So wurde ich wieder kreativ, ich habe mir oft die Frankfurter Rundschau gekauft und in den Jobangeboten gesucht, was mir Spaß machen könnte, was es so an neuen Herausforderungen gab. Es gibt viele Menschen, die brauchen die Routine, sie gibt ein Stück Sicherheit!
Meine Kollegin und auch Andere haben mir im Laufe meines Berufslebens gesagt, dass sie niemals wechseln wollen, man müsste sich ja komplett umstellen und noch mal alles über das neue Fachgebiet lernen. Dann die neuen Kollegen, sich in ein neues Team integrieren, da muss man dann erst hineinwachsen und was erwartet mich da. So weiß ich, was ich habe und dass reicht mir. Es ist so angstbesetzt, etwas Neues anzufangen, dass viele Menschen bis zur Rente an einem Platz bleiben. Ich möchte hier niemanden zu nahe treten, jeder muss das tun, was sich richtig und gut anfühlt. Ich war schon immer neugierig in verschiedene Berufsgruppen/Fachgebiete hinein zu schnuppern zu wollen. So habe ich in vielen verschiedenen Unternehmen als Aushilfe gearbeitet und bekam interessante Einblicke in andere berufliche fremde Welten.
Schon in meiner Kindheit und auch Jugend war ich neugierig und wollte alles wissen und viel erleben.
WERA, DIE KINDERKRANKENSCHWESTER
Die schönsten 5 Jahre waren kurz nach der Ausbildung in der Augenklinik der Johann Wolfgang Goethe Uni-Klinik Frankfurt. Ich arbeitete in der Kinder- und Frauenabteilung Station 8-3. So gestaltete sich die Arbeit richtig abwechslungsreich mit den Kleinen und den Erwachsenen. Am Ende des Flures war die Frauenstation, die mit der Kinderstation zusammengelegt war. Jede Woche wurde gewechselt.
Wie sich die Kids freuten, wenn ich wieder die Woche bei ihnen war, freuten sich auch die Frauen auf der anderen Seite der Station, wenn ich wieder Dienst bei ihnen hatte. Ich war immer für Unsinn und Blödeleien bereit, um damit die kleinen und großen Patienten aufzumuntern.
Einmal hatten wir eine Nonne als Patientin auf Station. Als sie im Operationssaal lag, war ich sicher, dass sie sobald nicht auftauchen wird. Ich zog ihr Nonnengewand an und sprach alle Patienten selig und wir alle hatten einen Riesenspaß.
Ich mochte meinen Professor Stärker, der für die Strabismus-Kids (Schieler) zuständig war, genauso wie den gefürchteten Professor Doden, den Schreck aller Famulanten, da er sie gerne intellektuell auflaufen ließ, wenn er ihre Wissensschwächen aufdeckte.
Gleich an meinem ersten Arbeitstag, der noch nicht mal begonnen hatte, hatte ich mich in ein dickes Fettnäpfchen gesetzt. Im Fahrstuhl zum 3. Stock der Kinderstation stand ein älterer Mann und sah mich an, da stand ich schüchtern drein blickend im weißen Schwesternkittel. Er fragte sehr nett und höflich, wie es mir hier gefällt, darauf konnte ich ihm nicht viel sagen, da ich ja den ersten Tag heute erst haben sollte, so erzählte ich ihm: „Mein Eindruck beim Vorstellungsgespräch mit dem Team war sehr positiv.“
Er fragte: „Was erzählt man sich denn so über den Chef-Professor Dodens, haben Sie da schon Infos bekommen?“
„Ja, ja er soll ein recht strenger Griesgram sein, der die Studenten drangsaliert und gerne vor den Patienten auflaufen lässt, so sagte man mir!“
Er: „Soso, na dann wünsche ich Ihnen hier eine gute Zeit. Darf ich mich vorstellen, mein Name ist Professor Dr. Dodens“!
Beim Aussteigen wäre ich gerne in den Erdboden verschwunden, aber jetzt begann mein erster Arbeitstag. Das sprach sich natürlich wie ein Lauffeuer in der Klinik herum und schon war ich bekannt wie ein bunter Hund.
„Ach du bist die Schwester Wera aha-hihihi!“
Immer, wenn er mich bei der Frauenvisite sah, grüßte er mich freundlich mit einem Lächeln.
Einer unserer Kinderstationsärzte war Dr. Hohlfelder aus dem Schwabenland, er war immer tiefenentspannt und super schelmisch-witzisch und wir hatten eine sehr gute Zeit zusammen. Er hatte viele Schwesternschülerinnen, die ihn verehrten, (es wurde mir immer vertrauensvoll zugetragen) ja er war schon außergewöhnlich! Ich habe den jungen Frauen dann aber all ihre Hoffnungen genommen, und erzählt, dass er verheiratet sei auch zwei kleine Kids hatte. Sie sollten sich lieber auf ihr Examen konzentrieren.
Dr. Kucks, ein anderer Stationsarzt brachte mir Blutabnehmen sogar an seinem Arm bei und ich war stolz, dass es gleich beim ersten Mal klappte. Ab da war er entlastet, denn nun war es morgens meine Arbeit und er konnte sich anderen Dingen widmen. Obwohl es nicht zu meinem Aufgabenbereich gehörte, war ich stolz, dass ich es machen durfte.
In der Zeit jobbte ich nebenher in einem 5-Sterne-Restaurant & Squash Center in Niederrad als Servicekraft, um meinen Führerschein zu finanzieren und anschließend ein gebrauchtes Auto zu kaufen.
Leider habe ich nur dieses S/W-Foto aus einer Werbeanzeige einer Frankfurter Zeitung.
Es hat mir sehr viel Freude gemacht die Kunden zu beraten, Weine zu empfehlen oder bei der Menüwahl behilflich zu sein. Wir waren immer top gestylt, weiße Bluse mit roter Fliege, schwarze Hose oder Rock mit roter Schürze.
Oft arbeitete ich 3- bis 4-mal in der Woche jeweils nach dem Schichtdienst bis spät in die Nacht. Morgens um 5 Uhr musste ich wieder aus dem Bett zum Frühdienst. Die wenige Freizeit, die mir neben den Jobs noch blieb, verbrachte ich mit meiner Freundin in Sachsenhausen zum Feiern. Zusätzlich arbeitete ich immer, wenn Frankfurter Messe war, als Security Woman mit einer schicken Uniform nachmittags nach dem Frühdienst..
Ein weiterer Job war auf Abruf für das Nord-West-Krankenhaus als Sitzwache, immer nachts, sodass ich morgens an der Krankenhauskasse meinen Obolus mitnahm und schnell zum Frühdienst in die Uniklinik fuhr. Hier wurde ich eines Tages gebeten bei einer prominenten Dame Lia W. Sitzwache zu machen. Sie lag im Sterben und ich war bei ihr, hielt und streichelte ihre Hand und versorgte sie die ganze Nacht.
Am nächsten Morgen erzählte ich meinem Mann von der Dame. Er zeigte mir auf, dass sie einst eine Berühmtheit in Frankfurt war und zusammen mit Heinz Schenk den Blauen Bock im Fernsehen moderierte. Sie war auch die Produzentin des HR für viele Unterhaltungssendungen im Fernsehen. Und so geht ein Leben einsam zu Ende, darüber machte ich mir viele Gedanken.
Wer weiß, wie einsam dieser Mensch dann gestorben ist und ich bewarb mich für eine Vollzeitstelle als Sterbebegleitung im Christophorus Haus für ambulante Pflege in der Palliativ-Medizin.
Hier sah ich eine echte Aufgabe und hatte nicht den Krankenhausstress. Hier hatte man maximal 4 Patienten mit viel Zeit zur Pflege und Beistand, um eine würdige Sterbebegleitung gewährleisten zu können..
Diese Arbeit konnte ich leider nur 1 Jahr lang machen, da es mir leider viel zu nah ging. Wenn ein mir anvertrauter Patient diesen Planeten verlassen hat, hat es mich auch sehr schmerzlich getroffen und belastet.
Danach war ich auf einer Neugeborenenstation im Bürgerhospital. Nach der Arbeit mit dem Tod neues Leben zu begrüßen war wesentlich erfreulicher und die Kleinen sind so knuddelig und riechen so gut. Ich hätte am liebsten eines mitgenommen, da mein eigener Kinderwunsch nicht erfüllt wurde.
Immer wieder jobbte ich neben dem Krankenhaus in berufsfremden Arbeitsgebieten wie z. B. in einer Partnervermittlung nach dem Schichtdienst. Dort arbeitete ich als Außendienstmitarbeiterin. Hier bekam ich eine echt gute Schulung, wie man Menschen überzeugt, über diesen Weg eine Partnerin zu finden, was jedoch für meine Begriffe total überteuert und damit sittenwidrig war. Eigentlich kauften die Männer ein Produkt – angeboten wurden nur attraktive polnische, deutsch-sprechende, nicht emanzipierte Frauen, die gewohnt waren, dem Mann alle Wünsche zu erfüllen: im Haushalt und … Sorry! Ich war jung und brauchte das Geld! Aus heutiger Sicht würde ich niemals solch einen Job annehmen. Ich wurde die beste Außendienstmitarbeiterin und verdiente so gut, dass ich im Krankenhaus kündigte. Mein damals zukünftiger Mann, der gerade im Referendariat zum Juristen war, gab zu bedenken, dass es in der Partnervermittlung nicht mit rechten Dingen zuging. Leider hatte er recht und ich beendete den Job. Ich wurde in einem Verfahren gegen diese Firma als Zeugin geladen und habe bei der Gelegenheit erfahren, dass der Chef dieser Firma sogar über Weihnachten in Untersuchungshaft saß.
Es ergab sich dann eine Job-Möglichkeit in