Seewölfe Paket 15. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397730
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und wenn sie ihn erschlugen. Er war ein alter Mann und hatte den größten Teil des Lebens hinter sich. Verriet er den Halunken die Pläne, dann mußten jüngere sterben, der Seewolf und einige seiner Männer vielleicht. Und an denen hing er wie ein Vater an seinen Söhnen.

      Er versank wieder in Grübeleien. Dann, nach einer Ewigkeit, wie ihm schien, hörte er erneut Schritte. Einer seiner Bewacher war da, einer der Kerle, die aufpaßten, daß er nicht verlorenging.

      Hesekiel Ramsgate spielte seine Rolle weiter als alter Mann, dem die Schläge auf den Kopf leicht geschadet hatten und dessen Geist ein wenig verwirrt war. Vor Verrückten hatten fast alle ein bißchen Angst, ganz besonders aber jene, die so abergläubisch waren.

      3.

      Immer noch gab es trotz der hohen Belohnung keinen einzigen Hinweis auf Hesekiel Ramsgate. Beim dicken Plymson, dem Wirt der „Bloody Mary“, war ebenfalls noch kein Tip eingegangen.

      In der Kneipe stand nur ein mürrischer Sargtischler, der zwar auf die Belohnung scharf war, aber leider auch nichts wußte oder gehört hatte.

      Philip Hasard Killigrew und Dan O’Flynn verließen den Laden wieder. Auf ein Getränk hatten sie verzichtet.

      „Jetzt weiß ich mir bald keinen Rat mehr“, sagte Hasard, als sie wieder draußen im Sonnenschein an der Ekke Millbay Road standen. „Fast glaube ich, man hat den armen alten Mann umgebracht.“

      „Aber wer, zum Teufel, hat denn ein Interesse daran?“ fragte Dan.

      Hasard zuckte mit den Achseln.

      „Ich weiß es nicht, Dan. Es ist nur so ein Gedanke.“

      „Ob das mit der Belohnung schon in ganz Plymouth durch ist?“ fragte Dan.

      „Sicher, ganz bestimmt. Fünfzig Golddublonen sprechen sich herum. Da wird jeder Augen und Ohren offenhalten.“

      „Trotzdem sollten wir uns noch ein wenig in weiteren Kneipen umhören“, meinte Dan. „Wir haben ja Zeit und können eine nach der anderen abklappern.“

      „Kein schlechter Gedanke“, sagte der Seewolf. Er blieb noch einen Augenblick stehen, sah die Millbay Road entlang und blickte dann in die St. Mary Street. Ein kleines Lächeln erschien zuerst in seinen Augenfalten, dann setzte es sich fort und erreichte die schmalen Lippen.

      Dan O’Flynn war dem Blick Hasards gefolgt, sah das leicht wehmütige Grinsen und grinste dann auch.

      Beide blickten sich erst wortlos an, dann lachten sie.

      „Junge, Junge“, sagte Dan fast andächtig. „Hier hat alles einmal angefangen, hier haben wir uns bei einer Mordsprügelei kennengelernt und sind bei Francis Drake auf der ‚Marygold‘ gelandet.“

      „Fünfzehnhundertsechsundsiebzig war das“, sagte Hasard.

      „Im Oktober“, setzte Dan gedankenverloren hinzu. „In einer kalten, rauhen Nacht. Da bin ich von zu Hause ausgekniffen, weil ich Sargtischler werden sollte. Und da oben hinein“, sagte er lachend, „hast du einen Mann in ein Schlafzimmer gefeuert. Du hieltest ihn bei den Stiefeln und hast ihn rumgeschlenkert. Und auf einmal war er weg und landete genau in jenem Zimmer dort.“

      Ja, damals hatte es einigen Aufruhr gegeben. Der Kerl, der ihm aus den Stiefeln gerutscht war, landete bei einer Witwe im Schlafzimmer, und von dieser Nacht sprachen die Leute von Plymouth sogar noch heute und konnten sich eines leichten Schauers nicht erwehren.

      Allerdings waren Hasard und Dan anschließend kämpfend untergegangen und auf der „Marygold“ gelandet, als Gepreßte! Ein Witz war das gewesen, denn dort wollten sie freiwillig hin.

      Hasard nickte lächelnd.

      „Eine lange Zeit ist das her“, sagte er. „Gut, sehen wir uns einmal in Plymouth um, vielleicht haben wir Glück.“

      Hinter ihnen blieb der Hafen zurück. Die Masten der „Pride of Galway“ wurden kleiner, dann winzig, schließlich verschwanden sie in dem Gewirr der Häuser. Die beiden Männer gingen weiter.

      Es war heller Vormittag, die Sonne schien, Pferdefuhrwerke begegneten ihnen auf dem Katzenkopfpflaster. Die Bauern waren längst auf den Feldern. Die Atmosphäre war friedlich und beschaulich.

      Hinter dem Marktplatz kamen sie an dem dreibalkigen Galgen vorbei, den man schon vor über dreißig Jahren errichtet und hin und wieder auch benutzt hatte. Aber heute hing niemand daran.

      In der ersten Schenke hielt sich niemand auf. Den Wirt fanden sie draußen auf dem Hof, wo er kraftvoll Holz hackte.

      „Das mit den Golddublonen hab ich schon gehört“, sagte er auf Hasards Frage. „Ich weiß auch, wer Sie sind, Sir. In Plymouth erzählt man ja laufend von Ihnen. Aber wenn ich was wüßte, dann hätte ich mir schon die Hacken abgerannt, können Sie mir glauben, Sir.“

      Die nächste Kneipe war ebenfalls nicht ergiebig. Alle beteuerten, daß sie von der Belohnung wußten und die Augen offenhalten würden, aber leider – leider.

      Auch in einer Fuhrmannskneipe konnte man ihnen nicht helfen, obwohl die Augen vor Gier glänzten, wenn von der Belohnung gesprochen wurde.

      Das nützte ihnen alles nichts, so gelangten sie nicht weiter. Es war zum Verzweifeln, und es schien, als sei Hesekiel Ramsgate spurlos im Erdboden versunken.

      Eine Kneipe nach der anderen klapperten sie ab, bis es langsam Mittag und damit Essenszeit wurde. Aus den Küchen der Schenken roch es nach Kohl und Gemüse, hin und wieder auch nach Fisch, ganz selten jedoch nach gebratenem Fleisch.

      „Damit hätten wir den größten Teil der Kneipen durch“, sagte Dan. „Ich kenne nur noch zwei oder drei. Vielleicht wäre es abends doch ergiebiger gewesen.“

      Hasard gab keine Antwort. Er zeigte auf eine roh zusammengehauene Bank, die im Schatten unter zwei mächtig ausladenden Lindenbäumen stand. In dem Baum zwitscherten Vögel, eine Katze hockte schläfrig auf dem Boden und blinzelte.

      Hinter ihnen befand sich der Schuldturm von Plymouth, das Gefängnis für Leute, die nicht in der Lage waren, ihre Schulden zu bezahlen. Konnten sie das nicht, dann wanderten sie in das Gefängnis. Dort konnten sie ihre Schulden erst recht nicht bezahlen, weil sie dazu keine Möglichkeit mehr hatten.

      Der Schuldturm war ein verwittertes Backsteingebäude mit einem trockenen, staubigen Hof. Alles war durch Schmiedeeisen abgegittert, selbst über den Hof war ein Gitter gespannt.

      Wer hier einmal drinsaß, dessen Schulden vermehrten sich laufend durch die anfallenden Zinsen, und es wurde immer unwahrscheinlicher, daß er jemals wieder in die Freiheit zurückkehrte. Hier war das Essen schlecht, im Winter wurde kaum geheizt, und viele Leute waren hier schon elend gestorben.

      Aus den Augenwinkeln blickte Hasard einmal kurz in den kaum einzusehenden Hof. Ausgemergelte, apathische Gestalten in zerfetzter Kleidung hockten teilnahmslos auf dem staubigen Boden und dämmerten dem nächsten für sie genauso hoffnungslosen Tag entgegen.

      Ein unangenehmes Gefühl überlief den Seewolf wie immer, wenn er Menschen sah, denen man die Freiheit genommen hatte. Leute, die keine Aussicht hatten, das geschuldete Geld abzuarbeiten. Viele von ihnen waren schuldlos in Not geraten, und jetzt hockten sie hier und warteten, warteten. Die meisten waren so abgestumpft, daß sie gar nicht mehr bemerkten, was um sie herum vorging. Sie hockten nur einfach auf dem Boden, warteten und starrten in den Staub und Schmutz.

      „Ein Scheißleben ist das“, sagte Dan, dem Hasards schneller Blick nicht entgangen war. „Ein Nachbar von uns hat zwei Jahre lang im Schuldturm von Falmouth gesessen, wegen einer lausigen Handvoll Copper, die er nicht bezahlen konnte. Daheim hungerten seine Kinder, und im Laufe der zwei Jahre wurden aus der Handvoll Copper mehrere Goldstücke. Die konnte er erst recht nicht bezahlen, und so blieb er noch ein halbes Jahr drin. Dann starb er, und als seine Frau davon erfuhr, hängte sie sich auf dem Dachboden auf. Damit war dann allen gedient, die Schulden wurden nie bezahlt, und es gab zwei Tote.“

      „So ist das Gesetz“,