Seewölfe Paket 28. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954399963
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späten Nachmittag erhielt Moravia in seinem Gewölbe Besuch – von dem Mufti, den er bestochen hatte. Der Mann war sehr mager und hatte ein vogelartiges Gesicht. Er trug ein altes Gewand, in dem ihn keiner als das erkannte, was er in Wirklichkeit war.

      „Hassan, du altes Schlitzohr“, sagte der vollbärtige Hüne. „Wie siehst du denn heute wieder aus?“

      Der Mufti grinste. „Keiner weiß, wer ich bin, wenn ich so durch die Altstadt gehe.“

      „Na gut. Aber ich finde, du übertreibst ein bißchen. Was gibt es neues?“

      „Das frage ich dich.“

      „Ach, wir haben uns mit einem üblen Pack herumschlagen müssen. Engländer. Ihr Schiff liegt im Hafen vor Anker. Heute nacht schnappen wir sie uns.“

      „Paßt auf“, sagte der Mufti.

      „Wir hauen den Kerlen die Schädel ein, verlaß dich drauf.“

      „Das meine ich nicht“, sagte Hassan. „Wenn es herauskommt, was ihr tut, kann ich für nichts garantieren.“

      Moravias Augen wurden schmal. „So? Und was ist mit dem Bakschisch, den ich dir regelmäßig zahle?“

      Der Mufti preßte den Zeigefinger gegen die Lippen. „Sei still.“

      „Keine Angst, die Wände haben hier keine Ohren.“

      „Ich halte dir den Rücken frei“, erwiderte Hassan leise. „Und der Kadi hört auf mich. Aber wenn er erfährt, daß ihr andere Leute verprügelt, kann er auch nichts anderes tun, als es den anderen Kadis vorzutragen und dem Sultan zu melden.“

      „Der Sultan sitzt auf seinem Hügel. Weit genug weg.“

      „Und was ist mit den portugiesischen Kapitänen in Masquat?“

      „Diese Narren“, entgegnete Moravia verächtlich. „Die sind doch blind und taub.“

      „Du solltest den Bogen nicht überspannen“, warnte Hassan.

      Moravia griff nach seinem Arm und zog ihn zu sich heran. „Was ist los mit dir, du alter Kameltreiber? Hast du plötzlich die Hosen voll?“

      „Nein. Aber ich habe gehört, daß der Sultan zur Zeit sehr nervös und ungehalten ist“, antwortete der Mufti so ruhig wie möglich, obwohl er Moravia am liebsten die Faust mitten ins Gesicht geschmettert hätte.

      Der Portugiese ließ den Araber wieder los. „Wer hat dir das erzählt?“

      „Ich habe es von einem der Bediensteten, der vorhin in der Stadt war.“

      „Du meinst, der Sultan hat wegen unseres schwunghaften Handels Lunte gerochen?“ fragte Moravia gepreßt.

      „Es könnte sein. Aber sein Zustand ist auf die Vorfälle im Palast zurückzuführen. Eine seiner Lieblingsfrauen und ein Eunuch sind umgebracht worden.“

      Moravia stieß einen Pfiff aus, dann erkundigte er sich: „Von wem?“

      „Das weiß keiner. Eine andere Frau ist verletzt worden.“

      „Nicht zu fassen.“

      „Und die Engländer sollen im Palast sein – einige von ihnen“, erklärte Hassan, der Mufti.

      „Um uns zu verraten?“ zischte Moravia. „Das würde diesen verdammten Burschen ähnlich sehen. Mistkerle! Aber ich kaufe sie mir noch, verlaß dich drauf. Wenn einige von ihnen im Palast sind, ist das um so besser für uns. Wir finden also auf dem Schiff weniger von den Bastarden vor.“

      „Seid vorsichtig“, warnte Hassan noch einmal.

      „Ach, halt deinen Mund. Erzähl mir lieber, was hinter diesen Palastmorden steckt“, sagte der Portugiese.

      „Ich habe keine Ahnung.“

      „Aber ich. Jemand will Quabus bin Said stürzen.“

      „Nein!“

      „Wie findest du das?“

      „Wer sollte sein Nachfolger werden?“ fragte der Mufti.

      „Ich vielleicht“, erwiderte Moravia lachend. „Wer weiß, vielleicht bin ich selbst der Mörder? Denk mal nach.“

      „Du willst mich verhöhnen“, sagte der Mufti leise.

      Silvestro Moravia überhörte den drohenden Unterton in der Stimme des anderen. „Ach, Quatsch. Aber ich sage dir, das dient dem Zweck, den Sultan zu verunsichern. Und zum Schluß wird auf ihn – ein Attentat verübt. Wollen wir wetten?“

      „Ein Sohn Allahs wettet nicht.“

      „Das habe ich ganz vergessen.“ Moravia lachte hart. „Aber Bestechungsgelder nimmt er gern an, oder? Na, ihr seid mir vielleicht Kerle, ihr Alis. Keine Lust zum Arbeiten. Nur faulenzen und Kinder in die Welt setzen.“

      „Hör endlich auf“, sagte Hassan.

      Moravia hieb mit der Faust auf den Tisch. „Ja, ich höre auf. Hau ab und laß dich erst morgen wieder blicken, verstanden? Ich habe genug zu tun! Morgen will ich ausschlafen! Halte aber Augen und Ohren offen und berichte mir weiterhin aus dem Palast!“

      „Ja.“

      „Was da vorgeht, interessiert mich ganz besonders.“

      „Ja.“ Hassan, der Mufti, deutete eine Verbeugung an, dann verließ er das Gewölbe. Sein Gesicht war verzerrt, als er durch die Gassen schritt. Obwohl er ihre Sprache beherrschte, haßte er die Portugiesen. Er haßte alle weißen Menschen. Und genauso haßte er die eigenen Landsleute, die eine höhere Stellung hatten als er und ständig auf ihm herumhackten. Aber was sollte er tun? Er konnte sich nur den Dingen anpassen. Das mußte schließlich jeder.

      Silvestro Moravia empfing in seinem unterirdischen Domizil die „Verstärkung“ – fast dreißig Kerle, die allesamt entschlossene Mienen aufgesetzt hatten.

      Einer von ihnen, ein gewisser Furio Ingrao, ein Kerl mit Glatze, galt als besonders brutal. Er war ein Kerl wie ein Klotz, und seine Fäuste konnten mit der Wucht eiserner Hämmer zuschlagen. Moravia hatte ihm nur ein wenig mehr Verstand voraus, sonst wäre Ingrao der Anführer gewesen und nicht er.

      „Geht’s los?“ fragte Ingrao. Er griff sich die Flasche Rum, die noch zu einem Viertel gefüllt war, hob sie an die Lippen und leerte sie. Mit einem satten, zufriedenen Laut setzte er sie wieder ab und grinste. „Knüppel oder Säbel?“ wollte er wissen.

      „Schiffshauer und Entermesser“, antwortete Moravia.

      „Ganz hart also.“

      „Wir werden aus diesen englischen Bastarden Haifutter machen“, erklärte Moravia. „Wenn’s nötig sein sollte, setzen wir auch die Schießeisen ein.“

      „Zu laut“, sagte Ingrao, der ein sehr einsilbiger Mensch war.

      „Ach, wenn ein paar Schüsse knallen, ist es nicht so schlimm“, meinte der Anführer der Bande. „Ehe jemand richtig mitkriegt, was eigentlich los ist, sind wir wieder weg, und die Hurensöhne saufen mitsamt ihrem Kahn ab.“

      „Hört sich gut an“, sagte Ingrao.

      „Was haben die Kerle an Bord?“ wollte einer der anderen wissen.

      „Nur Plunder, nehme ich an“, erwiderte Moravia, „was den Inhalt der Laderäume betrifft. Ehe wir sie zu den Haien schicken, sollten wir sie aber ausplündern. Sie haben Geld. Sie haben einen Ali üppig ausgezahlt, als ihr Affe ihm seinen Stand demoliert hat.“

      „Ein Affe?“ fragte einer der Kerle verdutzt.

      „Ja, sie haben Viehzeug“, erwiderte Moravia grinsend. „Einen Affen, einen Papagei und so. Wohl auch einen Hund. Aber der Köter ist im Palast.“

      „Wer hat dir das erzählt?“ erkundigte sich ein anderer Kerl.

      „Hassan, der Mufti“, entgegnete Moravia. „Und die Engländer tragen