„Man versteht es in Spanien, immer bessere und schnellere Schiffe zu bauen, Capitano Moreno“, sagte er anerkennend. „Vermutlich sind Sie ein reicher Mann, ein reicher Kaufmann“, setzte er hinzu.
„Ich fühle mich geschmeichelt“, sagte Hasard. „Nun, ich bin ein wenig begütert, aber das sind andere Handelsfahrer mitunter ja auch.“
Don Alfredo gab sich leutselig, aber er verhehlte auch seine Neugier nicht, und so stellte er immer wieder ein paar scheinbar nebensächliche Fragen.
Nein, er hat keinen Verdacht geschöpft, überlegte Hasard. Er ist auf beiden Augen blind, oder sie spielten ihre Rolle so vorzüglich, daß Don Alfredo ihnen alles abnahm.
„Ihr Ziel ist Tahiti?“ fragte Don Alfredo.
„Ja, Tahiti wollen wir anlaufen“, gab Hasard zu. „Wir suchen seltene Gewürze.“
„Interessant, Capitano. Ich habe im Auftrag der Regierung das gleiche Ziel. Und da wir uns hier begegneten, wollte ich gern einen Landsmann begrüßen.“
„Auch ich bin hocherfreut“, log der Seewolf. „Man trifft so selten auf einen Landsmann.“
Der Spanier war immer noch leutselig und jovial und benahm sich nicht so wichtigtuerisch wie der Capitano eines Kriegsschiffes. Vielleicht freute er sich wirklich, einen Landsmann zu sehen. Daß dieser Landsmann ein Engländer war, konnte er nicht wissen. Aber seine Freude wäre sicher merklich kleiner geworden.
„Sie werden bald noch mehr Landsleute treffen“, versprach der Capitano geheimnisvoll. „Mehr als sechs Schiffe sind mit Ziel Tahiti und die Insel unterwegs.“
„Das freut mich aufrichtig“, entgegnete Hasard, und diesmal lag die Freude fast ehrlich auf seinem Gesicht.
Donnerwetter, dachte er, was wollten sechs spanische Schiffe hier auf den friedlichen Inseln? Sie waren ganz sicher nicht unterwegs, um mit den Insulanern friedlichen Handel zu betreiben. Wo sie auftauchten, brachten sie nur Ärger, Angst und Verzweiflung.
Aber es war gut, das zu wissen, was Don Alfredo in seiner liebenswerten Ahnungslosigkeit ausplauderte.
Er wollte den Kapitän in die Kammer zu einem kleinen Trunk einladen, um ihn unauffällig auszuquetschen, doch der Spanier lehnte bedauernd ab.
„Ich wollte nur ein paar Neuigkeiten austauschen, Capitano Moreno“, sagte er. „Meine Zeit ist begrenzt, aber wir werden uns vermutlich auf den Inseln wiedersehen und dann mehr Zeit haben. Möglich, daß ich später Ihre Hilfe brauche, und ich hoffe auf Ihre Einsicht dabei. Schließlich dienen wir alle der spanischen Krone und seiner Majestät.“
Daher weht der Wind also, dachte Hasard, aber er gab sich auch weiterhin verbindlich und liebenswürdig.
„Selbstverständlich stehe ich Ihnen jederzeit zur Verfügung“, sagte er lächelnd. „Heißt das, daß Sie mein Schiff für irgendwelche Aufgaben requirieren wollen, falls Sie Hilfe brauchen?“
„Mein lieber Capitano! Welch hartes Wort! Ich nehme an, daß Sie anschließend nach Spanien zurücksegeln werden?“
„Allerdings.“
„Nun, von requirieren kann keine Rede sein. Aber es ist nicht ausgeschlossen, daß Sie etwas Fracht mitführen werden, falls sich das ergeben sollte. Sie stellen lediglich etwas Laderaum zur Verfügung, weiter nichts.“
So ist es üblich, dachte Hasard und verkniff sich das Grinsen.
„Ich stehe selbstverständlich zu Ihrer Verfügung“, sagte er. „Sie können über mein Schiff ganz nach Belieben verfügen, falls sich das als erforderlich erweisen sollte.“
Dann fragte er geradeheraus, um was es ginge.
4.
Don Alfredo blickte in den blauen Himmel, dann kehrte sein Blick zurück und wanderte wieder über Deck.
Die beiden Schiffe befanden sich noch eine gute Kabellänge entfernt, aber sie kamen sich kaum noch näher. Jedes der beiden dümpelte leicht in der kaum spürbaren Dünung.
Die Seewölfe gingen ihrer Arbeit nach. Ab und zu erfolgte ein Befehl in perfekt spanischer Sprache, und so wurde Don Alfredo in Sicherheit gelullt.
„Ich werde Ihnen das gleich erklären“, sagte der Spanier. „Zuvor aber eine Frage: Was gibt es an Neuigkeiten?“
Hasard zuckte bedauernd mit den Schultern.
„Wir sind schon sehr lange unterwegs“, sagte er. „Wir haben Pech gehabt und mußten unser Schiff lange Zeit auflegen, um es zu reparieren. Wir trafen nur einmal einen Landsmann in dieser langen Zeit. Wir wissen nicht einmal, zu unserem allergrößten Bedauern, wie es seiner Allerkatholischsten Majestät geht.“
„Dann haben Sie nichts von der Armada gehört?“ fragte Don Alfredo verwundert. „Nichts von der traurigen Niederlage, an der nur der Sturm schuld war?“
„Armada? Nein“, erwiderte der Seewolf.
„Wir selbst waren leider nicht dabei, ich erfuhr es erst in Habana von anderen.“
Er erzählte von der Schlacht, die für Spanien so schmählich geendet hatte, von der Niederlage Medina Sidonias, von Drake und einem gewissen Seewolf, der entscheidenden Anteil an dieser Schlacht gehabt hätte.
Er sah nicht die maskenhaft starren Gesichter der Seewölfe, die sich halbtot lachten über die Ahnungslosigkeit dieses Trottels, der sich genau auf dem Schiff befand, das der unbesieglichen Armada so schwere Verluste zugefügt hatte. Und er ahnte nichts von dem schwarzhaarigen Mann, der ihm lässig gegenüberstand, seinen Worten lauschte und sich nur mühsam das Lachen verbiß.
Den Seewolf schüttelte es richtig, aber Don Alfredo nahm dieses kaum spürbare Zucken für innere Anteilnahme, denn durch die erlittene Niederlage war natürlich jeder Spanier in seinem Stolz und seiner Ehre tief getroffen und gedemütigt. Das mußte diesem Senor Moreno ja hart zusetzen und an die Nieren gehen.
Er log noch ein bißchen hinzu, sprach von dem heldenhaften Beispiel der Spanier und einer sagenhaften Übermacht. Vielleicht wußte er es aber auch nicht besser, oder man hatte es ihm so erzählt, und nun gab er es mit eigenen Ausschmükkungen weiter.
Anschließend gab der Seewolf sich zerknirscht und todtraurig.
„Über eigene Niederlagen spricht man nicht gern“, sagte Don Alfredo abschließend. „Aber ich bin sicher, daß wir diese Schmach eines Tages tilgen werden und es uns zumindest gelingt, diesen Lobo del Mar zu fangen. Sollte mir das je glücken, dann wird er solange an meiner Rahnock hängen, bis ich wieder in der Heimat bin. Er wird so lange hängen, bis er von selbst abfällt.“
„Sie sprechen mir aus der Seele, Don Alfredo. Auch wir haben schon von ihm gehört, der immer wieder in unsere Reihen einbricht wie ein Wolf in eine Herde unwissender Schafe.“
„Erfrecht sich dieser Halunke, sein Schiff ‚Isabella‘ zu bennen“, empörte sich der Capitano. „Ein Engländer, der den Namen unserer damaligen Königin mißbraucht.“
„Obwohl dieses Recht nur uns zusteht“, pflichtete Hasard ihm bei. „Aber so sind diese englischen Marodeure. Vor nichts und niemandem haben sie Respekt. Wir tragen diesen Namen zur Ehre, und darauf sind wir stolz.“
Don Alfredo nickte bestätigend, er war immer noch empört.
Er sah nicht die Seewölfe, die fast in die Planken krochen und sich fürstlich amüsierten.
Dieser Don Alfredo hat größere Scheuklappen vor den Augen als ein Gaul, dachte Carberry. Aber das war eben das Motto des Seewolfes: Frechheit siegt! Und darauf fiel dieser Don ebenso herein wie schon etliche andere vor ihm auch.
„Lassen wir das unliebsame Thema“, sagte der Capitano. „Wenn ich den Namen dieses Kerls höre, läuft