Impressum
© 1976/2017 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
ISBN: 978-3-95439-676-4
Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]
Inhalt
1.
Nach dem schweren Sturm in der Biscaya lief die französische Handelsgaleone, mehr schlecht als recht mit einem Notruder versehen, den Heimathafen Brest an.
In der Biscaya hatte es sie noch einmal arg gebeutelt, dann war das Ruder in dem gewaltigen Sturm gebrochen, und jetzt bewegte sie sich wie eine flügellahme Ente durch die See.
Die „Mercure“ walzte träge dahin, ein krankes Schiff, das sich mit letzter Kraft in seinen Heimathafen schleppte.
In Brest war auch für die Seewölfe der Ferris-Tucker-Gruppe Endstation. Dort mußten sie sehen, wie sie klarkamen und den Sprung hinüber nach England schafften.
„Na und?“ sagte der Profos Edwin Carberry, der am Schanzkleid lehnte und nach Steuerbord voraus blickte. „Das ist doch für uns nur ein Klacks. Notfalls schnallen wir uns unsere Plünnen aufs Kreuz und schwimmen die paar Meilen nach Plymouth einfach rüber.“
„Klar“, sagte Ferris Tucker bei dieser maßlosen Übertreibung, „oder unser Profos säuft den Kanal aus, dann können wir laufen und brauchen uns nicht anzustrengen.“
Ja, zuzutrauen war diesem Profos alles, der da narbengesichtig und grinsend am Schanzkleid lehnte und auf den schmalen Streifen Land blickte, der offensichtlich eine breite Bucht bildete. Aber so genau kannte der Profos Brest nicht, vielleicht war diese Einkerbung im Land auch gar nicht Brest.
„Ist das jetzt Brest, oder nicht?“ fragte er.
„Weiß nicht genau“, meinte der rothaarige Schiffszimmermann Ferris Tucker. „Frag doch mal einen der Franzosen, die werden es ganz genau wissen.“
Der blonde Schwede Stenmark zwinkerte Tucker unmerklich zu, und Blakky der neben ihnen stand, grinste schon hinterhältig, weil der Profos jetzt wieder sein Französisch an den Mann brachte. O ja, er hatte verdammt viel Französisch gelernt, nur die lausigen Franzmänner, die verstanden ihn nicht so richtig. Das fand Ed immer etwas merkwürdig, denn auch sein Spanisch verstanden die Dons nicht richtig.
Hier, auf der „Mercure“ war es jedoch besonders schlimm, und als der Profos jetzt den strohblonden Bretonen sah, der allgemein an Bord nur Breton genannt wurde, hielt er ihn an. Dabei war es absolut nicht erforderlich, daß er Französisch sprach, denn Breton sprach von der gesamten Crew das beste Englisch.
Breton kriegte auch schon wieder diesen glanzlosen Blick, als hätte er heftige Zahnschmerzen. Er mochte Carberry, genau wie er auch die anderen Seewölfe mochte, aber Ed wäre ihm noch sympathischer gewesen, wenn er nicht immer sein Französisch an den Mann gebracht hätte. Der Profos glaubte außerdem auch, sich besonders gewählt auszudrükken und ließ es an Höflichkeit nicht fehlen.
„Eh, Mongsjör“, sagte er, „izzi la Brest, sillwuhplee?“
Breton zuckte zusammen, als hätte ihm jemand einen Hammer auf den Schädel geschlagen. In seinen Augen stand ein fast weinerlicher Ausdruck, als Ed das Französisch derart verhunzte, daß es selbst einen Straßenköter erbarmt hätte.
„Mon Dieu!“ rief er klagend. „Kannst du Rammbock nicht lieber Englisch sprechen? Das verstehe ich viel besser.“
„Du willst Franzose sein“, sagte Carberry entrüstet, „und verstehst nicht mal deine Heimatsprache! Na, ich muß schon sagen, Grantsinjöhr, daß mich das richtig erschreckt. Ist das jetzt Brest, oder nicht?“
„Ja, englisch verstehe ich besser“, sagte Breton erleichtert, als Ed in seine Heimatsprache verfiel. „Ja, das ist Brest. In etwa drei Stunden laufen wir in die Bucht ein.“
„Ah, comprant“, sagte Ed gönnerhaft auf Französisch, „in troß örres also sind wir da. Bonbon“, fügte er unter dem wiehernden Gelächter der anderen Seewölfe hinzu.
Der Bretone aber schlich restlos entnervt davon, ein geknickter Mann, der sich ernsthaft überlegte, ob man die französische Sprache nicht abschaffen sollte, solange Leute wie dieser Carberry sie sprachen.
„Nun mal ernsthaft, Ed“, sagte der Kutscher. „Daß Delamotte uns nicht nach England bringen kann, wissen wir alle. Wie aber gelangen wir nach Plymouth?“
Carberry zuckte etwas hilflos mit den Schultern.
„Weiß ich auch nicht“, meinte er kleinlaut. „Vielleicht hat Jack eine Ahnung, der kennt sich doch in Brest aus.“
Jack Finnegan, der hagere dunkelblonde Mann mit den grauen Augen, den sie seit Damiette zusammen mit Paddy Rogers an Bord hatten, winkte lächelnd ab.
„Die ‚Mercure‘ geht in Brest erst einmal auf die Werft, um das Notruder auszuwechseln, das Ferris gebaut hat“, sagte er. „Wir siedeln dann um in den ‚Le Batelier‘, das ist eine kleine gemütliche Kneipe, in der sich meist die Torfskipper und Küstenrutscher aufhalten. Und da finden wir ganz sicher einen, der uns für ein paar Silberlinge über den Kanal bringt. Ich denke, daß wir in spätestens drei, vier Tagen drüben sind. Dann können wir ja mal zu diesem Plymson gehen, von dem ihr immer erzählt.“
Bei der Erwähnung des Namens zog ein infames Grinsen über Carberrys Narbengesicht, und sein Blick wurde richtig andächtig.
„Ja, das ist unser Treffpunkt“, sagte er. „Da gehen wir sowieso hin, weil das Tradition ist. Leider hält die Kneipe ja nicht lange, wenn wir dort ein bißchen zechen.“
Paddy Rogers starrte den Profos mit offenem Mund an. Er rieb sich die Knollennase und schüttelte verwundert den Kopf. Bevor er etwas richtig kapierte, verging meist eine ganze Weile, daher erledigte Jack Finnegan das Denken meist für ihn mit.
„Wieso hält die Kneipe nicht?“ fragte er naiv.
„Wegen der Tradition, Mann“, sagte Ed geduldig. „Aus reiner Tradition hält die nicht. Kaum sind wir richtig drin, schon wackeln die Wände, oder die Theke fällt um. Selbst die Kerle, die da drin sind, fallen nach einer Weile auch immer um.“
„Eine merkwürdige Kneipe“, murmelte Paddy. „Und da fällt dauernd alles um?“
„So ist es“, sagte Ed mit frommem Augenaufschlag. „Eine richtige Wakkelburg ist das. Du wirst sie ja noch kennenlernen, und dann mußt du gut aufpassen, daß du nicht auch umfällst.“
„Ich nicht“, versicherte Paddy ahnungslos, dem die traditionellen Gepflogenheiten