Seewölfe - Piraten der Weltmeere 288. Frank Moorfield. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Frank Moorfield
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954396856
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jawohl, das würde ich!“

      Der Seewolf lächelte.

      „Deinen Eifer in Ehren, Donegal“, sagte er. „Die Kerle hätten es bestimmt verdient, daß man ihnen die Hälse langzieht. Aber ich schätze, daß uns unser buckelloser Freund, der da mit vollen Hosen am Schanzkleid steht, lebend von größerem Nutzen sein wird.“

      „So ist es, Sir“, pflichtete ihm Ed Carberry bei. „Ein solches katzbuckliges Rübenschwein kann man unmöglich aufhängen und dann über Bord werfen. Da würden in dieser schönen Bucht sämtliche Fische verrecken. Und von was sollen die armen Fischer, die da drüben an der Küste wohnen, dann leben, was, wie?“ Im selben Atemzug wandte sich der Profos an den alten O’Flynn. „Und kannst du Stint mir mal erzählen, wie diese Buschgespenster überhaupt an Bord gelangt sind, he? Hast du ihnen vielleicht die Jakobsleiter ausbringen lassen, Mister O’Flynn?“

      So schnell es sein Holzbein erlaubte, fuhr Old O’Flynn herum.

      „Was soll das heißen?“ fragte er scharf. „Willst du mir etwa Versäumnisse vorwerfen? Du kannst ja mal ins Achterschiff abentern und dich an den Pumpen austoben, wenn du meinst, daß wir hier geschlafen haben! Vielleicht gelingt es dir, das Schiffchen festzuhalten, damit es nicht absäuft.“

      Der Profos trat einen Schritt auf den alten O’Flynn zu.

      „Führ mich nur nicht aufs Glatteis, Donegal. Daß diese Kakerlaken unbemerkt an Bord geentert sind, während ihr euch da unten die Seelen aus dem Leib gelenzt habt, ist ja noch einleuchtend. Aber wie konnten die Kerle das Ruder beschädigen und den Kahn anbohren, ohne daß euch Rübenschweinen was aufgefallen ist, was, wie?“

      „Du kannst leicht dein großes Maul aufreißen“, sagte Old Donegal wild. „Meinst du vielleicht, wir hätten in den Kojen gelegen und selig geschlummert? Erstens einmal war es dunkel, und zweitens hatten wir, obwohl die Crew nicht vollzählig war, alle Hände voll damit zu tun, das Schiff für einen neuen Angriff auf die ‚Coquille‘ vorzubereiten. Und drittens haben wir der verdammten Schaluppe, die sich zur Küste hin verholte, noch zwei Schüsse aus den Drehbassen nachgeschickt. Daß sich dieser Hurensohn da“, und damit zeigte er wieder mit der Krücke auf Albert, „inzwischen mit einer Pinasse vom Heck zum Bug verholt hatte, konnten wir natürlich nicht ahnen. Aber wenn du …“

      „Schon gut, Donegal“, unterbrach der Seewolf. „Das hätte jedem von uns auch passieren können. Man muß schon die besonderen Umstände berücksichtigen, in der sich die ‚Hornet‘ zu diesem Zeitpunkt befand. Außerdem bringen lange Diskussionen jetzt nichts ein. Wenn das Schiff Wasser gezogen hat, dann gibt es jetzt wahrhaftig Besseres zu tun.“

      „Du hast recht, Sir“, brummte der Profos. „Aber was soll mit diesen Affenärschen da geschehen? Soll ich ihnen die Nasen auf den Rücken drehen oder sie auf einer Kanonenkugel über den Atlantik reisen lassen?“ Er hatte diese Fragen absichtlich in seinem schauderhaften Französisch gestellt, um den Galgenstricken etwas einzuheizen. Sie konnten ja nicht wissen, daß der gute alte Edwin Carberry im Grunde genommen diese Drohungen gar nicht ernst meinte.

      Die meisten von ihnen sahen sich jedoch schon im Geiste nach alter Piratenart vor die Mündung einer Culverine gebunden, um von einer pfundschweren Kugel in tausend Stücke gerissen zu werden. Es fielen ihnen deshalb tonnenschwere Steine vom Herzen, als sich der Seewolf, immer noch lächelnd, an seinen Profos wandte. Und auch er sprach diesmal französisch.

      „Wir lassen sie frei, Ed“, entschied er. „Sie dürfen an Land schwimmen und zu Fuß nach Concarneau oder Quimper zurückkehren. Ich nehme an, daß sie von dort gekommen sind.“

      „Du läßt sie frei?“ fragte Ed erstaunt. „Und wenn sie sich im kühlen Wasser einen Schnupfen holen?“

      „Dann bleibt ihnen wenigstens ein kleines Andenken an diesen nächtlichen Ausflug. Unseren buckligen Freund werden wir allerdings noch etwas bei uns behalten. Ebenso die blonde Lady, die zu seinem Trupp gehörte. Zusammen mit Easton Terry und Jules Arzot werden wir dann vier Gefangene an Bord haben. Das ist genug, wenn man bedenkt, daß wir keine Zeit dazu haben, auch noch Babysitter zu spielen.“

      Ed Carberry blickte den Seewolf nachdenklich an. Dabei kratzte er sich an seinem Rammkinn, wobei die Bartstoppeln ein Geräusch von sich gaben, als würde ein Trupp Soldaten durch ein stoppeliges Getreidefeld marschieren.

      „Aye, Sir“, sagte er schließlich. „Lassen wir die Schneckenfresser also laufen. Aber du hast doch sicherlich nichts dagegen einzuwenden, wenn ich die Rübenschweine kurzerhand über Bord … Ich meine natürlich, wenn ich ihnen beim Vonbordgehen hilfreich zur Seite stehe, damit sich keiner von ihnen sein zartes Köpfchen oder Beinchen irgendwo anstößt.“

      „Nichts da!“ begehrte der alte O’Flynn auf. „Drei von diesen Kerlen kannst du meinetwegen übernehmen, den vier anderen aber werde ich beim Abentern helfen …“

      „Nun mal langsam“, sagte der Seewolf. „Eure Hilfsbereitschaft in allen Ehren. Aber ich denke, die Kerle schaffen das von selber. Wir brauchen uns nicht erst damit aufzuhalten. Los, verschwindet!“

      Der kurze Befehl des Seewolfs schien Wunder zu wirken. Bevor noch jemand etwas sagen konnte, sprangen die Galgenstricke über Bord. Man hörte klatschende Geräusche, die sich jedoch bald in der Dunkelheit verloren.

      „Sie werden bis zur Küste tüchtig strampeln müssen“, sagte Philip Hasard Killigrew. „Und jetzt schlage ich vor, daß wir die Toten von Bord schaffen und unsere Leute, die sich noch mit dem blonden Engelchen sowie Terry und Arzot auf den Einmastern befinden, in das Geschehen hier einbeziehen. Wenn wir alle Gefangenen beisammen haben, werden sie erst mal in die Vorpiek wandern. Wir aber müssen uns um das Schiff kümmern.“

      „Terry, Arzot und ein blondes Engelchen?“ fragte der alte O’Flynn. „Soll dieses Engelchen etwa ein Weibsstück sein, he?“

      „Klar, was sonst?“ gab Ferris Tukker zurück. „Hasard hat doch vorhin schon von der Lady gesprochen. Ha, es wird dir die Sprache verschlagen, wenn du das Prachtstück erst siehst.“ Er untermalte seine Worte mit einer vielsagenden Geste.

      „Laß dich nicht verkohlen, Donegal“, fügte Carberry in seiner direkten Art hinzu. „Die Lady sieht zwar nicht schlecht aus, aber ein Engelchen ist sie keineswegs. Es handelt sich vielmehr um eine Hure aus Quimper, die diesem katzbuckligen Buchgespenst da helfen wollte!“ Ein finsterer Blick streifte Albert, der immer noch regungslos und mit ängstlichem Gesicht am Schanzkleid stand.

      Ja, diese Nacht war für die Seewölfe voller Ereignisse.

      Begonnen hatte alles mit einem geheimen Auftrag der englischen Königin, der dem Seewolf in der Hafenstadt Plymouth übermittelt worden war.

      Für das Unternehmen hatte man dem Seewolf zwei Drei-Mast-Galeonen von je dreihundert Tonnen Größe zur Verfügung gestellt – die „Hornet“ und die „Fidelity“, beide getarnt als harmlose Kauffahrer. Die „Hornet“ unterstand dem Kommando Philip Hasard Killigrews, die „Fidelity“ wurde von einem großen, breitschultrigen Mann namens Easton Terry befehligt, der ebenfalls einen Kaperbrief der englischen Königin besaß. Die Gesamtleitung des Unternehmens lag jedoch in den Händen des Seewolfs.

      Der Grund für den geheimen Auftrag war in den Störaktionen und Übergreifen auf englische Schiffe zu suchen, die mit dem Ziel, die englische Flotte zu schwächen, von Frankreich aus gestartet wurde. Der Urheber jedoch war Seine Allerkatholischste Majestät, König Philipp II. von Spanien, der abermals versuchte, in Frankreich Fuß zu fassen und damit gleichzeitig hoffte, England mit französischer Hilfe in einem zweiten Anlauf unterwerfen zu können.

      Aus diesem Grund hatte Philip II. seine Spione nach Frankreich geschickt. An vorderster Front: Lucio do Velho. Sie sollten sich bei ihren Störaktionen der Hilfe französischer Freibeuter bedienen – selbstverständlich gegen gute Bezahlung. In Yves Grammont und seinen Schnapphähnen hatte Lucio do Velho die richtigen Verbündeten gefunden. Das Vorhaben hatte recht erfolgversprechend ausgesehen, zumindest bis zu jenem Tag, an dem die „Hornet“ und die „Fidelity“ an der Küste der Bretagne aufgekreuzt waren, wo sich auch die Schlupfwinkel der spanischen Spione