Operation Terra 2.0. Andrea Ross. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andrea Ross
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Научная фантастика
Год издания: 0
isbn: 9783967525373
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weil ihr die Vibrationen im Zeittunnel körperlich stark zusetzten. Der mit Plantolaan verkleidete Laderaum des Frachters war hinsichtlich solcher Einflüsse natürlich viel weniger gut abgedämmt als die Fluggastzelle und das Cockpit, denn diese für Menschen vorgesehenen Bereiche verfügten über äußerst leistungsfähige Schwingungsdämpfer und Spezialsitze zum Schutz der Wirbelsäule.

      Man ging auf Tiberia nicht ernsthaft davon aus, dass jemand derart unvernünftig sein könnte, im Laderaum mitzufliegen – was allerdings den Vorteil barg, dass dieser vor dem Abflug nicht allzu intensiv auf blinde Passagiere kontrolliert worden war. Ein Scanner überprüfte lediglich jeden Behälter automatisch darauf, ob explosive Substanzen oder elektronische Störgeräte an Bord gelangten. Vor möglicher Sabotage war man auch auf Tiberia nicht gefeit.

      Gleichwohl glaubten Kalmes und Solaras mit hinreichender Sicherheit zu wissen, dass man die beschwerliche Reise trotz aller Unannehmlichkeiten zumindest überleben konnte, weil ihr ehemaliger Missionskollege Balthasar vor einiger Zeit auf dieselbe Art und Weise nach Terra gelangt war. Die eindeutigen Spuren, die man damals hinter der Innenverkleidung im Frachtraum des Gleiters gefunden hatte, ließen darauf schließen, dass er nach der Landung noch gelebt und sich auf seinen eigenen Füßen von dannen gemacht haben musste.

      Während Kalmes sich würgend in ein dafür vorgesehenes Behältnis erbrach, klammerten sich Solaras‘ schlanke Finger schützend um einen grünen Stoffbeutel; er enthielt einen Holographen, der den außerirdischen Flüchtlingen quasi als VIPEintrittskarte in die terrestrische Gesellschaft dienen sollte.

      Jemand, der die Bevölkerung vor einem bislang unentdeckten, herannahenden Asteroiden warnte, musste von den Menschen doch eigentlich mit offenen Armen empfangen werden

      … hoffentlich!

      

       Terra/Mars, 30. Juli 2023 nach Christus, Sonntag

      

      Quälend langsam verstrichen die Minuten, als Pierre LaSalle behutsam, Zentimeter für Zentimeter, den Inhalt der Metallkapsel entrollte. Es stand zu befürchten, dass

      das womöglich uralte Material brüchig wurde, ihm unter den Fingern zu Staub zerfiel. Doch nichts dergleichen geschah. Am Ende der langwierigen Prozedur hielt er ein zirka dreißig Zentimeter breites und achtzig Zentimeter langes, vollkommen intaktes Stück Plastik in der Hand.

      Das dunkle, fast schwarze Material schien in unregelmäßigen Abständen Flecken aufzuweisen, mehr konnte man von der Erde aus nicht erkennen. Maier stand gefühlt kurz vor dem Wahnsinnigwerden.

      LaSalle legte den kostbaren Jahrhundertfund über den Deckel einer weißen Transportbox, wodurch die vermeintlichen Flecken auf einmal deutlicher zu sehen waren.

      »Das sind Buchstaben«, keuchte er, als hätte ihm jemand einen kräftigen Schwinger in die Magengrube verpasst. »Aber nicht etwa kryptische Hieroglyphen, der Text ist mit unserem lateinischen Alphabet verfasst … ich kann das lesen! Die … wer auch immer … haben das in der Universalsprache Latein gestochen scharf aus diesem Werkstoff gestanzt! Es scheint sich um eine Botschaft zu handeln, die uns absichtlich hinterlassen wurde … nur, von wem? Leute, ich will jetzt keine voreiligen Schlüsse ziehen – aber liegt da nicht der Schluss nahe, dass Menschen hier gewesen sein müssen? LaSalle Ende

      Er kramte gemächlich in einer anderen Box, holte die sperrige FotoSpezialausrüstung hervor. Auftragsgemäß fotografierte er das Schriftstück von allen Seiten, jedes Detail einzeln. Danach verstaute er die Kamera wieder mit größter Sorgfalt im staubdichten Container und begann endlich in feierlichem Tonfall vorzulesen: »Et est nomen meum Karon. Quamque nuper sum de eo chronicler recentiorum Mars coloniam adhuc habitabilis … «

      »Oh Gott …!«, quetschte Maier noch mühsam hervor, dann fiel der stark übergewichtige Astrophysiker zu Sheilas Entsetzen einfach um. Tagelange Schlaflosigkeit, stark erhöhter Koffeinkonsum und helle Aufregung hatten ihren Tribut gefordert.

      *

      Sheila Taylor tupfte die Stirn ihres Liebsten fürsorglich mit einem feuchten Handtuch ab. Niemand hatte sich getraut, den Ohnmächtigen in der heißen Phase der Marsmission ins Krankenhaus zu bringen, und so lag er auf der cremefarbenen Ledercouch in Campbells Büro. Seine Lider flatterten, die Glieder zuckten – allmählich schien er wieder zu sich zu kommen. Die Wissenschaftlerin eilte fliegenden Fußes davon, um ein Glas kühles Wasser zu holen.

      »Was … wo … habe ich das bloß geträumt?«, stammelte er drei Minuten später, rieb sich den schmerzenden Hinterkopf.

      »Falls du wissen möchtest, ob auf dem Mars tatsächlich eine in Latein beschriftete Rolle aufgetaucht ist – ja, mein Lieber, es ist wahr«, grinste Sheila und drückte ihn mit der flachen Hand auf die Couch zurück. »Du bleibst noch ein Viertelstündchen schön brav liegen, Mike und Juan vertreten uns derweil. Sonst fahre ich dich nämlich doch noch in die Klinik!«, drohte sie mit erhobenem Zeigefinger.

      Maier stöhnte, dieses Mal aber nicht wegen der Kopfschmerzen. »Hast du wenigstens mitbekommen, was sonst noch auf der Folie geschrieben stand?«

      »Nicht detailliert«, gestand die dreißigjährige Britin. »Aber du weißt ja, wie die Leute sind – man spekuliert bereits munter, ob der Verfasser der Botschaft, dieser Chronist Karon, klein und grün oder eher grau sein könnte. Ob er womöglich derselben Rasse angehörte wie jene Aliens, welche 1947 angeblich mit ihrem Raumschiff in Roswell abgestürzt sind und deren Leichen seither in Area 51 verwahrt werden, sofern man den UFOJüngern Glauben schenken möchte.«

      »Einfache Gemüter. Keinerlei Beweise, aber das Maul sperrangelweit aufreißen und im Brustton der Überzeugung spekulieren – bis der Arzt kommt! Und die sensationsgeilen Scheißmedien hofieren diese Spinner, machen gar einen Hype draus«, knurrte Thomas Maier abfällig in seinen Vollbart.

      Eric Campbell betrat sein Büro. »Na, wieder wohlauf? Dann sollten Sie beide schleunigst an Ihren Arbeitsplatz zurückkehren, damit Sie nichts verpassen. Das aufgefundene Dokument scheint am Ende einen fremdartigen Zeichencode zu enthalten, mit dem man angeblich die schwere Metalltür am Ende der Lavaröhre geöffnet bekommt.«

      Nun gab es kein Halten mehr. Das feuchte Handtuch flog zu Boden, und das Physikerpaar rannte Hand in Hand Richtung Kontrollraum davon.

      »Wissenschaftler … alles totale Chaoten!«, schimpfte Campbell, während er sein Büro aufräumte. Den graumelierten Endfünfziger hätte man durchaus als perfektionistischen Pedanten bezeichnen können; eine leicht verrutschte Couch, ein leeres Glas nebst Wasserrand auf seinem Schreibtisch und ein Handtuch auf dem Fußboden konnten ihn mühelos aus dem Konzept bringen, wohingegen er knifflige Berechnungen und anstrengende Debatten kühlen Kopfes meisterte. Es bereitete ihm kaum Probleme, mit einem Etat von ein paar Millionen Euro um sich zu werfen – sobald aber ein Fleck auf seiner Hose landete, geriet das für ihn zu einer mittelschweren Katastrophe. Bei Kleinigkeiten wie diesen gebärdete er sich geradezu panisch, als habe es soeben einen lebensbedrohlichen BiohazardVorfall gegeben.

      Während der Ressortleiter genervt über menschliche Unzulänglichkeiten philosophierte, beobachteten seine Kollegen im Kontrollzentrum mucksmäuschenstill, wie Pierre LaSalle das geschichtsträchtige Aliendokument behutsam in die Zeitkapsel zurücksteckte und damit begann, die Isozone abzubauen.

      Thomas Maier war derweil anderweitig beschäftigt; er sah sich nachträglich die Aufzeichnung der Vorlesung an, die er verpasst hatte. Er hatte Sheila zuvor versprechen müssen, cool zu bleiben und sich danach eine Stunde hinzulegen, denn solange würde Pierre sowieso brauchen, bis er den Eingangsbereich des Portals nach einer Eingabemöglichkeit für den Zeichencode abzusuchen vermochte.

      Seine Kollegen diskutierten sich bereits die Köpfe heiß, ob man es wagen könnte, für die Bewältigung dieser Aktion einen zweiten Astronauten abzustellen. Fatalerweise mussten Entscheidungen auf dem Mars zeitnah getroffen werden. Es blieb keine Zeit, reihenweise Experten für Dies und Jenes zu konsultieren.

      Die Verantwortung lastete tonnenschwer


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