Seewölfe - Piraten der Weltmeere 371. Burt Frederick. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Burt Frederick
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397686
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grinste, daß sich die Enden seines Sichelbarts anhoben. Und er nickte eifrig, denn er hatte sehr wohl begriffen, wie gut es der „deutsche Kaufherr von Manteuffel“ verstand, sich in Havanna einen einwandfreien Ruf zu verschaffen.

      Arne schob seinen Hausmeister und treuen Diener ins Kontor. Jörgen Bruhn war deutlich anzusehen, daß ihm die Fragen buchstäblich auf den Lippen brannten. Mit knappen Worten erklärte Arne die beiden Männer über das Gespräch mit Don Juan de Alcazar und Kapitän Tintillan auf.

      „Ich ziehe mich für eine Weile zurück“, sagte er schließlich. „Sorgt bitte dafür, daß ich nicht gestört werde.“

      Er wußte, daß er sich in diesem Punkt auf seine beiden Helfer absolut verlassen konnte. Doch es war kaum zu erwarten, daß an diesem Vormittag noch weitere aufdringliche Besucher auftauchen würden.

      Arne stieg die Treppe hinauf und begab sich in seine Privaträume. Er verriegelte die Tür, ehe er sich an das kleine Schreibpult setzte. Die Zeilen, die er zu Papier bringen wollte, mußten unbedingter Geheimhaltung unterliegen. Er strich das Papier glatt, öffnete das Tintenfaß und tauchte den Federkiel ein. Es fiel ihm nicht schwer, die passenden Worte zu finden, denn es handelte sich um eine Vielzahl von Informationen, die es weiterzugeben galt.

      Arne schrieb die Zeilen in seiner deutschen Muttersprache – eine zusätzliche Vorsichtsmaßnahme. Nils Larsen würde auf der Schlangen-Insel für die Übersetzung sorgen.

       Mein lieber Vetter!

       Bisher hast Du nur aus unserer geglückten Nachrichtenverbindung durch die Brieftauben schließen können, daß sich die Dinge hier in Havanna erwartungsgemäß gut entwickelt haben. Aus verschiedenen Gründen ist es aber an der Zeit, daß ich Dir auf diesem Weg einen ausführlichen Bericht erstatte:

      Doch zunächst zum Grundsätzlichen: Es ist mir fast auf Anhieb gelungen, ein geeignetes Kontorgebäude in Hafennähe zu erwerben. Meine treuen Helfer Jörgen Bruhn, Jussuf und ich verfügen hier über alle erforderlichen Räumlichkeiten, um eine ordnungsgemäße Faktorei zu betreiben.

      Das Gebäude konnte ich dank guter Kontakte zum Gouverneur, Don Antonio de Quintanilla, für 100 Goldtaler kaufen. Im übrigen ist dieser de Quintanilla so bestechlich wie ein Mann nur sein kann. Ich habe diese Tatsache natürlich ausgenutzt. Bei allem Imponiergehabe dieses feinen Gouverneurs ist mir jedoch klar, daß er ein ausgekochter Halunke und Intrigant ist. Seine Gefährlichkeit darf man also keineswegs unterschätzen.

      Der wesentliche Grund meines Briefes ist jedoch dieser: Ich bin hier einem Mann begegnet, über den Du unbedingt genau Bescheid wissen mußt. Unser erstes Zusammentreffen ereignete sich schon auf der Reise der „Wappen von Kolberg“ nach Havanna. Es war am 19. Februar, als wir südwestlich der Cay Sal Banks auf eine spanische Galeone stießen, die von neun Piraten-Schaluppen angegriffen wurde. Ich hielt es für einen passenden Beginn meiner Mission in Havanna, den Spaniern Hilfe zu leisten. Wir schlugen die Piraten in die Flucht, und ich lernte an Bord des Spaniers neben dem Kapitän und den Offizieren einen gewissen Don Juan de Alcazar kennen.

      Kurze Zeit später erfuhr ich dann vom Gouverneur, daß de Alcazar ein Sonderbeauftragter der spanischen Krone ist. Noch bevor ich weitere Einzelheiten herausfand, gelang es Renke Eggens und mir, diesen Mann abends nach einem Kartenspiel zu retten, als er von vier Galgenstricken überfallen wurde. Das hat zu einem gewissen Vertrauensverhältnis mit de Alcazar geführt, obwohl er mir gegenüber aus einem anderen Grund noch immer ein gewisses Mißtrauen hegt.

      Dieser Grund liegt in der Natur seines Sonderauftrags. Er zeigte mir ein ölgemaltes Bildchen, das Dein Porträt zeigt und nach dem Gedächtnis verschiedener Personen angefertigt wurde. Natürlich war und ist de Alcazar über unsere Ähnlichkeit verblüfft. Es ist mir bisher aber gelungen, etwaige Beziehungen zwischen uns weit von mir zu weisen.

      Jedenfalls hat de Alcazar den Auftrag, Dich zu jagen und gefangenzunehmen. Ursprünglich hatte er vor, mit der „Santa Clara“ zur Küste von Florida zu reisen, um dort nach Dir zu suchen. Meine Männer und ich haben mit knapper Not verhindern können, daß sich de Alcazar an Bord der „Santa Clara“ begab. Nichtsdestoweniger ist aber der Kapitän der Galeone gemeinsam mit de Alcazar hier aufgetaucht. Der Kapitän war beeindruckt von Deinem ritterlichen Verhalten, was meines Erachtens auch auf de Alcazar nicht ohne Wirkung geblieben ist.

      All das ändert aber nichts daran, daß dieser Sonderbeauftragte jetzt eine Spur wittert. Der Überfall auf die „Santa Clara“ hat bei Groß-Bahama stattgefunden, und dort wird de Alcazar ohne Zweifel mit seiner weiteren Suche beginnen. Zwar ist er ein Mann mit anerkennenswerten Grundsätzen und vor allem ein ritterlicher Gegner, aber gerade das wird die ganze Angelegenheit vermutlich nur komplizieren.

      Ich denke, Du verstehst, lieber Vetter, daß ich allen Grund habe, Dich zu warnen. Dabei fürchte ich, daß ich selbst nicht allzuviel tun kann. Ich kann versuchen, de Alcazar vom Bereich der Caicos-Inseln fernzuhalten, indem ich beispielsweise falsche Spuren lege. Solle es diesem Mann aber jemals gelingen, das Geheimnis der Schlangen-Insel als Stützpunkt des Bundes der Korsaren zu lüften, dann ist das Ende abzusehen! Denn dann wird de Alcazar aufgrund seiner Vollmachten in der Lage sein, eine gewaltige Flotte gegen die Schlangen-Insel in Marsch zu setzen.

      Ich schicke diesen Brief mit der „Wappen von Kolberg“, die Euch eine Ladung Mahagoniholz bringt und natürlich offiziell nach Kolberg unterwegs ist. Das heißt, die „Wappen“ dürfte frühestens nach vier Monaten wieder in Havanna auftauchen, wenn man für die Entfernung Havanna–Kolberg eine Reisedauer von jeweils zwei Monaten zugrunde legt.

      Bei dieser Gelegenheit möchte ich Dir allerdings vorschlagen, daß wir weitere kaufmännische Aktivitäten vortäuschen. Das könnte auf die Art und Weise geschehen, daß Du mir in etwa einem Monat die „Santa Clara“ nach Havanna schickst – natürlich getarnt als deutsches Handelsschiff aus Kolberg. Ich könnte die Galeone dann wiederum mit Waren beladen lassen, die auf der Schlangen-Insel dringend gebraucht werden.

      Weiter schlage ich vor, daß Jerry Reeves und seine Mannschaft für diesen Zweck die „Santa Clara“ übernehmen, die äußerlich entsprechend verändert werden müßte. Ich denke vor allem an einen deutschen Schiffsnamen (den sich Renke Eggens überlegen könnte), an eine andere Galionsfigur sowie an andere Bemalung und vor allem andere Bewaffnung.

      Alle weiteren Nachrichten, die entsprechend kürzer ausfallen werden, bringe ich in bewährter Weise durch Brieftauben auf den Weg.

       Es grüßt Dich und alle Freunde und Gefährten

      Dein Vetter Arne.

      Er las den Text noch einmal sorgfältig durch, faltete das Papier dann und verschloß es mit einer gehörigen Portion Siegellack, in den er das altvertraute Familienwappen seines Stammhauses in Kolberg drückte. Behutsam verstaute er den Brief unter seinem Wams. Anschließend unterrichtete er Jörgen Bruhn und Jussuf und begab sich auf den Weg zum Liegeplatz der „Wappen von Kolberg“.

      Die Vorbereitungen zum Ankeraufgehen waren inzwischen nahezu abgeschlossen. Über die Stelling folgte Arne einem der Stauer, die die letzten mit Trinkwasser gefüllten Fässer an Bord mannten. Die Männer, die sich auf der Kuhl und auf der Back aufhielten, begrüßten von Manteuffel mit freudigem Hallo. Er winkte ihnen zu und erblickte Oliver O’Brien und Renke Eggens auf dem Achterdeck. Auf sein Handzeichen hin begaben sie sich gemeinsam mit ihm in die Kapitänskammer.

      Arne wartete, bis Renke das Schott geschlossen hatte.

      „Es sind noch Fremde an Bord“, sagte er. „Einen anderen Grund hat meine Vorsicht nicht.“ Dann zog er den Brief unter seinem Wams hervor und berichtete ausführlich über den Inhalt.

      Die beiden Männer hörten aufmerksam zu. Für Oliver O’Brien, den grauäugigen Mann mit dem kantigen Gesicht, gab es seit langem keine Verständigungsschwierigkeiten mehr, da er als Sohn einer deutschen Mutter und eines irischen Vaters zweisprachig aufgewachsen war.

      Renke Eggens, der Fischerssohn auf Rügen, ließ deutliche Besorgnis in seinem schmalen Gesicht erkennen. Er brauchte keine zusätzlichen Erklärungen,