»Sind die beiden verrückt, Marshal?«
Rio packte Jewy und stieß ihn gegen den Herd. »Wir halten jetzt keine Reden, Freundchen!«
Jewy Zattig taumelte gegen die Wand.
»Lässt sich der Herd bewegen?«, fragte Cobb schleppend. »Sehr groß ist er eigentlich nicht.«
»Die beiden sind nicht dicht in den Köpfen.«
»Mit dem Holz verbindet sich der Mörtel aber wirklich nicht«, sagte der Stadt-Marshal. »So einfach das ist, so schwierig hat man es, darauf zu kommen. Willst du es nicht versuchen, Jewy?«
»Ich frage mich, was der Quatsch soll.«
»Sie behaupten, McClures Geld wäre darunter versteckt.«
Boris zitterte. Hörbar schlugen seine Zähne aufeinander. Schweiß perlte ihm auf der Stirn.
»Hilf deinem Bruder!«, befahl Cobb.
»Wir haben McClure nicht auf dem Gewissen!«, stieß Boris hervor. »Großes Ehrenwort!«
Cobbs Gesicht verzog sich zu einem müden Grinsen. »Ihr habt uns schön an der Nase herumgeführt. Wirklich prachtvoll ist euch das gelungen. Aber alles hat irgendwann ein Ende. Bindet mich los, ich rücke den Herd weg!«
Jay holte ein Messer aus dem schmalen Spind hinter der Tür und befreite den Stadt-Marshal. Cobb ging zum Herd und schob ihn mit Gewalt zur Seite. Er bückte sich, entfernte mit den Fingern das eingesetzte Bodenbrettstück und griff in das Loch darunter.
Als er den Sack mit den klimpernden Münzen aus der Hand fallen ließ, rannte Jewy ihn um. Rio ging dazwischen, zog Jewy hoch und setzte ihm die Handkante gegen den Hals. Der Kerl schrie und strauchelte.
Boris fand den Weg zur Tür frei und rannte los.
Jay sah ihn zu spät und griff ins Leere.
Draußen schwang sich Boris auf das Pferd des Marshals.
»Rio, bleib hier!«, rief Jay und rannte hinter dem flinken Farmer her. Er konnte ihn nicht mehr einholen.
Boris sprengte in die Nacht hinaus.
Jay schwang sich auf seinen braunen Hengst und galoppierte hinterher. Er zog das Gewehr aus dem Scabbard und feuerte. Doch das konnte Boris Zattig nicht mehr beeindrucken. Er schlug auf das Pferd ein und schlug einen Haken. Mitten durch das Maisfeld erreichte er das Buschland, das er wie seine Tasche kannte.
Als er den dritten Haken schlug und Jay hinterher wollte, lief der Braune ins Dickicht und verfing sich darin. Jay wurde ausgehoben und über den Hals des Pferdes geschleudert.
Boris preschte davon.
Jay erhob sich. Die Schulter und der Arm schmerzten ihn, und er hinkte, als er zurückging und dem Tier half, sich aus dem Buschwerk zu befreien. Aber er wollte nicht aufgeben, stieg in den Sattel und nahm die Verfolgung wieder auf.
*
Jewy saß zusammengesunken auf einem Schemel und blickte die Dielen an. »Alles sah so einfach aus«, murmelte er kopfschüttelnd. »Diese blöde Gans aus der Kneipe.«
Cobb zählte das Geld auf dem Tisch und hörte gar nicht hin. Die Silbermünzen formten sich unter seinen Händen zu funkelnden Türmen und wurden zu einer ganzen Kette.
» Achttausendzweihundertdreißig «, sagte der Stadt-Marshal. »Ganz schön für zwei.«
Jewy blickte auf. »Jahrelang sprachen wir davon, den alten Trottel zu erleichtern. Aber der Verdacht wäre immer gleich auf uns gefallen. Nie hätten wir hoffen dürfen, dass Gras darüber wächst und wir mit dem Geld verschwinden könnten.«
Cobb räumte das Geld über die Tischkante in den Beutel zurück, den er darunter hielt. Er schnürte ihn zu und legte ihn auf den Tisch. Sein Blick fiel auf Rio Shayne, der an der Wand lehnte. Den Revolver hatte er in den Halfter gesteckt.
Vom Hufschlag konnten sie längst nichts mehr hören.
»McClure wurde von zwei Kugeln getroffen«, sagte der Stadt-Marshal. »Aus zwei Gewehren, wie ich annehme. Ihr seid beide seine Mörder, Jewy!«
»Das blöde Weib«, knurrte Zattig, der dem Marshal offenbar nicht zugehört hatte und den am Geschehen auch nur interessierte, dass sein Plan nicht aufging.
»Wir warten, bis dein Freund zurück ist«, wandte Cobb sich an Rio. »Dann reiten wir zur Stadt.«
*
Jay zügelte den Braunen am Saum des Waldes. Vor ihm brach das Unterholz zwischen den Kiefern. Boris Zattigs Vorsprung schmolz wieder dahin. Da er auch keine Waffe an sich bringen konnte, sah Durango keine große Gefahr für sieh.
»Weiter!«, rief er dem Hengst zu und trieb ihn an.
Der Braune trug ihn in das Gehölz hinein.
Da erreichte ein scharfes Wiehern seine Ohren. Der Verfolgte stieß einen Schrei aus. Ein tiefes Brummen übertönte die anderen Laute.
Jay dachte augenblicklich an den verletzten Bären, riss das Gewehr aus dem Scabbard und repetierte es.
Da der nächste Schrei.
Der Braune bockte. Jay wusste, dass er ihn nicht weiterbringen würde, sprang ab und hastete vorwärts.
Das Bersten von Ästen, ein neuer Knurrlaut und Zattigs Geschrei verrieten, wo Durango suchen musste. Ein paar Herzschläge später erreichte er eine kleine Lichtung und sah im Morgengrauen, wie das gewaltige Tier den Farmer festhielt, an sich zog, ihn biss und zur Erde schleuderte.
Jay feuerte. Die Kugel traf den bereits verletzten Kodiakbären und ließ ihn zusammenzucken. Durango repetierte, feuerte wieder und ging dabei rückwärts.
Die Bestie ließ von dem am Boden liegenden Opfer ab. Schwankend verfolgte sie den neuen Gegner.
Jay schoss und traf das gewaltige Tier diesmal zwischen die Augen. Es schwankte stärker, kam nicht mehr vorwärts und drohte nach der Seite zu kippen.
Schuss um Schuss jagte der Vormann aus der Winchester, und jede Kugel traf den Leib des Tieres, aus dem das Blut in Strömen floss. Und doch näherte sich das fast brüllende Tier ihm immer weiter und schlug mit den Pranken um sich.
Die letzte Kugel fuhr der Bestie in den aufgesperrten Rachen. Sie stoppte, taumelte rückwärts wie betrunken und brach zusammen.
Aus dem Wald hallte das Wummern der Schüsse zurück.
Jay ließ die Winchester sinken. Pulverdampf und Schweiß brannten ihm auf der Haut. Er wartete darauf, dass der Kodiakbär sich wieder erheben würde, aber das Tier schlug nur um sich, versuchte zwar, auf die Füße zu kommen, besaß aber keine Kraft mehr dafür.
Jay umging den geschlagenen Gegner. Als er Boris Zattig richtig sehen könne, wurde ihm übel. Der Mann sah sich kaum noch ähnlich. Gesicht, Arm und Hüfte waren verletzt. Er wollte etwas sagen, formte auch noch Worte, nur auszusprechen vermochte er sie nicht mehr.
Der Farmer war am Ende.
*
Als sie die Stadt erreichten, stand .die Sonne bald im Zenit. Die Menschen säumten die Straßenränder und liefen mit zum Office des Marshals hinauf. Dort erst hielt James Cobb an. Zwischen ihm und Jay saß Jewy Zattig gefesselt auf seinem Pfred. Boris hatten sie auf der Farm beerdigt, weil ihn der Kodiakbär so fürchterlich zurichtete.
Alle Leute sahen, dass etwas anders war, als sie vermutet hatten. Und alle blickten abwartend auf den Marshal.
»Zattig und sein Bruder«, sagte Cobb, zog den Beutel aus der Tasche und warf ihn dem Drugstorebesitzer zu.
»Was?«, fragte der Schmied.
»Begreift ihr es etwa immer noch nicht?«, herrschte Cobb die Menge an. »Die beiden haben für uns eine gewaltige Komödie vorbereitet. Und wir Idioten stolperten