelt, oder in Deckhöhe, wie sie es oft von ihnen gehört hatte. Bislang hatte die Besatzung wohl nichts anderes als Haferschleim gegessen, dachte sie, als sie die riesigen Fässer näher begutachtete. Wussten sie, dass das ganze Essen hier stand? Konnte wirklich keiner von ihnen kochen? Vielleicht waren sie auch alle so überarbeitet, dass es ihnen egal war.
Sie fand ein Rezept für einen Rhabarberkuchen, das himmlisch klang. Früher hatte sie zugesehen, wie er gemacht wurde, daher hatte sie die Hoffnung, dass sie es schaffen würde. Sie fand Mehl, Zucker und Butter, aber wo war der Rhabarber? Sie ging ins Lager und sah sich um, aber sie konnte keine Fässer mit Obst finden. Vielleicht gab es irgendwo frische Zutaten, von denen sie nichts wusste. Sie würde Biggs fragen, wenn er zurückgekommen war. Sie entdeckte einen Schrank und begann darauf zuzugehen, als sie ein kratzendes Geräusch hörte. Bevor sie sich umdrehen konnte, lief etwas über ihre Füße und sie schrie auf.
Biggs kam über den Niedergang, die Arme beladen mit Eiern und einem Eimer mit Milch, der überschwappte.
„Was ist los, m‘lady?“
Sie war zu erschrocken, um zu sprechen. Stattdessen zeigte sie in die Ecke und hielt ängstlich eine Hand gegen ihre Brust.
„Hat Sie was erschreckt?“
Sie nickte.
„War vermutlich eine der Ratten. Die Katze wird sie kriegen.“
Sie raffte ihre Röcke und rannte hinter ihm die Leiter hoch, bevor sie es herausfinden konnte. Sie schaffte es bis in die Kombüse und hielt an, um zu Atem zu kommen. Ratten? Würde es auch Läuse und anderes Ungeziefer geben? Sie begann sich zu kratzen, als sie an die Nächte dachte, als sie dem Terror in Frankreich entflohen waren und Ratten, Läuse und alle anderen Arten von Unannehmlichkeiten erdulden mussten. Und jetzt hatte sie sich dem freiwillig ausgesetzt. Sie erschauderte. Die Hoffnung auf angenehme Träume hatte sich gerade in Luft aufgelöst.
„Geht es Ihnen gut, m‘lady?“, fragte Biggs, als er mit den Eiern und der Milch hinter ihr herkam.
„Ja, aber ich kann Nagetiere nicht ausstehen.“
„Der Käpt’n auch nicht. Er hat eine Katze, die sich darum kümmert.“
Eine Tatsache weniger, die sie ihm anlasten konnte, dachte sie, aber vielleicht brauchte er eine zweite Katze.
„Sind das Eier? Und Milch? Wo kommt das her?“
„Na ja, es gibt Ziegen und Hühner“, sagte Biggs mit einem Anflug von Spott. Sie wusste, wo Eier und Milch herkamen, aber sie hatte nicht gewusst, dass Tiere an Bord waren.
Einer der Seeleute stürmte die Treppe hinab und durch die Kombüse an ihnen vorbei, ohne zu nicken oder Hallo zu sagen. Er hatte einen langen, geflochtenen Zopf und eine gestrickte Mütze auf seinem Kopf.
„Er hat Angst, mit Ihnen zu sprechen. Angst, dass er seine Portion Rum verliert“, erklärte Biggs, als sie dem Mann nachstarrte.
„Hat er Ihnen befohlen, nicht mit mir zu sprechen?“
„Nicht direkt. Aber er sagt, dass man mit einer Dame anständig spricht, und die meisten wissen nicht, wie das geht.“
Ihr war aufgefallen, dass die meisten Männer in ihrer Gegenwart scheu waren, genau wie sie, und das reduzierte ihr Misstrauen ihnen gegenüber. Sie mussten durch die Kombüse, um zu ihren Quartieren zu gelangen, aber sie sagten kaum ein Wort zu ihr, obwohl sie hörte, wie sie miteinander sprachen. Sie waren ein derbes Pack, ohne Zweifel, aber sie sah, dass sie sich bemühten, auf ihre Rülpser und ihre Sprache zu achten, wenn sie in der Nähe war - zumindest das, was sie davon verstand. Die meisten Sprachen verstand sie nicht, aber jetzt wusste sie, warum sie sich so benahmen.
Der Kapitän und Charles aßen mit den Maaten im Salon des Kapitäns, und sie aß allein, obwohl man sie eingeladen hatte, sich ihnen anzuschließen. Je weniger Worte sie mit Kapitän Harris wechselte, desto besser.
Sie begann, die Zutaten für den Teig anhand des Rezeptes zu mischen.
„Biggs, wissen Sie, wo der Rhabarber ist?“
Er sah sie ausdruckslos an.
„Wissen Sie, was Rhabarber ist? Ich brauche ihn für den Kuchen.“
Er schüttelte den Kopf. „Der Koch hat nie Kuchen gemacht.“
„Ich habe das Rezept doch hier, also muss er es gemacht haben“, beharrte sie. „Ich brauche Rhabarber. Vielleicht hat der Kapitän ihn an einem speziellen Ort?“
Angst erschien auf dem Gesicht des jungen Mannes.
„Würden Sie bitte gehen und ihn fragen?“ Sie sah ihn bittend an und jeder geringere Mann wäre ihren großen, blauen Augen erlegen, von diesem schlaksigen Jungen ganz abgesehen, der kaum eine Frau sah.
Biggs schluckte hart, nickte und ging davon, um ihrer Bitte Folge zu leisten.
Edward sah vom Achterdeck hinab und erspähte Biggs, der sehr nervös aussah. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass dieser jemals hier heraufgekommen wäre. Er musste etwas für die Kombüse brauchen.
„Kann ich dir helfen, Biggs?“
„Aye, Sir.“
„Dann lass hören“, sagte er ermunternd und versuchte, mit dem jungen Mann Geduld zu haben.
„Aye, Sir. Haben Sie vielleicht etwas Rhabarber?“
„Sagtest du Rhabarber, Biggs?“
„Aye, Sir. Ich glaube schon.“
„Was sollte ich mit Rhabarber machen?“
Biggs bekam rote Wangen und verhaspelte sich mit seinen Worten. Edward versuchte, sich nicht zu sehr zu amüsieren.
„Sie, ich meine ich brauche ihn für einen Kuchen, Sir.“
„Kuchen? Gibt es einen besonderen Grund?“
Dies war eindeutig jenseits des Verständnisses des Jungen und seiner Möglichkeit zur Täuschung.
„Ich weiß es nicht, Sir.“
„Ich