Seewölfe - Piraten der Weltmeere 512. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954399208
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      Bernardo wirkte verlegen.

      „Bitte – um Entschuldigung“, brummelte er.

      Aquino wollte etwas erwidern, aber der Wirt winkte ab.

      „Lauter!“ rief er. „Keiner hat was verstanden! Wird’s bald?“

      „Aquino“, sagte der Soldat Bernardo. „Es tut mir leid. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Hab’ mich vergessen. Bitte, entschuldige.“

      „Das klingt schon besser“, sagte Caravajo. „So, und jetzt gebt euch die Hände, ihr beiden.“

      Aquino streckte seine Hand vor. Bernardo gab einen dumpfen Laut von sich, einem Grunzen nicht unähnlich. Er ergriff die Hand und drückte sie fest.

      „Schon recht“, sagte Aquino. „Ich nehm’s dir ja nicht übel. Aber ich habe dich wirklich nicht reingelegt, glaube es mir.“

      „Ich glaube es.“

      „In Ordnung“, sagte Caravajo, „und nachdem das geregelt ist gebe ich für alle einen aus.“

      Johlen und Beifallsgeschrei ertönten. Caravajo ging grinsend zur Theke zurück und nahm seinen gewohnten Platz ein. Die Männer drängten sich und hielten ihm ihre Becher hin. Caravajo füllte sie mit Wein. Er ließ sich nicht lumpen. Hin und wieder spendierte er eine Lokalrunde. Das kurbelte das Geschäft an.

      Die Welt war wieder in Ordnung. Die Soldaten setzten ihre Gespräche fort. An drei, vier Tischen wurde mit Würfeln gespielt. Aquino und Bernardo waren wieder die besten Freunde. Bernardo versuchte, es wieder auszugleichen, was er angerichtet hatte. Er holte zwei Humpen Bier und bot einen davon seinem Freund an.

      „Da, trink. Es ist ganz schön heiß heute nacht was?“

      „Kann man wohl sagen.“

      Maradona gesellte sich zu ihnen und gab Bernardo das Messer zurück. „Von dieser Luft wird man durstig, wie?“

      „Ich habe schon viel zuviel gesoffen“, erwiderte Bernardo.

      „Ach, ein bißchen Bier kann nicht schaden“, meinte Aquino augenzwinkernd. „Es ist ja nicht so stark wie Wein.“

      „Vom Schnaps ganz zu schweigen“, fügte Maradona hinzu.

      Bernardo sah zunächst Aquino, dann das Kerlchen an. „Da habt ihr wohl recht.“ Er griff nach dem Humpen, hob ihn an die Lippen und leerte ihn in einem Zug um mehr als die Hälfte seines Inhalts.

      Der Lärm in der Kneipe schwoll an. Neue Gäste waren erschienen, Soldaten, die seit zehn Uhr abends dienstfrei hatten. Caravajos Kaschemme füllte sich immer mehr. Bald war kein Platz mehr frei.

      Aquino, Bernardo und Maradona richteten den Tisch wieder auf, der bei dem Kampf umgekippt war. Sie hockten sich hin und würfelten ein paar Runden. Maradona verhielt sich sehr klug. Er war einer der besten Spieler auf der Insel und kannte auch eine Menge Tricks. Doch zunächst ließ er Bernardo gewinnen. Das stimmte den Soldaten friedlich.

      Nun war Aquino an der Reihe. Maradona richtete es so ein, daß auch er einige Silberlinge gewann. Zu vorgerückter Stunde aber, als die beiden Soldaten genug Bier getrunken hatten, knöpfte er ihnen das Geld wieder ab. Sie merkten es gar nicht mehr richtig. Sie waren voll des süßen Weines, des Bieres und des Rums.

      Maradona strich grinsend das Geld ein. Dann seufzte er und trank noch einen Humpen Bier. Was blieb ihm anderes übrig? Es gab ja sonst keinen Zeitvertreib auf der Isla de Pinos. Nueva Gerona war sozusagen das Ende der Welt. Die paar anderen Nester, die hier existierten, konnte man sowieso vergessen.

      Maradona war einer der wenigen Zivilisten im Hafen Nueva Gerona. Eines Tages war er mit einem Auswandererschiff eingetroffen, das hier Station eingelegt hatte. Der Kapitän hatte ihn an Land gesetzt, weil er dauernd Leute durch Falschspiel hereingelegt und somit für Streit an Bord gesorgt hatte. So war Maradona in Nueva Gerona hängengeblieben. Seit über zwei Jahren war er schon hier.

      Ständig nahm er sich vor, die Insel wieder zu verlassen und nach Kuba zu gehen. Aber Handelsfahrer, die ihn mitnehmen konnten, kamen fast nie vorbei. Die spanischen Kriegsschiffe, die die Isla de Pinos anliefen, durften keine Zivilisten an Bord nehmen. Geld, sich einen eigenen Kahn zu kaufen, und sei es nur eine Jolle, hatte Maradona nicht genug.

      So mußte er notgedrungen warten. Irgendwann würde sich die Chance ergeben, von diesem Ort, den er haßte, zu verschwinden. Maradona wartete auf diesen Tag, auf diese Gelegenheit.

      Das schlimmste in Nueva Gerona war, daß es kaum Frauen gab. Die wenigen weiblichen Wesen, die den Mut hatten, hier zu leben, waren die Frauen von Offizieren. Sie wohnten also im Fort. Man konnte sie höchstens aus der Ferne bewundern. In Caravajos Kaschemme erschienen sie ohnehin nicht. Das schickte sich nicht für anständige Frauen.

      Und sie gingen auch höchst selten durch den Hafen, diese Paradiesvögel. Wenn sie es dennoch taten, wurden sie von einer Eskorte Soldaten begleitet. Natürlich konnte es sein, daß ein paar gierige, lüsterne Küstenstrolche vor lauter Verlangen über sie herfielen. Dem mußte vorgebeugt werden.

      Caravajo versprach seinen Kunden immer das Blaue vom Himmel herunter. Angeblich hatte er schon vor langer Zeit eine Ladung Huren bei einem halb abgewrackten, verlausten Capitán bestellt, die irgendwann eintreffen mußten. Aber keiner glaubte mehr so recht daran. Nie würde es richtige Liebesdienerinnen in Nueva Gerona geben. Hier herrschte Enthaltsamkeit. Wollte man sich richtig austoben, mußte man nach Batabanó übersetzen oder gar nach Havanna segeln.

      Maradona hätte natürlich für ein Boot sparen können. Aber das Sparen entsprach nicht seiner Art. Hatte er mal Geld, mußte er es gleich wieder umsetzen – in flüssige Ware. Von den Silberlingen, die er gewonnen hatte, kaufte sich das Kerlchen Wein und Bier.

      Schließlich war Maradona so betrunken wie Aquino und Bernardo. Aber er konnte sich noch recht gut auf den Beinen halten. Als Aquino und Bernardo ins Freie wankten, um zum Fort zurückzukehren, folgte er ihnen.

      Die Soldaten schlugen die falsche Richtung ein und torkelten zum nahen Strand. Hier kippten sie in den Sand.

      „He“, brummte Bernardo. „Wo sind wir denn?“

      „M-meer“, lallte Aquino.

      „Das seh’ ich.“ Bernardo hob die Stimme, um das Rauschen der Brandung zu übertönen. „Ja! Aber wo, zur Hölle, ist das Fort?“

      „Verschwunden“, antwortete Aquino. Dann lachte er. „Abgesoffen!“

      „Schön wär’s, was?“ Maradona wankte auf die beiden zu. „Aber es steht noch da, das Fort. He, was macht ihr denn hier? Wollt ihr etwa baden?“

      „Baden?“ tönte Bernardo. „Ich bin doch nicht verrückt! Wasser ist schädlich! Frißt Leib und Seele kaputt!“

      Aquino kicherte. Er nahm eine Handvoll Sand auf und schleuderte sie nach Bernardo. Bernardo kriegte die Ladung voll ins Gesicht. Er fluchte, kroch bis zur Brandung und bewarf Aquino mit Schlick. Maradona hockte unterdessen unter den Palmen und verfolgte grinsend das Geschehen.

      Ja, so war das Leben auf der Isla de Pinos. Es gab eine Menge Sand, Palmen, Mangroven und natürlich Pinien – daher der Name der Insel. Mittendrin in dem Idyll standen das Fort, ein paar Baracken und die Kaschemme von Caravajo. Man lebte in den Tag hinein, die Soldaten schoben ihren öden Wachdienst und paßten auf die Proviant- und Waffenlager auf. Man aß, trank, schlief.

      Trotzdem mußte man in Nueva Gerona noch zufrieden sein. Im Inneren der Insel, an Orten wie Santa Fé, glich das Leben der Hölle auf Erden. Denn dort befanden sich die Marmorbrüche – und die Gefangenenlager. Die Kerle in Ketten mußten wie Sklaven schuften. Manch einer starb im Marmorbruch, vor Erschöpfung oder unter einem dicken Block, der aus seinen Halteseilen brach und zu Boden krachte, was immer wieder passierte.

      Maradona erhob sich und überließ Aquino und Bernardo ihrem weiteren Schicksal. Sie würden sich noch ein wenig mit Sand bewerfen und dann ins Fort zurückkehren. Man kannte das schon.

      Das Wachlokal sowie