DIE SNUFF-KILLER. Robert Blake Whitehill. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Robert Blake Whitehill
Издательство: Bookwire
Серия: Blackshaw
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958356191
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klebrigen Umarmung. Angetrieben von reinem Ekel drückte er die Liebe seines Lebens mit beiden Händen in den Schlamm. Tahereh bewegte sich nicht noch einmal. Es gab kein Geräusch außer dem Regen und dem Wasser, das durch die Schlucht rauschte. Chalk sagte sich, dass er Tahereh nach ihren letzten Worten fragen konnte, wenn sie sich das nächste Mal sahen.

      

       Kapitel 9

       Eine gute Stunde lang schritt Ben Blackshaw auf dem Vorderdeck auf und ab, wie der wahnsinnige Schiffskapitän einer alten Seemannsgeschichte aus dem 19. Jahrhundert. Der kalte Regen half ihm, einen klaren Kopf zu bekommen. Beim ersten Zeichen des Sonnenaufgangs, der die Nachtwache im Osthimmel ablöste, ging er leise wieder unter Deck. Sein Gast schlief noch immer.

      Blackshaw musste seine Abgeschiedenheit schützen. Er musste seine Anwesenheit auf diesem Wrack vor allen außer seinen wenigen vertrauenswürdigen Freunden geheimhalten. Er musste die Lüge seines Todes aufrechterhalten, damit er nicht zur Beute in einer gnadenlosen Jagd geriet. Obendrein war da noch seine heimliche Arbeit, einen gestohlenen Goldvorrat in Kunstwerke umzuarbeiten und diese Stück für Stück auf einen erlesenen Markt zu schmuggeln, der sich nicht um seinen Namen scherte, sondern stattdessen die mysteriöse Herkunft solch seltener Werke in einem derart kostbaren Medium würdigte.

      Jeder in seinem Zuhause auf Smith Island, weniger als dreihundert Seelen, hatte Interesse daran, dass seine einsamen Bemühungen ohne Unterbrechung voranschritten. Der Vorrat belief sich auf Tonnen von Gold; so viel zu tun. Er konnte nicht zu einem einfacheren Leben auf den Gewässern der Chesapeake Bay heimkehren, wollte sich nicht diesen Frieden erlauben, bis jede vermaledeite Unze zu etwas Schönem gemacht worden war – und dann zu Geld.

      Er wiegte die .45er der Frau noch einmal in der Hand und betrachtete seine Möglichkeiten. Es gab bereits zwei Leichen von unglückseligen Söldnern in den gefluteten Eingeweiden der American Mariner, die nach einem brutalen Übergriff im letzten Winter zu Suppenknochen verrotteten. Würde noch eine Leiche wirklich einen Unterschied machen? Blackshaw zögerte, als ihm einfiel, wie seine bezwungenen Feinde dazu neigten, ihm spektrale Gesellschaft zu leisten, wenn er gerade am Einschlafen war. Er wusste, dass diese junge Frau lange nach ihrem letzten Atemzug wie eine Rachegöttin verweilen würde.

      »Ben?«

      Die Stimme riss ihn aus seinen Gedanken, während er sich dem Geräusch entgegendrehte, den Hahn der Pistole spannte und auf den neuen Eindringling zielte.

      LuAnna, Blackshaws wunderschöne Frau, stand in der schattigen Türöffnung der Kabine und ließ die Szene auf sich wirken. Er konnte nicht sagen, ob die Überraschung in ihrem Gesicht von dem Mädchen in seinem Bett oder von dem unbeirrten Pistolenlauf, der auf ihr Brustbein gerichtet war, herrührte.

      »Schau mich nicht so an«, sagte sie.

      »Wie denn?«

      »Als wär ich diese nervige Frau, die dein liebstes Paar Titten zum Spielen vorbeibringt. Was ist das für ein Weibsstück? Machen Callgirls jetzt auch Hausbesuche?«, stichelte sie seufzend. »Ich werde dir dein Satelliten-Telefon wegnehmen müssen. Diesmal vielleicht für 'ne ganze Woche.«

      »Es ist nicht das, wonach es aussieht«, entgegnete er.

      »Manche würden behaupten, es wär zu spät für Eheberatung, aber ich seh das anders«, sagte LuAnna mit einem Kichern in der Stimme.

      Bens Anspannung ließ nach. Er betätigte die Sicherung und legte langsam den Schlagbolzen zurück. LuAnna trat leise in die Kabine. »

      Die snurkst ja überhaupt nicht laut.«

      »Hat mich auch gar keinen Schlaf gekostet«, antwortete er gleichermaßen im eigenwilligen Smith-Island-Ton.

      Blackshaw war froh, dass LuAnna da war. Nachdem sie ihm in seinem ersten Unterschlupf in New York Gesellschaft leistete, hatte sie sich nun in vertrautere Gefilde zurückgezogen und lebte allein in ihrem Haus auf Smith Island. An diesem Morgen hatte sie den Weiten der Chesapeake, die zwischen Smith und der American Mariner lagen, in einem alten Krabben-Skiff getrotzt. Das Skiff lag so flach im Wasser, dass manche sagten, es könne auf Tau schwimmen. Sein Tiefgang war jedenfalls gering genug, um selbst bei Niedrigwasser durch den Spalt auf Höhe der Wasserlinie des alten Liberty-Frachters zu lavieren.

      »Sorry, dass ich beim Anlegen nicht geholfen hab«, sagte Blackshaw.

      »Ich hab's ganz gut hingekriegt … so für'n Mädchen.«

      Wie Blackshaw war auch LuAnna auf Smith Island geboren und kannte sich mit allen Wasserfahrzeugen in der Chesapeake aus. Ihre Karriere als Corporal der Natur- und Wasserschutzpolizei von Maryland mit vielen langen Patrouillen hatten ihrer Gewandtheit auf dem Wasser auch nicht geschadet. Die Ankunft der Goldbullionen hatte sie zu der bedeutsamen Entscheidung bewogen, den Polizeidienst hinter sich zu lassen und Smith Islands düsteres Erbe der Piraterie gemeinsam mit Blackshaw und vielen ihrer Nachbarn anzutreten.

      »Hat sie auch 'nen Namen?«, piesackte LuAnna.

      »Davon geh ich aus. Hat'n mir aber nich' verraten und hat auch keinen Pieps von sich gegeben, seit sie eingetrudelt ist.«

      »Wette, sie hat ihre Gründe.«

      Von der Unterhaltung gestört, regte sich der Gast im Schlaf. Die Decken rutschten zur Seite und offenbarten ihre ungewöhnliche Schlafbekleidung. LuAnnas Augenbrauen schossen mit skeptischer Zurkenntnisnahme nach oben. Ihr Ton klang weniger unbeschwert, als sie sagte: »Da reist jemand mit leichtem Gepäck. Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt für Erklärungen.«

      »Bin wach geworden, als ein Dingi im Laderaum angeklopft hat. Sie muss durch das Loch hereingetrieben worden sein, wie der alte Baumstamm auch. Sie lag am Boden vom Boot. Ich hab gedacht, sie wär tot. Sie hatte 'ne Waffe. Hat mich etwas überrascht. Hab ihr was zu Futtern gegeben und dann gingen bei ihr die Lichter aus.«

      Beim Stichwort Essen schob LuAnna einen Weidenkorb voll mit aromatischem hausgemachtem Lieblingsspeisen in Blackshaws Arme. Dann kniete sie sich neben das Feldbett und studierte die junge Frau. »Mir gefällt nicht, wie du sie angesehen hast, Ben.«

      »Sie hat ein wachsames Auge verdient.«

      »Da ist 'ne Gänsepastete im Korb. Und Kuchen.«

      »Schokolade? Sieben Schichten?«

      »Neun.«

      »Schokolade?«

      »Um Himmels willen, Ben, du hörst dich an wie'n Kind«, tadelte LuAnna.

      »Ist mein einziger Luxus.«

      »Armes Kind. Du kannst jederzeit heimkommen.«

      »So bald noch nicht. Du weißt, dass es nicht geht. Trotzdem, hier draußen kann es haarig werden.«

      »Und du wolltest etwas Abwechslung reinbringen, indem du dieses Kind verschwinden lässt?«

      »Kam mir in den Sinn. Ich bin nicht zum Spaß auf diesem Schiff. Du weißt, was auf dem Spiel steht. Du bist für das Gold fast gestorben, LuAnna. Das will ich nicht noch mal erleben.«

      LuAnna wurde starr bei der Erinnerung an ihren Beinah-Zusammenstoß mit dem Sensenmann im letzten Herbst. Sie stand auf, wandte sich Ben zu und nahm die Pistole aus seiner Hand. »Du hast mir das Leben gerettet. Das hielt ich für sehr galant. Das hätte sonst keiner für mich getan.« Sie küsste ihn sanft.

      »Ach, das war doch nichts Besonderes. Was man nicht alles macht.«

      »Du kannst ihr das nicht antun. Der Ben, den ich kenne, wäre nicht dazu fähig. Nicht aus Liebe oder für Geld.«

      »Da wäre noch die Arbeit. Es ist nicht nur für dich und mich.«

      »Du meinst die Arbeit, die du schon einmal liegen gelassen hast, um deinem alten Boss zu helfen und durch die Welt zu tingeln?« LuAnna bezog sich auf Bens jüngsten Jagdausflug, bei dem er auf Geheiß seines früheren kommandierenden Offiziers einen Counter-Sniper finden sollte.

      »Das