Die moderne Wohnung und ihre Ausstattung. Joseph August Lux. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Joseph August Lux
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066113513
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alter Familienbesitz, wenn sie also echt sind. Zwar werden solche Zimmer, die vollständig mit altem Hausrat angefüllt sind, den Eindruck eines Museums machen, aber ein solches Familienmuseum, mit dem sich viele freundliche Erinnerungen verknüpfen, wird immer ein besonderer Schatz sein. Weit über den persönlichen Wert hinaus, besitzen sie die Kraft eines lehrreichen Beispiels, welches für den Ausbau unserer häuslichen Kultur in großem Sinne vorbildlich ist. Sie sind die Vorläufer des modernen Möbels. Mit ihrer bezwingenden Einfachheit und Anspruchslosigkeit waren die Räume geeignet, die Geberden und Bewegungen jener gemüt- und geistvollen Menschen maßvoll aufzunehmen, die Stimme des Geistes und Herzens austönen zu lassen, ohne sie durch den Unrat der Geschmacklosigkeit, durch die Wirrnis von Schnörkel und Stilbrocken, in denen babylonisch die Sprachen aller Völker und Zeiten ertönen, zu beschämen und lächerlich zu machen. Aus allen Winkeln jener Interieurs, zwischen dem ernsten, einfachen Hausrat, hinter den weißen Gardinen und zwischen den Blumen am Fenster winkt der genius loci freundlich hervor, und es ist kein Stuhl und kein Schrank, kein Gegenstand des Gebrauches, der nicht den Geist der Vorfahren trüge, ihre Taten, ihre Ideale, das Wesen ihrer Persönlichkeit und ihr Gedächtnis überlieferte. So erscheint uns Späteren das großväterische, anspruchslose Biedermeierzimmer als das traute Heim von Menschen, denen die Heimat nicht nur ein Wort oder Begriff war, sondern der gesetzmäßige künstlerische Ausdruck der Persönlichkeit in den Gegenständen der Häuslichkeit. Die Interieurs früherer Epochen, die der Biedermeierzeit vorausgehen, besitzen keine solche Vorbildlichkeit. Auch nicht das Empire Möbel, in dem die große Historie des barocken Zeitalters ausklingt. Denn die Voraussetzungen, die jene historischen Formen geschaffen haben, sind von den heutigen grundverschieden. Hof und Kirche herrschten auch in Kunst und Kunstgewerbe. Aber es ist für die Einheit jener Kultur bezeichnend, daß die überladenen Formen, in welchen das Machtbewußtsein der weltlichen und geistlichen Herrschaft adäquaten Ausdruck fand, in einem Grade volkstümlich wurden, daß sie schließlich bis in den einfachsten Haushalt eindrangen, als Abglanz absolutistischer und sacerdotaler Herrlichkeit. Die Armut der barocken Originalschöpfungen, die nicht über die Repräsentationsräume hinausgingen und das persönliche oder private Leben in einem Zustand der grenzenlosen Verlassenheit beließen, ist noch wenig beachtet. Dem Parvenu am Ende des Jahrhunderts erging es wie den Kindern mit dem Märchenkönig: »Wie wohnten doch die Könige schön!« ruft er in den Prunksälen eines alten Barockschlosses aus, »so möchte ich es auch haben!« Und alsbald hat er eine stilgerechte Einrichtung, alles in billigster, banalster Nachahmung. Das Um und Auf der barocken Interieurs bestand aus Stühlen und Tischen, aus dem Paradebett und dem Sofa. Im Übrigen wohnten auch die Fürsten in einem denkbar schlechten Zustand und entbehrten alle Bequemlichkeit, die heutzutage jedem gewöhnlichen Sterblichen eine selbstverständliche und unentbehrliche Sache ist. Wer die prunkenden Barockpaläste durchwandert, die von den alten Adelsgeschlechtern noch bewohnt werden, findet am Ende der überladenen Prunksäle, gewöhnlich im Obergeschoß, einige einfache, mit bürgerlicher Behaglichkeit, meistens im Empire- oder Biedermeierstil eingerichtete Gemächer. Das ist die eigentliche Wohnung des Fürsten. Es liegt eine feine Ironie in dieser Erscheinung, daß der Fürst, um der niederdrückenden Wucht seiner Repräsentationspflichten zu entgehen, seine Zuflucht zur bürgerlichen Schlichtheit und Bequemlichkeit nimmt, während der Parvenu des 19. Jahrhunderts all sein Behagen hingibt für das bischen Talmiglanz einer »stilgerechten« Wohnung. In der Tat mußte der ganze Reigen historischer Stile in atemloser Hetze wiederkehren, ehe man wieder zu dem vernünftigen Standpunkte zurückfand, auf dem bereits unsere Großeltern standen. Die ganze Barocke hat nicht eine Form übriggelassen, die für die heutige Kultur brauchbar wäre. Sie bedeutet einen Abschluß. Die Revolution hat sie samt dem ganzen absolutistischen Königtum hinweggefegt. Ein strammer militärischer Zug geht durch die nächsten Jahrzehnte. Der kaiserliche Stil trägt den Bedürfnissen der Zeit Rechnung, aber Empire ist noch sehr aristokratisch. Mit dem Glanz der Napoleonzeit verschwand auch der Empire-Stil; aus dem Kosmopolitismus und seinem politischen Katzenjammer flüchtete man ins alte romantische Land, Uhland, Eichendorff, Schubert weckten die schwärmerische Liebe zur Natur, und ein Einschlag des ländlichen Elements, wohl auch schon damals der Einfluß Englands in Modedingen, führte zu den biederben, quadratischen und zylindrischen Formen des Biedermeier-Möbels, an dem Reminiszenzen aus dem Barock- und Empire-Stil als dekorative Details hängen blieben. Das Bürgertum schafft die Formen, die es braucht. Es will nicht glänzen, nicht präsentieren, sondern bequem und behaglich leben. Es erfüllt seine Forderungen mit strenger Sachlichkeit und zugleich mit einem Erfindungsreichtum, der erstaunlich ist. Unsere Möbeltypen wurden damals geschaffen. Und es bewahrt meistens eine Feinsinnigkeit, von der wir uns nicht immer einen richtigen Begriff gebildet haben. Es ist die Zeit Adalbert Stifters. Er ist der vollgiltige Repräsentant seiner Zeit. Biedermeier im besten Sinne. Er erschließt uns die Interieurs seiner Zeit, und die Interieurs seiner Traumwelt, und läßt uns alles miterleben, was wir beim Betreten eines Altwiener Raumes heute noch nachzuempfinden vermögen. Alle Räume dieser Art sind schwer zugänglicher Privatbesitz, nur mehr spärlich in Vollständigkeit erhalten, meistens als Trödelgut verschleudert, da und dort ein Stück. Die Museen die im Banne der Kunstgeschichte stehen, hielten sich zu vornehm, diese Dinge zu sammeln, und auch die Lebensart unserer Großeltern zu zeigen.

      Glasfenster von Prof. Kolo Moser.

      Fenster von Arch. Georg Winkler.

      Tür mit Portière von Architekt

       Max Benirschke, Düsseldorf.

      Nun wird die Frage laut, was wir mit diesen verjährten Dingen, die so freundlich zu uns sprechen, anfangen sollen. Sie nachahmen? Das hieße ein altes Laster, das wir beim Haupttor hinaustreiben, durch ein Hinterpförtchen wieder hineinlassen und den Zirkel der Stilhetze mit diesem letzten Glied schließen. Wie von allem Vergangenen, trennt uns auch vom Biedermeier eine tiefe Kluft. Dennoch sind diese Dinge wertvoll durch das Beispiel, das sie lehren. Sie lehren, wie die Menschen von damals sichs bequem und gemütlich nach ihrer Art einrichteten, und solcherart zu Ausdrucksformen gelangten, die organisch aus dem Leben und seinen Forderungen hervorgegangen waren, vielleicht hie und da ein bischen unbeholfen und schwerfällig, im ganzen aber unbekümmert, treuherzig und bieder. Sie lehren, daß wir es auch so machen müssen. Der Lebende behält Recht. Viele Dinge sind konstruktiv so vollkommen, daß man sie fast unverändert aufnehmen könnte, wenn nicht unsere Zeit doch wieder ihre eigene Art hätte, sich auszuprägen. Was uns von Biedermeier trennt, sechzig, achtzig Jahre einer technischen, sozialen, wirtschaftlichen, künstlerischen Entwicklung müssen durchgreifende Veränderung des Lebensbildes herbeiführen. Schämen wir uns der Gegenwart nicht. Während vor dem Hause das Automobil, das Fahrrad, die elektrischen Bahnen vorbeirasen, können wir im Innern des Hauses, wo wir alle technischen Vorteile auszunützen suchen, vom Telephon bis zu den elektrischen Glühkörpern, nicht den historischen Biedermeier spielen. Das hieße, da wir uns eben altdeutsch gefühlt haben, eine Rolle mit der anderen vertauschen. Wohl aber können wir Biedermeier im modernsten Sinne sein, indem wir uns treu zu dem bekennen, was unserer Zeit gemäß ist, so wie es unsere Großväter für ihre Zeit getan haben. Dann wird sich von selbst ein gewisser verwandtschaftlicher Zug mit den vergangenen Dingen der Heimat herausstellen, wie denn überhaupt alles Echte, aus wirklichem Bedürfnis Herausgeborene, trotz großer zeitlicher Trennung verwandter ist, als man denkt. Denn immer ist der Mensch das Maß der Dinge. Auch die Motive aus alter Kultur wecken in unserem modernen Gefühl ein Echo.

      Pfeiler von Arch. Max Benirschke,

       Düsseldorf.

      Pfeiler v. Arch. Max Benirschke,

       Düsseldorf.

      Nicht von oben her wird heute der Stil diktiert, sondern von unten her. Die heutigen Produktions-Verhältnisse, die Entwicklung der Technik, der Industrie haben die neuen sozialen Grundlagen geschaffen, aus