Seewölfe - Piraten der Weltmeere 557. Burt Frederick. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Burt Frederick
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954399642
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schwöre, daß meine Meldung der Wahrheit entspricht“, sagte er mit bebender Stimme. „Ich habe nichts erfunden. Warum sollte ich so etwas tun?“

      „Weil du in den letzten sechs Monaten keine verwertbaren Informationen geliefert hast“, sagte der Bandenführer kalt. „Du stehst unter einem gewissen Zwang. Du weißt, daß ich mir bald einen anderen suchen werde, der deinen Posten übernimmt. Ich trage die Verantwortung für dreiundvierzig Männer. Was wir brauchen, sind regelmäßige Einkünfte – sprich, lohnende Objekte.“

      „Aber gerade daran denke ich doch dauernd!“ rief Wano mit einem Unterton von Verzweiflung. „Und nun habe ich endlich eine bedeutende Nachricht, und Sie unterstellen mir …“

      Garianidse schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab.

      „Also gut, ich will nicht ungerecht sein“, sagte er versöhnlich. „Man soll einen Mann nicht zum Lügner erklären, bevor er den Mund aufgetan hat. Ich werde zuhören. Sprich!“ Er griff nach einer fertig gestopften Tonpfeife, die er von Kaufleuten mit Verbindungen zu westlichen Ländern erbeutet hatte.

      Der scharfe, doch würzige Geruch des Tabaks wehte Wano entgegen, während Garianidse die Kienspanflamme mit schmatzenden Zügen in den Pfeifenkolben sog.

      „Ich habe bis spät in die Nacht beobachtet und herumgehorcht“, sagte der Vollbärtige. „Und dann bin ich sofort aufgebrochen, ohne mir Schlaf zu gönnen.“

      „Versteht sich von selbst“, brummte Garianidse hinter dichtem Rauch. „Weiter!“

      Wano mußte alle innere Kraft aufbieten, um seinen Unwillen nicht zu zeigen.

      „Nur einige Engländer haben gestern abend nach dem Vertäuen das Schiff verlassen“, fuhr er fort. „Sie haben Schewardnadses Hafenschenke aufgesucht und unseren köstlichen georgischen Wein genossen.“ Stolz klang aus den Worten Wanos, und Stolz spiegelte auch das Lächeln des Bandenführers. Nach Wanos Eindruck schien er nun endlich besänftigt zu sein.

      „Wie viele Männer waren in der Schenke?“ fragte Garianidse.

      „Sechs, Gospodin. Einer von ihnen war allerdings gebürtiger Spanier, aber er hat sich den Engländern angeschlossen.“

      „Todfeinde, die sich verbünden.“ Garianidse nahm die Pfeife aus dem Mund und betrachtete sie, wie er sie in der rechten Hand hielt. „Da muß wirklich etwas Tiefgreifendes geschehen sein, wenn sich ein Spanier auf die Seite von Engländern schlägt.“

      „Ich verstehe nicht, Gospodin.“

      „Spanien und England, mein Lieber“, sagte Garianidse mit väterlicher Überlegenheit, „befinden sich im Kriegszustand. Und ich glaube, die Engländer gewinnen immer mehr an Einfluß auf den Weltmeeren. Ihre Königin ist ein eisernes Weib. Eine, die den spanischen Philipp das Fürchten gelehrt hat. Nun, das ist aber nicht unsere Welt.“ Der frühere Opritschninamann hängte sich die Pfeife wieder in den Mundwinkel. „War der Kapitän mit in der Schenke?“

      „Nein, Gospodin. Aber ich habe seinen Namen in Erfahrung gebracht. Er heißt Philip Hasard Killigrew. Sir Philip Hasard Killigrew.“

      Garianidse zog die Brauen hoch und stieß einen Pfiff aus. „Ein Mann von Adel?“

      „Seine Königin soll ihn zum Ritter geschlagen haben.“

      „Was hat ein Mann wie er auf einer verlausten russischen Dubas im Schwarzen Meer zu suchen?“

      „Darüber konnte ich noch keine genauen Erkenntnisse gewinnen, Gospodin. Wie gesagt: Die Engländer haben erst gestern abend in Otschamtschire vertäut.“

      „Hm. Wie stark ist die Crew insgesamt?“

      „Ungefähr fünfundzwanzig Mann. Es mag einer mehr oder einer weniger sein. Ich kann mich da nach der kurzen Zeit nicht festlegen.“

      Garianidse winkte ungeduldig ab. „Weiter! Was noch?“

      „Es heißt, daß sie den russischen Zweimaster erbeutet haben. Sie wollen das Osmanische Reich durchquert haben und suchen einen Wasserweg, der ins Mittelmeer führt.“

      Garianidse schmatzte an seinem Pfeifenmundstück. Der Tabak war verglüht. Er fluchte, als er sich die Zunge verbrannte. Wütend hob er das Rauchutensil und wollte es ins Kaminfeuer schleudern. Dann besann er sich des Seltenheitswerts dieser Tonpfeifen und legte sie behutsam auf den Tisch.

      „Haben sie Handelsware bei sich?“ fragte er.

      „Nach dem Tiefgang der Dubas scheinen die Laderäume zumindest nicht leer zu sein. Mit Waffen sind sie außerdem hervorragend ausgerüstet.“

      Die Miene des georgischen Bandenführers erhellte sich weiter. Er stand auf, umrundete den Tisch mit dumpf polternden Schritten und klopfte seinem Verbindungsmann auf die Schulter. „Gute Arbeit, Wano, wirklich gute Arbeit. Darauf laß uns anstoßen. Ich bin sicher, dein Einsatz wird sich lohnen.“

      Wano strahlte vor Freude, als Garianidse mit einer Flasche und zwei Gläsern zurückkehrte und sich ihm wieder gegenübersetzte. Der Bandenführer schenkte die Gläser halbvoll mit dem glasklaren Schnaps. Wano nahm sein Glas, prostete seinem Gegenüber zu und leerte es mit einem Zug. Er wußte, Garianidse liebte Leistungsvermögen dieser Art.

      „Die Engländer haben einen weiten Weg hinter sich“, sagte Wano. „Es war vom Persischen Golf und von Arabien die Rede, von Ostafrika und vom Indischen Ozean. Und wie fromme Pilger sehen sie nicht gerade aus. Ich halte es für denkbar, daß sie auf ihrem Weg einiges an Beute eingesackt haben.“

      Abermals stieß Sergej Garianidse einen Pfiff aus.

      „Du könntest recht haben!“ rief er begeistert. „Nach allem, was ich von den Engländern gehört habe, sollen sie wahre Teufelskerle sein.“ Er grinste. „Natürlich nicht mit uns zu vergleichen. Aber – immerhin! Als Freibeuter zwacken sie den Spaniern ganze Schiffsladungen von Gold ab.“

      „Vielleicht sind auch unsere Englischmänner in Otschamtschire solche Freibeuter“, sagte Wano, durch den Alkohol bereits ein wenig von Hemmungen befreit.

      „Vielleicht“, entgegnete Garianidse und nickte. Er schenkte nach, diesmal dreiviertelvoll. Wieder wurden die Gläser in einem Zug geleert. Der Bandenführer hängte die Arme über die Stuhllehne und streckte die Beine lang aus, am rechten Tischbein vorbei. Unvermittelt verdüsterte sich seine Miene. „Es könnte aber auch andere Gründe für ihre Anwesenheit geben“, murmelte er.

      Wano erschrak, zeigte es aber nicht. „Nicht, daß ich wüßte, Gospodin. Sie wollen in Otschamtschire ihre Vorräte ergänzen und dann weiter, den Weg ins Mittelmeer suchen.“

      Garianidse schnellte hoch. Seine Augen waren plötzlich zu Schlitzen verengt.

      „Das ist zu einfach“, zischte er. „Es muß mehr dahinterstecken. Solche lächerlichen Gründe reichen mir nicht.“ Mit zwei schnellen Schritten war er bei seinem Zuträger.

      Wano war zusammengezuckt. Er wollte zurückweichen, doch er schaffte es nicht mehr.

      „Nein!“ rief er keuchend. „Sie können doch nicht …“

      Seine Stimme erstarb in einem Gurgeln, als ihn Garianidse am Kragen packte und mit der einen Faust mühelos vom Schemel hochzog. Wano beging nicht den Fehler, sich aus dem eisenharten Griff befreien zu wollen. Dadurch würde er Garianidses Jähzorn nur noch mehr anfachen. Dieser unvorhersehbare Stimmungsumschwung, wie man ihn allen Georgiern nachsagte, war bei ihm auf eine besonders gefährliche Art ausgeprägt.

      „Rede!“ sagte Garianidse fauchend. „Spuck die Wahrheit aus, du Wurm! Du arbeitest für zwei Seiten und versuchst ein doppeltes Spiel mit mir. Habe ich recht? Die Engländer sind in Wirklichkeit Spitzel, die man mir auf den Hals schickt. Diesem Hundesohn Boris Godunow traue ich alles zu. Und du bist im Auftrag dieser elenden Ketzer hier, um mich einzulullen. Sobald ich eine Maßnahme gegen sie durchführe, wie du das gern möchtest, gerate ich in eine Falle!“ Er packte fester zu und schüttelte den nicht gerade schwächlichen Mann, daß dessen Kopf vor und zurück wippte.

      „Nein!“