»Er muss ein komischer Kauz sein«, sagte sie. »Ich werde aus ihm noch nicht schlau. Sein Stil hat etwas Aufgeblasenes, und was soll das wohl heißen, dass er sich für seinen Anspruch auf das Erbe entschuldigt? Er würde doch wohl nicht etwas dagegen tun, wenn er könnte. Kann er ein vernünftiger Mensch sein, Vater?«
»Nein, mein Kind, ich glaube nicht; ganz im Gegenteil, hoffe ich. Diese Mischung aus Liebedienerei und Überheblichkeit in seinem Brief ist jedenfalls vielversprechend. Ich kann es gar nicht erwarten, ihn kennenzulernen.«
»Im Hinblick auf die Komposition enthält sein Brief keine schwerwiegenden Fehler«, sagte Mary. »Das Bild von der Friedenspalme ist zwar nicht sehr originell, aber ich finde es gut getroffen.«
Catherine und Lydia waren an Brief und Absender überhaupt nicht interessiert. Es war völlig ausgeschlossen, dass ihr Vetter im roten Rock des Soldaten kommen würde, und schon seit Wochen hatte der Umgang mit Zivilisten für sie keinen Reiz mehr. Zum Erstaunen ihres Mannes und ihrer Töchter hatte Mr. Collins’ Brief Mrs. Bennet einigermaßen versöhnt, und sie sah seinem Besuch ziemlich gefasst entgegen.
Mr. Collins traf pünktlich auf die Minute ein und wurde von der ganzen Familie sehr höflich empfangen. Mr. Bennet sagte zwar nicht viel, aber die Damen unterhielten sich lebhaft mit ihm, und auch Mr. Collins ließ sich weder lange bitten noch war er zum Schweigen aufgelegt. Er war ein großer, schwerfälliger junger Mann von fünfundzwanzig. Sein Auftreten war feierlich und imposant und sein Benehmen sehr formell. Er hatte kaum Platz genommen, als er Mrs. Bennet schon zu ihrer reizenden Töchterschar gratulierte, ausdrückte, dass er schon viel von ihrer Schönheit gehört habe, diesbezüglich die Wirklichkeit aber das Gehörte in den Schatten stelle, und hinzufügte, er zweifle nicht daran, sie alle zur rechten Zeit vorteilhaft verheiratet zu sehen. Seine Galanterie war nicht ganz nach dem Geschmack einiger seiner Zuhörerinnen, aber Mrs. Bennet, die Komplimente nicht auf die Goldwaage legte, antwortete bereitwillig:
»Wie nett von Ihnen, ich wünsche von ganzem Herzen, dass Sie recht behalten, denn sonst wird es ihnen jämmerlich genug ergehen. Unsere Angelegenheiten sind so merkwürdig geregelt.«
»Spielen Sie auf die Erbbedingungen dieses Besitzes an?«
»O ja, Sir, natürlich. Es ist trostlos für meine armen Mädchen, das müssen Sie zugeben. Ich will natürlich Ihnen keine Vorwürfe machen, denn ich weiß wohl, solche Dinge sind auf dieser Welt reiner Zufall. Wenn ein Besitz an den nächsten männlichen Erben geht, weiß man nicht, was aus ihm wird.«
»Ich habe für die Sorgen meiner reizenden Cousinen das vollste Verständnis, Mrs. Bennet, und würde mich gern weitläufiger darüber auslassen, aber ich möchte nicht indiskret und vorlaut erscheinen. Aber ich darf den jungen Damen versichern, dass meine Verehrung für sie mich hierhergetrieben hat. Genug, mehr will ich jetzt nicht sagen, vielleicht, wenn wir uns etwas besser kennen.«
Er wurde unterbrochen, weil man zu Tisch bat, und die Mädchen lächelten sich vielsagend an. Sie waren nicht der einzige Gegenstand von Mr. Collins’ Bewunderung. Die Eingangshalle, das Esszimmer und sein Mobiliar wurden unter die Lupe genommen und gepriesen, und seine Lobsprüche hätten Mrs. Bennet von Herzen gerührt, wenn da nicht die demütigende Vermutung gewesen wäre, dass er alles schon als Eigentum betrachtete. Auch das Essen wurde im passenden Augenblick gebührend bewundert, und er bat um Auskunft, welcher seiner reizenden Cousinen er dafür Anerkennung zollen dürfe. Aber hier musste er sich von Mrs. Bennet belehren lassen. Sie wies ihn ziemlich scharf darauf hin, dass sie sich durchaus eine gute Köchin leisten könnten und ihre Töchter in der Küche nichts zu suchen hätten. Er bat sie um Verzeihung, Anstoß erregt zu haben. Freundlicher gestimmt, versicherte sie, er habe sie nicht beleidigt, aber er entschuldigte sich noch ungefähr eine Viertelstunde lang weiter.
Kapitel 14
Während des Dinners sprach Mr. Bennet kaum ein Wort, aber als die Diener sich zurückgezogen hatten, fand er es an der Zeit, sich etwas intensiver mit seinem Gast zu unterhalten, und mit der Bemerkung, er habe offenbar mit seiner Gönnerin großes Glück gehabt, wandte er sich einem Thema zu, in dem Mr. Collins ordentlich glänzen konnte. Wie Lady Catherine de Bourgh auf seine Wünsche Rücksicht nehme und für sein Wohlbefinden sorge, sei bemerkenswert. Mr. Bennet hätte keine bessere Wahl treffen können. Mr. Collins pries sie in den höchsten Tönen. Das Thema riss ihn zu einer Begeisterung hin, die sein übliches Maß an Würde weit überstieg, und mit wichtigtuerischer Miene erklärte er, in seinem ganzen Leben habe er noch bei keiner hochgestellten Persönlichkeit so viel Lebensart, Liebenswürdigkeit und Leutseligkeit erlebt wie bei Lady Catherine. Beide Predigten, die er bisher die Ehre hatte, in ihrer Anwesenheit zu halten, hätten ihre lebhafteste Zustimmung gefunden.
Auch habe sie ihn schon zweimal zum Essen nach Rosings gebeten und erst am letzten Sonnabendabend zur Vervollständigung ihres Kartentisches nach ihm geschickt. Er wisse zwar, dass viele Leute sie für stolz hielten, aber er habe sie nie anders als liebenswürdig erlebt. Immer habe sie ihn als einen Mann von Welt behandelt; sie habe nichts gegen seinen gesellschaftlichen Verkehr mit den Familien der Nachbarschaft und auch nichts gegen seine gelegentliche Abwesenheit von der Gemeinde für ein oder zwei Wochen, um seine Verwandten zu besuchen. Sie war sogar so gnädig gewesen, ihm den Rat zu geben, so bald wie möglich zu heiraten, vorausgesetzt, er wähle mit Bedacht, und einmal habe sie ihn sogar in seiner bescheidenen Hütte besucht, wo sie allen seinen vorgenommenen Änderungen ihre Zustimmung erteilt und sogar geruht habe, selbst ein paar Änderungen vorzuschlagen – im Hinblick auf einige Regale im oberen Stockwerk.
»Wie schicklich und höflich von ihr«, sagte Mrs. Bennet, »sie muss eine sehr umgängliche Person sein. Wie schade, dass nicht alle großen Damen mehr davon haben. Wohnt sie in Ihrer Nähe, Sir?«
»Der Garten, in dem meine bescheidene Hütte steht, ist nur durch einen Feldweg von Rosings Park, der Residenz der Frau Baronin, getrennt.«
»Sagten Sie nicht, sie ist Witwe, Sir? Hat sie Familie?«
»Sie hat nur eine Tochter, die Erbin von Rosings und dem sehr ausgedehnten Besitz.«
»Oh«, rief Mrs. Bennet und schüttelte den Kopf, »dann ist sie besser dran als viele andere Mädchen. Und was für eine junge Dame ist sie? Ist sie hübsch?«
»Sie ist eine überaus charmante junge Dame. Lady Catherine sagt auch immer, an wahrer Schönheit ist Miss de Bourgh den Schönsten ihres Geschlechts weit überlegen, weil ihre Züge die Hoheit einer jungen Dame von Rang ausstrahlen. Bedauerlicherweise hat sie eine schwächliche Konstitution, die sie davon abgehalten hat, sich in vieler Hinsicht so zu entwickeln, wie es sonst unzweifelhaft geschehen wäre. So sagte mir ihre Erzieherin, die immer noch im Hause lebt. Aber Miss de Bourgh ist äußerst liebenswert und geruht öfter, in ihrem kleinen Wagen mit den Ponys bei meiner bescheidenen Hütte vorzufahren.«
»Ist sie bei Hof eingeführt worden? Ich kann mich nicht erinnern, ihren Namen auf der Liste der vorgestellten Damen gelesen zu haben.«
»Bedauerlicherweise lässt ihr schwankender Gesundheitszustand es nicht zu, dass sie nach London fährt, und dadurch wird der britische Hof, wie ich persönlich es Lady Catherine gegenüber einmal ausgedrückt habe, seiner schönsten Zier beraubt. Die Frau Baronin fand die Bemerkung offenbar sehr gelungen, und ich lasse es mir zur Ehre gereichen, wie Sie sich denken können, bei jeder passenden Gelegenheit solche kleinen, erlesenen Komplimente zu machen, die die Damen so schätzen. Wie oft habe ich Lady Catherine schon gesagt, ihre charmante Tochter sei die geborene Herzogin und auch der höchste Adelstitel würde durch sie noch gewinnen, statt umgekehrt ihr zur Zierde gereichen. Solche zarten Andeutungen gefallen der Frau Baronin und sind meine ganz persönliche Art, ihr meine Ergebenheit zu bekunden.«
»Daran tun Sie nur zu recht«, sagte Mr. Bennet, »und Sie können sich über Ihre Begabung, mit Geschmack zu schmeicheln, glücklich schätzen. Darf ich fragen, ob diese wohltuenden Aufmerksamkeiten ein Geschöpf des Augenblicks oder das Ergebnis vorausgehender Überlegungen sind?«
»Die meisten sind das Geschöpf der Stunde,