Impressum
© 1976/2018 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
eISBN: 978-3-95439-882-9
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Fred McMason
Küstenpiraten
Sie gaben kein Pardon – bis sich auch für sie die Hölle auftat
Als die „Goldene Henne“ in den Hafen von Havanna einlaufen wollte, wurde sie von Wach-Schaluppen gestoppt und aufgefordert, auf Reede zu ankern. Ein junger, reichlich aufgeblasener Teniente erklärte, der sehr ehrenwerte Gouverneur behalte sich vor, darüber zu entscheiden, wann „ein fremdes Schiff“ einlaufen dürfe. Diese Regelung war reichlich merkwürdig, zumindest sah sie verdammt nach Schikane aus. Als jedoch in der Nacht ein anderer Ankerlieger – eine portugiesische Handelsgaleone – von Küstenwölfen überfallen, geentert und nach Westen gesegelt wurde, wurde Jean Ribault mißtrauisch und folgte den Schnapphähnen. Er wurde fündig, denn die Kerle setzten die Galeone auf eine Sandbank, plünderten sie aus – und brachten das Beutegut in die Gouverneursresidenz …
Die Hauptpersonen des Romans:
Arne von Manteuffel – der Vetter des Seewolfs hat eine gute Idee, den Schnapphähnen das Handwerk zu legen.
Alonzo de Escobedo – der neue Gouverneur von Havanna hat nichts dagegen, sich schmieren zu lassen.
Jean Ribault – bewahrt einen Landsmann davor, massakriert zu werden.
Fiarro – der Küstenschnapphahn meint, alle Trümpfe in der Hand zu haben.
Costa – ein Rächer, der das Herz auf dem rechten Fleck hat.
Inhalt
1.
Havanna – 5. Mai 1595.
Im Hafenviertel von Havanna herrschte buntes und reges Treiben. Fischer mit von der Sonne gebräunten und verwitterten Gesichtern hatten ihre Stände aufgebaut. In buntem Durcheinander lagen da sehr malerisch riesige Hummer, Langusten, Krebse, Garnelen und viele Arten von Fisch.
Neben den Fischern boten handfeste Marktweiber ihre Produkte an. Sie verkauften lebende Hühner, Gänse, Eier, Zitrusfrüchte, Bananen, Gemüse aller Art und Mais.
Neben ihnen wiederum befanden sich die Stände der Macheteros, die ihr Zuckerrohr gleich bündelweise anboten.
Knorrige Siedler der Außenbezirke von Havanna hatten sich ebenfalls eingefunden, um ihre landwirtschaftlichen Produkte an den Mann zu bringen.
Die Szene wirkte sehr malerisch, denn das alles wurde von undefinierbaren Gerüchen überlagert. Hinzu kam noch der Duft des Hafens, von Seewasser, Tang, teergetränktem Holz und Lampenöl. Den Hintergrund der malerischen Kulisse bildeten Schaluppen, eine Galeone und viele kleinere Boote. Die Marktweiber schrien sich die Kehlen heiser, die Fischer brüllten lautstark und gestenreich, um ihre Ware loszuwerden, und die Macheteros, die Zuckerrohrschneider, krächzten dazwischen.
Um diese Zeit, es war jetzt zehn Uhr morgens, hatten sich auch bereits zahlreiche Kunden eingefunden, die die angepriesenen Waren beäugten, beschnupperten und begrapschten. Es wurde gefeilscht und gestritten.
Auch die Beutelschneider mit den scharfblickenden Augen und den flinken Fingern hatten an Markttagen immer Hochkonjunktur, und so mancher biedere Bürger von Havanna merkte erst beim Bezahlen, daß ihn jemand um die Geldkatze erleichtert hatte.
Dann ging das Gekeife, Gezeter und Geschrei erst richtig los. Der Heilige Antonius wurde angerufen und angefleht, er möge doch – bitte sehr – die geklauten Sachen wieder herbeischaffen. Aber da der Heilige sehr viel zu tun hatte, konnte er nicht allen helfen, und so wurde er von manch Einfältigen der Faulheit bezichtigt.
Als die Marktszene fast in voller Blüte stand, erstarrte sie auch schon, und die Menschen wandten neugierig die Köpfe.
„Der neue Gouverneur kommt“, raunten sie.
Die Fischer grinsten dünn, und die Macheteros kümmerten sich nicht darum. Denn der neue Gouverneur von Havanna, Alonzo de Escobedo, hatte für sie noch keinen Finger gerührt, und es sah auch nicht so aus, als habe er das vor.
Das Gekeife, Geschrei, Gezeter und Gejammer hörte fast schlagartig auf. An den Marktständen trat Ruhe ein. Die derben Marktweiber aber reckten neugierig die Köpfe, denn Alonzo de Escobedo trat immer auf, als sei er der König von Spanien persönlich.
Anfangs war er ein kleiner Hafenkapitän gewesen, der seine Amtswege zu Fuß unternehmen mußte. Jetzt hatte er das nicht mehr nötig, denn er bewohnte selbstverständlich die Residenz des vorherigen Gouverneurs, des feisten Don Antonio de Quintanilla. Von dem hatte er ebenso selbstverständlich die Prunkkarosse und das Personal übernommen.
Noch selbstverständlicher war für ihn, daß er sich so schnell wie nur möglich an fremdem Eigentum vergriff und bereicherte. Er beherrschte zwar noch nicht alle schäbigen und miesen Tricks des Exgouverneurs, aber Ideen hatte er schon – und sehr prächtige, wie er glaubte.
So stammte die Idee von ihm, auf Reede liegende Schiffe auszuplündern. Das hatte de Escobedo bereits mit Erfolg versucht, und diese Idee hielt er für genial. Sein letztes Opfer war eine portugiesische Handelsgaleone gewesen, deren Mannschaft umgebracht worden war. Anschließend hatte er das Schiff ausplündern lassen.
Die Prunkkarosse rollte jetzt auf die Pier zu und nahm Kurs auf das deutsche Handelshaus und die Faktorei Arne von Manteuffels.
Begleitet wurde die Karosse von einer Eskorte berittener Stadtgardisten.
Auf den Katzenköpfen war das Klappern der Hufe zu hören. Der Erhabene selbst war nicht zu sehen. Dicke Gardinen verbargen ihn vor den neugierigen Blicken des Pöbels.
Hinten auf der Karosse, die von zwei Pferden gezogen wurde, standen zwei in farbenprächtige Gewänder gehüllte Lakaien, steif und unbeweglich wie Ladestöcke. Erhabenen Blickes sahen sie hochmütig über die Menschenmenge hinweg.
Die Kutsche hielt vor der Faktorei. Das Geklapper der Hufe erstarb. Die Pferde der Stadtgardisten tänzelten nervös auf den Katzenköpfen.
Die beiden Lakaien, die hinten auf einem Trittbrett gestanden hatten, stiegen eilfertig ab, um dem hohen Herrn den Schlag zu öffnen und beim Aussteigen behilflich zu sein.
Sie öffneten den Schlag und verbeugten sich. Gleichzeitig stellten sie ein Treppchen vor den Ausstieg der Kutsche. Das Treppchen hatte zierlich gedrechselte Säulchen und einen golden verzierten Handlauf. Es hatte schon dem fetten Don Antonio hilfreich gedient und war sehr solide, denn es war unter dem beachtlichen Gewicht des Dicken noch nicht zusammengebrochen.